open search
close
Elternzeit

Die Dauer der Elternzeit – für Arbeitgeber völlig unplanbar?

Print Friendly, PDF & Email
Vorbereitung

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Thema „Work-Life-Balance“ sind seit Jahren ein Dauerbrenner im politischen Diskurs. Stetig werden immer neue Ideen in Gesetzesform gegossen und die neuen Möglichkeiten von zahlreichen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmern dankend in Anspruch genommen. Was für die Lebensplanung des Einzelnen ein Segen sein kann, ist für die Personaleinsatzplanung von Unternehmen oftmals eine erhebliche Herausforderung. Vor eine solche sehen sich Arbeitgeber oftmals gestellt, wenn Arbeitnehmer vorzeitig ihre Elternzeit beenden möchten. Ob bzw. wann Arbeitgeber diesem Begehren nachkommen müssen, soll dieser Beitrag beleuchten.

Die Regelungen zur Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sind nicht mehr neu. Mit den Grundzügen der Elternzeit haben wir uns bereits an anderer Stelle befasst (Beitrag vom 24.8.2017).

Grundsatz: vorzeitige Beendigung nur bei Zustimmung des Arbeitgebers

Arbeitnehmer sind in der Regel an ihr Elternzeitverlangen gebunden. Soll eine laufende Elternzeit dennoch vorzeitig beendet werden, so setzt dies grundsätzlich die Zustimmung des Arbeitgebers voraus, § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG. Dies dient dem Interesse des Arbeitgebers, der sich auf einen entsprechenden Elternzeit-Zeitraum eingestellt und entsprechend disponiert hat.

Allerdings kennt das Gesetz zugleich einige Ausnahmen in § 16 Abs. 3 S. 2 BEEG. Nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen können Arbeitgeber die vorzeitige Beendigung der Elternzeit etwa

  • wegen der Geburt eines weiteren Kindes
  • in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei Eintritt einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Tod eines Elternteils oder eines Kindes der berechtigten Person
  • bei erheblich gefährdeter wirtschaftlicher Existenz der Eltern nach Inanspruchnahme der Elternzeit.

Außerdem kann eine in Elternzeit befindliche Arbeitnehmerin die Elternzeit mit Beginn des Mutterschutzes beenden, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf oder dieser die Beendigung ablehnen könnte, § 16 Abs. 2 S. 3 BEEG. Hierfür genügt eine bloße Mitteilung der Arbeitnehmerin.

Was gilt bei Schwangerschaft in der Elternzeit?

Klarheit hat das BAG nun auch für Fälle der Schwangerschaft in der Elternzeit geschaffen. Ob die schwangere Arbeitnehmerin die laufende Elternzeit bereits vor Beginn des Mutterschutzes ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beenden kann, war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung (BAG vom 8. Mai 2018 – 9 AZR 8/18). Der neunte Senat hat das Urteil zugleich genutzt, nochmals die nicht ganz unkomplizierte Systematik der Elternzeitregelungen aufzuzeigen.

Worum ging es? Die Klägerin beanspruchte wegen der Geburt des ersten Kindes Elternzeit vom 11. Oktober 2015 bis zum 10. Oktober 2017. Ab dem 12.10.2016 wollte sie in Elternteilzeit mit 24 Wochenstunden tätig sein.

Am 5.10.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen erneuter Schwangerschaft. Dies lehnte die Beklagte ab. Die Klägerin bot daraufhin ihre Arbeitskraft für eine Vollzeitbeschäftigung an. Sie meinte, wegen der erwarteten Geburt des weiteren Kindes bereits in der Schwangerschaft ihre Elternzeit vorzeitig beenden zu können. Am 10.2.2017 zeigte die Klägerin der Beklagten die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 31.3.2017 an, da sie sich ab dem 1.4.2017 in Mutterschutz befinde.

Die Entscheidung des BAG

Das BAG hat den Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 12.10.2016 bis zum 31.3.2017 zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, die Arbeitsleistung im Umfang einer Vollzeitstelle anzunehmen. Die Klägerin konnte sich nicht auf § 16 Abs. 3 S. 2 BEEG berufen. Die vorzeitige Beendigung der Elternzeit nach dieser Vorschrift sei erst nach der Entbindung des weiteren Kindes möglich. Die Schwangerschaft der Klägerin habe hierzu nicht gereicht.

Begründet hat das BAG seine Entscheidung zum einen mit dem Wortlaut der Vorschrift. Die Präposition „wegen“ sei synonym mit dem Wort „infolge“, sodass die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zeitlich auf die Geburt folgen müsse.

