Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen ist ein Dauerbrenner und wird es auch bleiben, sollten die im Koalitionsvertrag (dort S. 52) vereinbarten Vorhaben der Regierung zur Reform des Befristungsrechts umgesetzt werden. Auch wenn die sachgrundlose Befristung im Koalitionsvertrag dem Anschein nach dem „Tode“ geweiht ist, ganz „sterben“ wird sie sicher nicht. Dieser Beitrag soll daher kurz und prägnant die sieben goldenen Regeln in Erinnerung rufen, die nach derzeitigem Recht beim Umgang mit sachgrundlosen Befristungen zu beachten sind:
Regel Nr. 1: Befristungsabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgen
Dies bestimmt § 14 Abs. 4 TzBfG. Doch immer wieder kommt es vor, dass in der Praxis die Schriftform verkannt wird. Schriftform heißt für die HR-Praxis, dass die Befristungsabrede bzw. der Arbeitsvertrag von beiden Parteien eigenhändig im Original zu unterschreiben ist (vgl. § 125 BGB); also keine PDFs oder gescannte Unterschriften. Zu den Herausforderungen und Lösungen bei Digitalen Personalakten siehe die Checkliste des Verfassers vom 27. Juni 2018.
Regel Nr. 2: Befristete Verträge müssen vor Arbeitsaufnahme abgeschlossen werden
Erfolgt dies nicht, kommt durch Aufnahme der Tätigkeit zunächst ein unbefristeter Arbeitsvertrag zustande, da keine schriftliche und damit wirksame Befristungsabrede vorliegt (siehe Regel Nr. 1). Die nachfolgende Befristungsabrede wiederum ist nicht wirksam, da sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Arbeitnehmer bereits zuvor tätig war. Hierin liegt ein Verstoß gegen das sog. Vorbeschäftigungsverbot (dazu gleich mehr bei Regel Nr. 3).
Regel Nr. 3: Sachgrundlose Befristungen sind unwirksam, wenn mit dem Arbeitnehmer „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis bestand
„Bereits zuvor“ bedeutet, dass es zu keinem Zeitpunkt zuvor ein Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien gegeben haben darf. Die im Jahr 2011 eingeschlagene Rechtsprechung des BAG, die eine dreijährige Karenz zwischen vorherigem Arbeitsverhältnis und Wiedereintritt ausreichen ließ, hat das Bundesverfassungsgericht erst jüngst wieder „einkassiert“ (wie berichteten: vgl. den Beitrag von Dr. Oliver Vollstädt vom 14. Juni 2018). Das Vorbeschäftigungsverbot ist daher zwingend zu beachten. Ausnahmen, in denen eine Vorbeschäftigung unschädlich ist, sind selten, aber denkbar: wie z.B. bei einem vorherigen Berufsausbildungsverhältnis, da dieses nach der Rechtsprechung des BAG nicht als Arbeitsverhältnis gilt.
Regel Nr. 4: Die Dauer der Befristung darf insgesamt nicht mehr als zwei Jahre überschreiten
Dies bestimmt § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG. Längere Laufzeiten sind in der Regel unzulässig, es sei denn, dies ergibt sich z.B. aus tarifvertraglichen Regelungen (über die „Öffnung“ nach § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG) oder den Sonderregelungen der § 14 Abs. 2a oder Abs. 3 TzBfG.
Regel Nr. 5: Innerhalb der maximal höchstzulässigen Befristungsdauer sind maximal drei Verlängerungen zulässig
Dies folgt ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S.1 TzBfG und wird in der Praxis oft übersehen. So kommt es immer wieder vor, dass zwar die Maximaldauer von derzeit zwei Jahren gewahrt ist, aber munter mehr als drei Verlängerungen erfolgen. Nach der Dritten ist stets Schluss, auch wenn das Arbeitsverhältnis z.B. erst 12 Monate bestand. Ausnahmen/Abweichungen: Tarifvertrag (über die „Öffnung“ nach § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG) oder § 14 Abs. 2a oder Abs. 3 TzBfG.
Regel Nr. 6: Jede Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages ist vor Ablauf der vorausgehenden Befristung zu vereinbaren
Wie schon oben bei Regel Nr. 1 gezeigt, ist eine Befristungsabrede nach Arbeitsaufnahme aufgrund des Verstoßes gegen das Vorbeschäftigungsverbot unwirksam. So verhält es sich auch bei der Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen. Dies wird in der Praxis ebenfalls oft übersehen. Daher: Wenn eine Verlängerung geplant ist, müssen beide Parteien die Verlängerungsvereinbarung vor Ablauf der vorausgehenden Befristung schriftlich vereinbaren.
Regel Nr. 7: Im Rahmen von „Verlängerungen“ dürfen keine Vertragsbedingungen abgeändert werden
Dies ist besonders tückisch. Denn die Rechtsprechung des BAG ist äußert streng, wenn es um den Begriff der „Verlängerung“ von Befristungsabreden geht. Zitat: „Unter einer Verlängerung ist das einvernehmliche Hinausschieben des Endtermins zu verstehen.“ Nicht mehr, und nicht weniger. Im Klartext bedeutet dies: Anlässlich der Verlängerung dürfen keine weiteren Absprachen getroffen werden, wie Anpassung Arbeitszeit, Gehalt oder sonstiger Vertragsbestimmungen. Aber Tipp: Die Änderung von Arbeitsbedingungen in einem laufenden befristeten Arbeitsverhältnis ohne Veränderung der Laufzeit des befristeten Vertrages unterliegt nicht der Befristungskontrolle. Es kommt daher auf ein versiertes HR-Management und das richtige Timing an.
Was gilt bei Verstößen?
In allen Fällen, in denen Arbeitgeber gegen die vorstehenden goldenen Regeln verstößt, droht das Damoklesschwert der Unwirksamkeit der Befristung. § 16 TzBfG normiert für diesen Fall, dass der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer erfolgreich Entfristungsklage nach § 17 TzBfG erheben kann. Abschließend bleibt abzuwarten, ob, wann und wie die aktuelle Regierung die Reform des Befristungsrechts (noch?) vorantreiben wird. Die goldenen Regeln werden sicher nicht verschwinden, ein Update ist ihnen aber sicher gewiss.