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Epic fails bei Restrukturierungen / #5: Verhandlungen mit dem falschen Betriebsrat

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Epic fail

In unserer Blogserie „Epic fails“ haben wir bereits über einige Fallstricke bei Restrukturierungen berichtet, wie beim Abschluss eines Rahmeninteressenausgleichs oder zuletzt beim fehlenden Background-Check vor der Einigungsstelle. Heute geht es um die Risiken bei Verhandlungen mit dem falschen Betriebsrat.

Die Situation: Mit dem örtlichen Betriebsrat haben wir schon immer verhandelt

Die Interessenausgleichsverhandlungen mit dem örtlichen Betriebsrat liefen zunächst gut an, doch dann: Es hakt. Eigentlich Zeit, das Verfahren nun in die Einigungsstelle zu überführen, um nicht weitere Zeit zu verlieren. Dann passiert es jedoch: Der örtliche Betriebsrat macht geltend, für den Interessenausgleich gar nicht zuständig zu sein. Stattdessen fordert der Gesamtbetriebsrat zu einem Neubeginn der Interessenausgleichsverhandlungen auf und kostet den Arbeitgeber so wertvolle weitere Zeit.

Falscher Ansatz: Zuständigkeit nicht im Vorfeld geprüft

Das BetrVG legt klar fest, für welche Fälle die örtlichen Betriebsräte nicht mehr zuständig sind, sondern Gesamt- und Konzernbetriebsräte das originäre Mandat haben.

So ist der Gesamtbetriebsrat für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können, zuständig (§ 50 Abs. 1 BetrVG), wohingegen sich die Zuständigkeit sogar auf die Ebene des Konzernbetriebsrats „hoch“ verlagert, wenn es um Angelegenheiten geht, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können (§ 58 Abs. 1 BetrVG).

Soweit, so klar. Der Teufel liegt jedoch – wie so oft – im Detail. Denn es gibt im Rahmen einer Restrukturierung häufig nicht „den einen“ Verhandlungspartner, der für alles zuständig ist. Es stehen vielmehr mehrere Mitbestimmungsrechte im Raum, für die es unterschiedliche Ansprechpartner geben kann.

Dies betrifft die Fragen:

  • Mit welchem Betriebsrat ist der Interessenausgleich zu verhandeln?
  • Ist dieser Betriebsrat auch der richtige Ansprechpartner für den Sozialplan?
  • Wer wiederum ist in Bezug auf das Konsultationsverfahren zur Massenentlassung nach § 17 Abs. 2 KSchG zuständig?
  • Und schließlich: Welcher Betriebsrat ist im Rahmen der einzelnen Kündigungen nach § 102 BetrVG anzuhören?

Ganz generell ist zu antworten: Für die Anhörungen nach § 102 BetrVG ist grundsätzlich der örtliche Betriebsrat zuständig. Gleichwohl verlagert sich in der Praxis die Zuständigkeit für die Verhandlungen über den Interessenausgleich (und gleichlaufend damit für das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG) häufig auf die Ebene des Gesamt- bzw. sogar Konzernbetriebsrats. Eine Verlagerung auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats kommt z.B. in Betracht, wenn Arbeitsplätze innerhalb eines Unternehmens von einem Betrieb zu einem anderen verlagert werden. Nicht zwingend folgt hieraus jedoch, dass der Gesamtbetriebsrat auch gleichzeitig für den Sozialplan zuständig ist. Vielmehr nimmt das BAG in ständiger Rechtsprechung an, dass die Zuständigkeitsfragen für Interessenausgleich und das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG einerseits und den Sozialplan anderseits gesondert zu bewerten sind. Es kann daher zu einem Auseinanderfallen der Zuständigkeiten kommen – was in der Praxis auch häufig der Fall ist. Besonders diffizil gestaltet sich die Bewertung der Zuständigkeitsfragen bei größeren Restrukturierungen sowie bei matrixorganisierten Konzernen.

Richtiger Ansatz: Gründlicher Zuständigkeits-Check vor Beginn der Beratungen

Daher kann es nur einen richtigen Ansatz geben: Ein gründlicher Zuständigkeits-Check ist stets unabdingbar, bevor die Beratungen zur Restrukturierung begonnen werden.

Kommt es hier zu einem „Epic fail“, so kann die Auswahl des falschen Verhandlungspartners nicht nur – wie einleitend gezeigt – kostbare Zeit und damit wertvolles Restrukturierungs-Budget kosten. Nein, es droht weitaus mehr Unbehagen: Denn so führt die Beteiligung des falschen Betriebsrats im Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG – was in der Praxis oft unterschätzt wird – zu dessen Fehlerhaftigkeit und kann damit auch die Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen und Aufhebungsverträge zur Folge haben. Durch die Auswahl des falschen Betriebsrats kann damit die rechtswirksame Umsetzung der Restrukturierung insgesamt auf der Kippe stehen.

… to be continued …

Henrik Lüthge

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Henrik Lüthge ist Partner im Hamburger Büro von KLIEMT.Arbeitsrecht. Er berät umfassend im Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Zu seinen Mandanten zählen in- und ausländische Unternehmen. Er berät insbesondere zu Veränderungsprozessen, wie beispielsweise bei Business-Transformationen oder der Implementierung von New-Work-Modellen, bei M&A-Aktivitäten, klassischen Restrukturierungen und Reorganisationen (jeweils auch in der Insolvenz). Daneben begleitet er Unternehmen im Tarif- und Betriebsverfassungsrecht (z.B. Abwehr von Arbeitskämpfen, Tarifwechsel, Haustarifverträge und betriebliche Vergütungsordnungen), bei der Fremdpersonal-Compliance (Arbeitnehmerüberlassung, Werkverträge und Statusprüfung vor der DRV Bund) und bei Compliance-Untersuchungen im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen. Zudem zählen hochrangige Führungskräfte zum Mandantenkreis von Herrn Lüthge, insbesondere Vorstände und Geschäftsführer aus dem Bankenbereich, aber auch aus zahlreichen nationalen und internationalen industriellen Unternehmen. Herr Lüthge wird von sämtlichen einschlägigen Branchendiensten als Berater im Arbeitsrecht empfohlen, u.a. von JUVE, Legal 500, dem Handelsblatt und der Wirtschaftswoche.
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