Zum anderen argumentiert das BAG mit der Systematik des Gesetzes und dem Telos der Vorschrift. Es hält fest, dass der Elternzeitanspruch grundsätzlich für jedes Kind bestehe, auch wenn sich Elternzeit-Zeiträume überschneiden, § 15 Abs. 2 S. 4 BEEG. Überschneidungen der einzelnen Elternzeiten führten aber nicht zu einer Verlängerung der Gesamtelternzeit. Durch die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes solle daher erreicht werden, die Überscheidung von Elternzeit-Zeiträumen für verschiedene Kinder zu vermeiden und Eltern die Möglichkeit zu geben, die Elternzeit für jedes Kind voll auszuschöpfen. Die infolge der vorzeitigen Beendigung nicht verbrauchte Restelternzeit verfalle nicht und könne – bis zu 24 Monate – zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr genommen werden und damit an die Elternzeit für das weitere Kind angehangen werden. Nach Auffassung des BAG wollte der Gesetzgeber durch die Schaffung von Übertragungsmöglichkeiten sicherstellen, dass sich die Gesamtelternzeit bei kurzen Geburtenfolgen aufgrund der Überschneidungen nicht verkürze. Aufgrund dessen, dass Überschneidungen erst nach der Geburt des weiteren Kindes möglich seien, schlussfolgert das BAG überzeugend, die Schwangerschaft allein berechtige noch nicht zur vorzeitigen Beendigung der Elternzeit.

Die Elternzeit der Klägerin endete damit erst mit Ablauf des 31.3.2017 vorzeitig. Denn zur Inanspruchnahme der Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes konnte die Arbeitnehmerin die Elternzeit dann nach § 16 Abs. 3 S. 3 BEEG beenden.

Praxisfolgen

Für die Beratungspraxis ist vor allem interessant, dass sich das BAG anhand der seit 2015 geltenden Rechtslage nochmals ausführlich mit der Systematik der Inanspruchnahme- und Beendigung von Elternzeit bei Überschneidungsfällen befasst. Erfreulich ist, dass das BAG den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschriften nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausdehnt. Ebenso steht aufgrund der Entscheidung fest, dass sich der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 BEEG vor allem auf Väter, die wegen der Geburt eines weiteren Kindes ihre Elternzeit vorzeitig beenden können, beschränkt. Mütter haben dieses Recht zur Inanspruchnahme des Mutterschutzes ohnehin.

Thorsten Lammers

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Thorsten Lammers berät vor allem zu Kündigungsschutzverfahren, in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen. Er ist Mitglied der Fokusgruppen "Betriebliche Altersversorgung" und "Aufsichtsratsberatung".
Verwandte Beiträge
Arbeitsrecht 4.0 Individualarbeitsrecht Internationales Arbeitsrecht Neueste Beiträge

Umsetzung der „Work-Life-Balance-Richtlinie“ – was kommt auf Unternehmen zu?

Bis zum 2. August 2022 muss der Gesetzgeber die sog. „Work-Life-Balance-Richtlinie“ umsetzen. Mit Spannung wurde erwartet, ob auch in Deutschland der „Vaterschaftsurlaub“ möglich wird. Schnell wird aber klar: Der „große Wurf“ bleibt vorerst aus. Welche Änderungen dennoch bereits ab dem 2. August auf Unternehmen zukommen, soll der folgende Beitrag zeigen. Im Jahr 2021 haben rund 1,9 Millionen Frauen und Männer Elterngeld erhalten. Der Männeranteil beim…
Neueste Beiträge Top-Management Video

#stayonboard: Wie aus der Initiative ein Gesetz wurde (Video)

Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften hatten bis vor Kurzem keine Möglichkeit, ihr Mandat bei Mutterschutz, Elternzeit oder Krankheit vorübergehend ruhen zu lassen. Sie mussten es ganz niederlegen, wenn sie Haftungsrisiken vermeiden wollten. Das ist heute anders – durch die Gesetzesinitiative #stayonboard. Unsere Partnerin Dr. Jessica Jacobi ist eine der Initiatorinnen von #stayonboard und erklärt im Video, wie am 12. August 2021 aus einer Idee ein Gesetz wurde. 
Neueste Beiträge Top-Management

#stayonboard wird Gesetz: Anspruch auf Familienzeit für AG-Vorstandsmitglieder

Die bisherige Rechtslage: Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften haben keine Möglichkeit, ihr Mandat bei temporärer Abwesenheit – etwa für die Familienplanung – ruhen zu lassen. Sie müssen ihr Mandat ganz niederlegen, um in der Abwesenheit nicht zu haften. Das soll ein neues Gesetz nun ändern. Unsere Partnerin Dr. Jessica Jacobi ist eine der Initiatorinnen von #stayonboard, in diesem Beitrag erklärt sie die Hintergründe. Am Freitag, den 11….
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert