In einer mitbestimmungsrechtlichen Frage von erheblicher Praxisrelevanz hat das BAG durch Urteil vom 20.03.2018 (1 ABR 15/17) für weitere Klarheit gesorgt:
Der (typische) Fall
Die deutsche Konzerngesellschaft gehört einem internationalen Konzern mit Sitz in den USA an. Die Muttergesellschaft teilt jährlich auch (einigen) Arbeitnehmern der deutschen Tochtergesellschaft Aktienoptionen u.ä. zu, dies auf Grundlage eines Long-Term-Incentive-Programms, zum Beispiel einem Stock Option Plan, an dessen Ausgestaltung und den konkreten Zuweisungen daraus ist die deutsche Arbeitgeberin nicht beteiligt. Auch werden die Aktienoptionen in den Arbeitsverträgen der bei der deutschen Tochtergesellschaft angestellten Arbeitnehmer nicht erwähnt.
Der Betriebsrat möchte gleichwohl an dem Verfahren der Auswahl der Arbeitnehmer und der Zuteilung der Anzahl der Aktienoptionen (Stichworte „Verteilungsgerechtigkeit“ bei der betrieblichen Lohngestaltung) nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beteiligt werden.
In der arbeitsrechtlichen Literatur wird kontrovers diskutiert, ob in solchen Konstellationen ein Mitbestimmungsrecht besteht, je nachdem, welchem sozialen Lager der eine oder der andere Autor näher steht, kommen die Autoren zu dem einen oder dem anderen Ergebnis. Auch die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte ist noch nicht einheitlich. Wie so oft, kommt es auf den Sachverhalt im Einzelnen an. Hat die deutsche Tochtergesellschaft als Arbeitgeberin bereits kein eigenes Entscheidungsrecht bzw. keinen eigenen Gestaltungsspielraum dabei, welche Arbeitnehmer in welchem Umfang an dem Optionsprogramm beteiligt werden, gibt es für den Betriebsrat auch nichts mitzubestimmen, befand etwa das LAG Hessen erst kürzlich durch Beschluss vom 03.08.2017 (5 TaBV 23/17). Das LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.01.2017 – 19 TaBV 3/16) pflichtete dem zwar im Grundsatz bei, befand aber gleichwohl, dass der deutsche Betriebsrat einen Anspruch auf Auskunft gegen die deutsche Konzerntochter habe, welchen Mitarbeitern in welchem Umfang Aktienoptionen und Nachzugsaktien gewährt wurden, damit der Betriebsrat seiner ihm in § 75 Abs. 1 BetrVG übertragenen Aufgaben, die Einhaltung der Grundsätze von Recht und Billigkeit und insbesondere der Gleichbehandlung zu überwachen, nachkommen könne. Gegebenenfalls sei die Arbeitgeberin verpflichtet, sich die Informationen bei der Muttergesellschaft zu beschaffen, wenn sie keine eigene Kenntnis über die Zuteilung hätte.
Aber auch nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg bestand kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es liegt kein Fall betrieblicher Lohngestaltung vor, wenn der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen abschließt; Ansprüche können dann nur gegenüber diesem Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit der Tochtergesellschaft. Es liegt ein rechtlich selbstständiger Vertrag des Arbeitnehmers mit der Konzernmuttergesellschaft vor, keine Entgeltleistung der Arbeitgeberin, sodass folglich kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestünde. Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Gewährung von Aktienoptionen und dem Arbeitsverhältnis reiche nicht, diese sind nur dann Arbeitsentgelt, wenn der Dritte (also die Konzernmutter) diese auch nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrags anstelle oder zusätzlich zu dem vereinbarten Arbeitsentgelt erbringen würde. Nicht zuletzt gäbe es auch keinen Gestaltungsspielraum, da die Vorgaben der Konzernmutter zwingend wären und somit die Grenze der Mitbestimmung bildeten.
Anders könnte es nur dann sein, wenn Vertreter der Tochtergesellschaft über die Zuteilung der Optionen mit entschieden und einen eigenen Ausgestaltungsspielraum bei den Einzelheiten des Aktienoptionsplans hätten. Dem gegenüber wird in der arbeitsrechtlichen Literatur teilweise verlangt, dass dann die Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft einwirken und entsprechende Mitgestaltungsrechte einzufordern hätte, damit über diesen Weg der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung ausüben könne. Diesen Weg geht, soweit erkennbar, die überwiegende Rechtsprechung also nicht mit, und das ist gut so. Denn dieser Ansatz verkennt bereits grundlegend das Verhältnis zwischen Konzerngesellschaften, sowohl rechtlich als auch im tatsächlichen.
BAG: Keine umfassende Überwachungspflicht der Konzernobergesellschaft durch die Tochtergesellschaft hinsichtlich Gleichbehandlungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot
Das LAG Baden-Württemberg sah aber die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch aus §§ 80 und 75 BetrVG gegenüber der deutschen Tochtergesellschaft für gegeben an: Die (deutsche) Arbeitgeberin wurde verurteilt dem Betriebsrat Auskunft zu erteilen, welchen Mitarbeitern durch die US-Konzernobergesellschaft in welchem Umfang in einem bestimmten Zeitraum Aktienoptionen etc. gewährt wurden. Nur wenn diese Auskunft erteilt würde, könnte der Betriebsrat seiner allgemeinen Pflicht nachkommen, darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere Diskriminierungen unterblieben und der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt würde.
Das BAG folgt dem nicht und hob den Beschluss des LAG auf. Die Auskunft müsste nicht erteilt werden. So habe der Betriebsrat im konkreten Fall schon nicht dargelegt, welche konkrete Aufgabe betroffen sei, zu deren Wahrnehmung die Information erforderlich ist. Außerdem, so das BAG, richte sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz an den Arbeitgeber. Die begehrte Auskunft bezieht sich aber auf die Gewährung von Aktienoptionen etc. sowie deren Umfang durch die Konzernobergesellschaft. Damit fehle es bereits an einem Verhalten der Arbeitgeberin, das anhand der Maßstäbe des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überprüfen wäre und für welches die verlangte Auskunft erforderlich ist. Es gäbe indes keine weitergehende, umfassende Überwachungspflicht der Arbeitgeberin aus § 75 Abs. 1 BetrVG, die Maßnahmen der Konzernobergesellschaft bei der Zuteilung im Rahmen der von ihr mit den Arbeitnehmern geschlossenen Verträge erfasst. Insbesondere verneint das Bundesarbeitsgericht eine generelle „Drittbezogenheit von Überwachungspflichten“. Zwar gebiete § 12 Abs. 4 AGG, dass der Arbeitgeber bei einer Benachteiligung seiner Arbeitnehmer durch Dritte geeignete Schutzmaßnahmen ergreift. Die diskriminierende Handlung müsse aber „bei der Ausübung einer Tätigkeit“ für den Arbeitgeber erfolgen. Das sei aber nicht der Fall, wenn die Konzern-Obergesellschaft Aktien-Optionen gewährt.
Der Fall und die Entscheidung zeigen exemplarisch, dass, wenn das Eingreifen von Mitbestimmungsrechten vermieden werden soll, das Mitwirken der deutschen Tochterunternehmen bei der Zuweisung und Verteilung von Aktienoptionen etc. unbedingt vermieden werden muss. Über ein bloßes Empfehlungsrecht hinausgehende Beteiligungen müssen dann unterbleiben; insbesondere darf sich die deutsche Gesellschaft dann auch nicht dazu „hinreißen“ lassen, das Aktienoptionspaket im Arbeitsvertrag mit aufzunehmen. In US-Konzern oftmals übliche Offer Letter sollten dann, wenn sie von der deutschen Gesellschaft unterschrieben werden, ebenso wenig entsprechende Hinweise enthalten. Eine völlig andere Frage ist, ob nicht (quasi „überobligatorisch-freiwillig“) Auskünfte bezüglich der Ausgestaltung eines Optionsprogramms nicht eventuell doch erteilt werden. Der Arbeitgeberin anzuraten ist aber in jedem Fall darauf hinzuweisen, dass man nicht selbst die entsprechenden Entscheidungen getroffen hat, die Informationen daher sich ebenfalls nur hat geben lassen.