Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen müssen Arbeitgeber besondere Sorgfalt walten lassen. Wie sich im Bereich befristeter Arbeitsverträge bei der Vergabe von Drittmitteln im Zusammenhang mit Forschungsprojekten die Rechtslage gestaltet, hatte nun das BAG in einer Entscheidung aus dem Mai 2018 zu klären (BAG, Urteil vom 23.05.2018 – 7 AZR 875/16).
Der Fall
Der Sachverhalt bildet eine in der deutschen Wissenschaftslandschaft typische Situation ab: Der Kläger, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, arbeitete über mehr als 15 Jahre hinweg auf Grundlage von insgesamt 15 befristeten Arbeitsverträgen für die Beklage im Bereich der Forschung. Zuletzt wurde er im Rahmen einer Forschungsstudie an einer Klinik für Kinderonkologie eingesetzt. Im Unterschied zu der Finanzierung der vorherigen Beschäftigung wurde die letzte Stelle nicht aus Haushaltsmitteln der Forschungseinrichtung finanziert, sondern aus Drittmitteln infolge einer Erbschaft, über die der Chefarzt der Klinik in eigener Verantwortung verfügen konnte. Zwischen den Parteien war streitig, ob die Beschäftigung im Rahmen der befristeten Forschungsstudie den an die Befristungskontrolle zu stellenden Anforderungen genügt. Sowohl das Arbeitsgericht Düsseldorf als auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gaben der Klage des Arbeitnehmers statt. Hiergegen wendete sich die Revision des Beklagten.
Erbschaft ist kein Sachgrund für eine Befristung
Die Revision des Beklagten blieb erfolglos. Das BAG folgt hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs für Befristungskontrollen seiner ständigen Rechtsprechung, nach der bei mehreren aufeinanderfolgenden Arbeitsverträgen grundsätzlich nur der letzte Arbeitsvertrag der Kontrolle zu unterziehen ist (vgl. zuletzt etwa BAG, Urteil vom 26.02.2016 – 7 AZR 182/14, Rn. 14). Im konkreten Fall sah es die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 WissZeitVG (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) erfolgte Befristung als nicht gerechtfertigt an, da die Beschäftigung nicht von der Zweckbestimmung der durch die Erbschaft zur Verfügung stehenden Drittmittel gedeckt war. Hierfür wäre unter anderem erforderlich gewesen, dass die Drittmittel hinreichend zweckgebunden verwendet worden wären. Dies wiederum erforderte, dass die Zwecksetzung fremdbestimmt erfolgte, um so den konstitutiven Bezug zwischen der Drittmittelfinanzierung und einer bestimmten und begrenzten Aufgabenerledigung herzustellen. Im vorliegenden Fall wurden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, da die Zweckbestimmung über die Verwendung der Drittmittel nicht durch den Erblasser als Drittmittelgeber erfolgte. Vielmehr hat die Klinik selbst zeitlich und inhaltlich frei über die Verwendung der Mittel verfügt. Der Arbeitgeber hatte sich keiner Fremdbestimmung unterworfen, sondern die Mittel nach eigenem Belieben verwandt. Die hierauf gestützte Befristung des Arbeitsvertrages stufte das BAG als unzulässige Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf den Arbeitnehmer ein.
Bewertung: Befristung als Bindeglied von Fremdbestimmung und Unternehmerrisiko
Wenngleich die Entscheidung im Wissenschaftsbereich anzusiedeln ist, entfaltet sie auch darüber hinaus allgemeine Bedeutung. Denn indem das BAG Arbeitgebern die Möglichkeit versagt, nach eigenem Belieben Befristungsgründe zu schaffen, ist gleichzeitig die Rolle der Befristungskontrolle verdeutlicht: Sie ermöglicht es Arbeitgebern, unter Rückgriff auf einen sachlichen Grund das Unternehmerrisiko auf den Arbeitnehmer zu verlagern. Die Rechtsprechung billigt dies aber nur, wenn sich Arbeitgeber dabei einem fremden Willen (im Fall: dem Willen des Projektförderers) unterwerfen. Im Ergebnis sorgt die Befristung mit dem – genau wie im Kündigungsrecht bestehenden – Erfordernis eines nicht in das Belieben des Arbeitgebers gestellten Sachgrundes dafür, dass das Arbeitsverhältnis nicht grundlos beendet werden kann.
Ergänzende Hinweise für die Praxis
Das BAG hat den bei der Sachgrundbefristung Anwendung im Rahmen der einer Rechtsmissbrauchskontrolle zu berücksichtigenden Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB mittlerweile vor gut zwei Jahren näher durch die Entwicklung einer „Rechtsmissbrauchsampel“ konkretisiert (BAG; Urt. v. 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15, wir berichteten), sich aber vorliegend nicht weiter dazu geäußert. Nach diesem Maßstab wäre der vorliegende Fall als indizierte rechtsmissbräuchliche Sachgrundbefristung zu werten („rotes Licht“), der sich der Arbeitgeber nur dann erfolgreich entgegenstellen kann, wenn die Befristungen auf besondere Umstände beruhen. Auch angesichts dieses hohen Risikos sind Arbeitgeber insgesamt gut beraten, sich genau zu vergewissern, ob die im Raum stehende Befristung tatsächlich von einem sachlich gerechtfertigten Grund getragen wird oder vielmehr unzulässiger Weise beliebig selbst gesetzt wurde.