In der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis finden sich – nach wie vor – regelmäßig Klauseln wie die folgende:
„Zusätzlich zu seiner Fixvergütung gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein 13. Bruttomonatsgehalt. Die Gewährung des 13. Bruttomonatsgehalts erfolgt freiwillig und kann vom Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden.“
Wer sich mit vorstehender Klausel in Sicherheit wiegt, läuft Gefahr, ungewollt Ansprüche auf vermeintlich „freiwillige“ und „jederzeit widerrufbare“ Leistungen begründet zu haben, die dann gerade nicht mehr einseitig versagt werden können. Dieser Beitrag befasst sich mit dem Anwendungsbereich von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten. Er zielt darauf ab, das Grundverständnis für diese beiden Regelungsinstrumente zu schärfen und typische Fehler bei ihrer Ausgestaltung in der arbeitsvertraglichen Praxis zu vermeiden.
Begriff und Anwendungsbereich
Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte werden in der Praxis häufig in einem Atemzug genannt. Schließlich verfolgen beide Regelungsinstrumente praktisch gesehen denselben Zweck: Der Arbeitgeber soll die Möglichkeit haben, eine bereits gewährte Leistung einseitig abändern zu können. Juristisch betrachtet handelt es sich bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten jedoch um zwei strikt voneinander zu trennende Regelungsinstrumente, die eigenen Anforderungen unterliegen.
Freiwilligkeitsvorbehalte sind arbeitsvertragliche Formulierungen, die einer „schleichenden“ Anspruchsbegründung mittels betrieblicher Übung entgegenwirken sollen. Mit einem entsprechenden Freiwilligkeitsvorbehalt will der Arbeitgeber zum Ausdruck bringen, dass die Zahlung etwaiger Leistungen losgelöst von einer etwaigen Leistungspflicht erfolgt und zukünftig jederzeit einseitig von ihm wieder eingestellt werden kann.
Dagegen dienen Widerrufsvorbehalte dem Arbeitgeber als Gestaltungsmittel, um Leistungen, auf die der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch hat, in bestimmten Fällen (wieder) entfallen zu lassen.
Der Unterschied zwischen den beiden Regelungsinstrumenten ist also folgender: Während der Freiwilligkeitsvorbehalt dazu dient, bereits die Entstehung von Ansprüche für die Zukunft zu verhindern, eröffnet der Widerrufsvorbehalt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, einen bereits entstandenen Anspruch auf eine Leistung (nachträglich) wieder zu beseitigen.
Vermischung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten
Dieser grundlegende Unterschied zwischen den beiden Regelungsinstrumenten führt direkt zu dem ersten typischen Fehler bei der Ausgestaltung entsprechender Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte: Der Vermischung beider Regelungsinstrumente. Vertragsklauseln, die beide Regelungsinstrumente kombinieren, sind widersprüchlich und in daher unwirksam.
„Die Gewährung des 13. Bruttomonatsgehalts erfolgt freiwillig und kann vom Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden.“
Widersprüchlich ist vorstehende Klausel deshalb, weil einerseits durch den Zusatz „freiwillig“ zum Ausdruck gebracht wird, dass der Arbeitgeber die Leistung ohne etwaigen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers erbringt. Dagegen impliziert die Formulierung die Leistung „wiederrufen“ zu können, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Leistung hat.
Pauschalvorbehalte
Auch wer glaubt, sich mit nachfolgender „catch-all Klausel“ rechtssicher gegen die schleichende Begründung von Ansprüchen abzusichern, könnte „böse überrascht“ werden.
„Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass die Gewährung sonstiger, in diesem Arbeitsvertrag nicht geregelter, Leistungen freiwillig und ohne Anerkennung einer etwaigen Rechtspflicht erfolgt.“
Es genügt nämlich gerade nicht, den Freiwilligkeitsvorbehalt einmal pauschal im Arbeitsvertrag zu regeln. Notwendig ist vielmehr, den Vorbehalt bei der einzelnen Leistungsgewährung zu konkretisieren und neu zu erklären.
Leistungen mit Entgeltcharakter
Unwirksam sind schließlich auch Freiwilligkeitsvorbehalte, die Leistungen mit Entgeltcharakter umfassen; also Leistungen, die der Arbeitnehmer im Austausch für der Erbringung seiner Arbeitsleistung erhält. Dies vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber nur solche Leistungen „freiwillig“ gewähren kann, auf die Arbeitnehmer nicht ohnehin einen Anspruch hat.
„Abgesehen von dem Grundgehalt erhält der Arbeitnehmer eine freiwillige Leistungszulage in Höhe von EUR X.“
Widerrufsvorbehalte ohne sachlichen Grund und mit Eingriff in den Kernbereich
Auch an die Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten werden hohe Anforderungen gestellt. Unwirksame Klauseln weisen dabei regelmäßig folgende zwei Fehler auf:
„Die vom Arbeitgeber gewährten Leistungen sind vollumfänglich und jederzeit widerrufbar.“
Zu beachten ist zunächst, dass nur ein bestimmter Prozentsatz der Gesamtvergütung widerruflich gestellt werden darf. Auch wenn es hier keine starren Grenzwerte gibt, tendiert die Rechtsprechung zu Deckelungswerten zwischen 25 und 30 Prozent des Gesamtverdienstes.
Schließlich darf die Leistung auch nicht willkürlich widerrufen werden. Erforderlich ist also, dass der Widerruf an das Vorliegen konkreter sachlicher Gründe gekoppelt wird.
Vorstehender Überblick über die typischen Stolpersteine der arbeitsvertraglichen Ausgestaltung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten macht deutlich, dass die „Freiwilligkeit“ arbeitgeberseitig gewährter Leistungen hinreichend abgesichert werden sollte. Anderenfalls besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber unbewusst einklagbare Leistungen begründet, die regelmäßig nicht mehr einseitig abgeändert werden können.