Das Arbeitsgericht Berlin geht in einer aktuellen Entscheidung (v. 19.07.2018 – 41 Ca 15666/17) als erstes deutsches Gericht davon aus, dass auch die Übernahme einzelner Flugzeuge einen Teilbetriebsübergang darstellen könne. Das Gericht gab daher der Kündigungsschutzklage eines Piloten statt, der im Zuge der Stilllegung des Flugbetriebs der Air Berlin gekündigt worden war. Das Gericht stellt sich damit gegen die bislang ganz herrschende Auffassung, die annimmt, die bloße Übernahme von Flugzeugen ggf. mit Start- und Landerechten stelle keinen Betriebsübergang dar.
Ausschluss von Betriebsübergang und Betriebsstillegung
Die Kammer hatte sich hier im Rahmen einer Kündigungsschutzklage mit der Frage nach einem Teilbetriebsübergang auseinanderzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließen sich ein Betriebsübergang und die Stilllegung eines Betriebs gegenseitig aus. Falls deshalb ein Teil eines Betriebes von einem Erwerber übernommen wird, liegt nur noch eine Teilbetriebsstillegung vor. Der kündigende Arbeitgeber hätte dann regelmäßig eine Sozialauswahl unter den vergleichbaren Arbeitnehmern durchzuführen, die ggf. auf den Erwerber übergehen könnten. Da der Arbeitgeber im Rahmen einer Kündigungsschutzklage die Beweislast für die soziale Rechtfertigung der Kündigung trägt, muss er darlegen und beweisen, dass kein (Teil-)Betriebsübergang erfolgt ist, falls der Arbeitnehmer dies einwendet.
Der klagende Pilot war gekündigt worden, nachdem die Air Berlin ihren Flugbetrieb eingestellt hatte. Er behauptete vor dem geschilderten Hintergrund, Air Berlin habe ihren Flugbetrieb nicht vollständig eingestellt. Jedenfalls ein kleiner Teil sei von der Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) fortgeführt worden, weshalb eine Sozialauswahl unter den mit ihm vergleichbaren Piloten durchzuführen gewesen wäre, die unstreitig nicht erfolgt war.
Die LGW hatte einen sog. Wetlease Vertrag mit Eurowings geschlossen und sich darin verpflichtet, bis zu 13 Maschinen vom Typ A320 inklusive Personal zur Verfügung zu stellen. Einige Maschinen und teilweise die Start- und Landerechte hatte LGW von Air Berlin übernommen. Die LGW verfügte jedoch über einen eigenen Flugbetrieb und die dazu notwendige hoheitliche Erlaubnis. Wie viel Personal der Air Berlin sie eingestellt hatte, blieb streitig. Vor Abschluss des Wetlease Vertrags zwischen LGW und Eurowings bestand ein Wetlease Vertrag zwischen Air Berlin und der Eurowings über bis zu 38 Maschinen, der im Vorfeld der Einstellung des Flugbetriebs einvernehmlich beendet worden war. Die LGW sollte im weiteren Verlauf von einer Konzerngesellschaft der Lufthansa übernommen werden.
Übernahme von Flugzeugen als Teilbetriebsübergang?
Bislang war allgemein anerkannt, dass die Übernahme einzelner Flugzeuge und ggf. von Start- und Landerechten keinen Teilbetriebsübergang auslösen kann. Sowohl Flugzeuge als auch Start- und Landerechte seien vielmehr bloße Betriebsmittel einer Fluggesellschaft, die regelmäßig innerhalb des Gesamtflugbetriebs keine organisatorisch abgrenzbaren Teilbetriebe darstellten.
Überraschenderweise kommt die 41. Kammer des ArbG Berlin hier zu einem gegenteiligen Schluss. Ihrer Ansicht nach bilde jedes Flugzeug die kleinste übergangsfähige Einheit eines Flugbetriebs. Jedes Flugzeug sei dazu ausreichend verselbständigt und verfüge über eine „Flugzeug-Organisation“. Da die Flugzeuge den Kern der Wertschöpfung einer Fluggesellschaft bildeten, sei ohne Belang, dass den Maschinen kein festes Personal zugeordnet sei, sondern diese mit unterschiedlichen Crews betrieben werden. Gleichermaßen spiele keine Rolle, dass die Maschinen im Rahmen einer übergeordneten Planung innerhalb des Gesamtflugplans der Airline betrieben würden. Die Übernahme einige der Flugzeuge durch die LGW reiche daher aus, um insoweit einen Teilbetriebsübergang auszulösen.
Mangels Sozialauswahl unter den vergleichbaren Piloten gab die Kammer der Kündigungsschutzklage daher statt.
Bislang keine Klärung durch BAG und EuGH
Die Kammer lässt in Ihrer Entscheidung einige Besonderheiten des Flugbetriebs außen vor, weshalb diese insgesamt nicht überzeugt. Gegen die Einordnung von einzelnen Flugzeugen als übergangsfähige Betriebsteile spricht vor allem, dass Verkehrsflugzeuge nur mit einer behördlichen Genehmigung betrieben werden dürfen, für die eine zentrale Organisation des Flugverkehrs notwendig ist. Hinzu kommt, dass die Wertschöpfung durch den Betrieb der Flugzeuge innerhalb der Gesamtorganisation Flugbetrieb erfolgt und dass den Maschinen dabei weder feste Besatzungen noch feste Routen zugeordnet sind. Zu Recht geht die herrschende Meinung daher bislang davon aus, die Flugzeuge seien bloße Betriebsmittel, die für sich allein keinen übergangsfähigen Betriebsteil bildeten.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die Entscheidung in der Berufungsinstanz daher keinen Bestand haben. Da bislang weder das Bundesarbeitsgericht noch der Europäische Gerichtshof Gelegenheit hatten, einen solchen Fall zu entscheiden, spricht jedoch einiges dafür, dass die Revision zugelassen werden wird, so dass ggf. eine höchstrichterliche Klärung erfolgen kann.
Abschließend sei noch bemerkt, dass mit einem Erfolg der Kündigungsschutzklage im hier besprochenen Verfahren nichts dazu gesagt ist, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers tatsächlich auf die LGW und damit ggf. später auf die Eurowings übergegangen ist. Vielmehr müsste insoweit der Kläger beweisen, dass tatsächlich ein Teilbetriebsübergang stattgefunden hatte und dass sein Arbeitsverhältnis davon erfasst wurde.