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Abfindung Aufhebungsvertrag

Versteuerung von Abfindungszahlungen – „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“

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Einkommenssteuer

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages endet, erhalten oftmals eine relativ hohe Abfindung. Auf diese Abfindung müssen – sowohl aus Arbeitgeber- als auch aus Arbeitnehmersicht erfreulich – grundsätzlich keine Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden. Die Freude hierüber währt jedoch nur kurz. So unterliegen Abfindungen seit 2006 vollumfänglich, d.h. vom ersten Euro an, der Steuerpflicht (Lohnsteuer). Schuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer. Von einer ggf. nach langen und harten Verhandlungen erkämpften Abfindung bleibt mitunter für den Arbeitnehmer „netto“ nur wenig übrig. In der Praxis stellt sich daher immer wieder die Frage nach einer steuerlichen „Optimierung“ der Abfindungszahlung.

Trostpflaster „Fünftel-Regelung“

Abfindungen werden in der Regel nicht in Raten über mehrere Jahre sondern in einem Betrag an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Auszahlungszeitpunkt ist vornehmlich der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da Abfindungen grundsätzlich der Lohnsteuer unterliegen führt dies im Veranlagungsjahr häufig zu einer außergewöhnlichen Zusammenballung von zu versteuernden Einkünften („reguläres“ Jahreseinkommen + Abfindung) und aufgrund der geltenden Steuerprogression zu einem höheren Steuersatz. Um diesen – vom Gesetzgeber als ungerecht empfundenen – Effekt zu mildern, enthält § 34 EStG die sog. Fünftel-Regelung. Diese sieht eine steuerliche Besserstellung für Arbeitnehmern vor, die eine Abfindung „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ im Sinne von § 24 EStG erhalten.

Wie berechnet sich die Lohnsteuer bei Anwendung der Fünftel-Regelung?

Die Höhe der Lohnsteuer wird bei Anwendung der Fünftel-Regelung in folgenden Schritten ermittelt:

  • Schritt 1: Zunächst ist die Summe aus regulärem Jahreseinkommen (= Jahreseinkommen ohne Abfindung) und 1/5 des Abfindungsbetrags zu bilden. Für diesen Betrag ist sodann die Lohnsteuer zu ermitteln.
  • Schritt 2: Im zweiten Schritt wird die Lohnsteuer berechnet, die im Veranlagungsjahr ohne die Abfindung zu zahlen gewesen wäre, d.h. bei der Berechnung der Lohnsteuer wird nur das reguläre Jahreseinkommen berücksichtigt.
  • Schritt 3: Aus den im ersten und zweiten Schritt berechneten Lohnsteuerbeträgen wird sodann der Differenzbetrag ermittelt.
  • Schritt 4: Der Differenzbetrag ist anschließend mit fünf zu multiplizieren. Das Ergebnis dieser Multiplikation ist der auf die Abfindung zu zahlende Lohnsteuerbetrag.
  • Schritt 5: Die insgesamt im Veranlagungsjahr geschuldete Lohnsteuer (für reguläres Jahreseinkommen zzgl. Abfindung) ergibt sich aus der Summe der in den Schritten 2 und 4 ermittelten Lohnsteuerbeträgen.

Berechnungsbeispiel (Berechnung nach Abfindungsrechner BMF)

Zur Verdeutlichung nachstehendes Berechnungsbeispiel, aus Vereinfachungsgründen ohne Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Werbungskosten:

A ist Single, 58 Jahre, kinderlos. Sein reguläres Jahreseinkommen beläuft sich auf 50.000 € brutto. Sein Arbeitsverhältnis endet gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 20.000 € brutto zum 31.12.2018. Die Abfindung wird zum 31.12.2018 an A ausgezahlt.

 Schritt 1

reguläres Jahreseinkommen 50.000 €
1/5  des Abfindungsbetrages 4.000 €
Summe 54.000 €
Lohnsteuerbetrag 10.478 €

 

Schritt 2

reguläres Jahreseinkommen 50.000 €
Lohnsteuerbetrag 9.198 €

 

Schritt 3

Lohnsteuerbetrag Schritt 1 10.478 €
Lohnsteuerbetrag Schritt 2 9.198 €
Differenzbetrag 1.280 €

 

Schritt 4

Für die Abfindung zu zahlende Lohnsteuer (1.280 € x 5) 6.400 €

 

Schritt 5

Lohnsteuerbetrag Schritt 2 9.198 €
Lohnsteuerbetrag Schritt 4 6.400 €
Summe

(Insg. im Veranlagungsjahr zu zahlende Lohnsteuer)

15.598 €

 

Ergebnis: Für das Veranlagungsjahr 2018 ist unter Berücksichtigung der Fünftel-Regelung insgesamt Lohnsteuer in Höhe von 15.598 € geschuldet. Ohne die Fünftel-Regelung wäre Lohnsteuer in Höhe von 16.528 € angefallen. Der Lohnsteuervorteil beläuft sich mithin auf 930 €.

Keine oder nur geringfügige Vorteile bei hohen Einkünften und Abfindungen

Ob und im welchen Umfang die Steuerlast des Arbeitnehmers durch die Anwendung der Fünftel-Regelung reduziert werden kann, ist vom jeweiligen Einkommen und der Höhe der Abfindung abhängig. Je niedriger das Einkommen ist, desto günstiger wirkt sich die Fünftel-Regelung für den Arbeitnehmer aus. Mit steigendem Einkommen nimmt der Steuerspar-Effekt der Fünftel-Regelung ab. Bei sehr hohen Einkünften und Abfindungen führt die Fünftel-Regelung oftmals zu keinen oder nur sehr geringen Steuervorteilen.

Verschiebung der Abfindungszahlung oder Zahlung in mehreren Raten

Aus steuerlicher Sicht kann es für den Arbeitnehmer sinnvoll sein, mit dem Arbeitgeber eine Verschiebung der Abfindungszahlung in das nächste Kalenderjahr zu vereinbaren oder sich die Abfindung in mehreren Raten getreckt über mehrere Jahre auszahlen zu lassen. Denn für die Höhe der zu zahlenden Steuern werden nur die Abfindungszahlungen berücksichtigt, die dem Arbeitnehmer im Veranlagungsjahr zugeflossen sind (§ 11 Abs.1 Satz 1 EStG). Wenn der Zufluss also auf mehrere Kalenderjahre verteilt wird, wird ein extrem hohes Einkommen in einem Kalenderjahr und dementsprechend hohe Lohnsteuern vermieden. Dieser „Steuertrick“ macht insbesondere dann Sinn, wenn der Arbeitnehmer davon ausgeht, im nächsten Kalenderjahr geringere zu versteuernde Einkünfte zu erzielen.

Die Verschiebung und Stückelung der Abfindung in mehrere Beträge hat der Bundesfinanzhof grundsätzlich für zulässig erachtet. Um die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Zahlung als Abfindung nicht zu gefährden, sollte von dieser Möglichkeit jedoch nicht zu großzügig Gebrauch gemacht werden. Zu beachten ist ferner, dass bei einer Stückelung der Abfindung über mehrere Jahre die Fünftel-Regelung nicht mehr zur Anwendung kommen dürfte. Schließlich darf auch das zivilrechtliche Risiko des Forderungsausfalls nicht außer Acht gelassen werden. Die Vor- und Nachteile einer Verschiebung und/oder Stückelung der Abfindung müssen daher sorgsam abgewogen werden.

Zusammenfassung/ Fazit

Abfindungen, die als Entschädigungen für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, sind sozialversicherungsfrei. Sie unterliegen jedoch vollumfänglich der Lohnsteuer. Durch die Anwendung der sog. Fünftel-Regelung können Lohnsteuervorteile erzielt werden, wobei diese Vorteile bei hohen Abfindungen tendenziell abnehmen. Unter bestimmten Umständen können Steuervorteile über eine Verschiebung und/oder Stückelung der Abfindungszahlung erzielt werden. Die Vor- und Nachteile einer solchen Handhabung sowie die vertragliche Ausgestaltung sind vor Abschluss des Aufhebungsvertrages eingehend zu prüfen; fachkundiger Rat sollte frühzeitig eingeholt werden.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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