Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft ist für alle Stakeholder ein sensibles Thema. Hohe Vergütungen oder Abfindungen besitzen vor allem dann hohes Empörungspotential, wenn die Entwicklung der Gesellschaft die gewährten Zahlungen nach der öffentlichen Wahrnehmung nicht rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund schauen auch institutionelle Anleger oder Stimmrechtsberater sehr genau auf die Vergütung der Unternehmensleitungen.
Durch die Reform der EU-Aktionärsrechterichtlinie, die bis zum 10.6.2019 in deutsches Recht umgesetzt werden muss, und durch die für April 2019 geplante Veröffentlichung einer neuen Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex („DCGK“) hat das Thema Vorstandsvergütung wieder hohe Aktualität erlangt. Dieser Beitrag liefert einen ersten kurzen Überblick über einige der geplanten Neuerungen.
Was ändert sich bei der Vorstandsvergütung bei börsennotierten Aktiengesellschaften durch das
ARUG II?
Die reformierte Aktionärsrechterichtlinie zielt u.a. auf eine verbesserte Mitwirkung der Aktionäre und eine erhöhte Transparenz bei Vergütungsregelungen für die Unternehmensleitung ab. Der deutsche Gesetzgeber beabsichtigt, die Vorgaben der Richtlinie durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) in das Aktiengesetz zu transformieren. Das Gesetz liegt seit dem 20.3.2019 im Kabinettsentwurf vor. Folgende wesentliche Änderungen sind geplant:
- Der neue § 87a AktG-E bestimmt, dass zukünftig der Aufsichtsrat einer börsennotierten AG ein „allgemein verständliches System“ zur Vergütung der Vorstandsmitglieder festlegen muss. Für diese Vergütungspolitik für den Vorstand enthält § 87a Abs. 1 AktG-E detaillierte Vorgaben bzw. Mindestangaben, die das Vergütungssystem näher beschreiben sollen, beispielsweise Angaben zu festen und variablen Vergütungsbestandteile und deren relativen Anteil an der Vergütung.
- Während § 120 Abs. 4 AktG derzeit ein freiwilliges Votum der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft über das Vergütungssystem für den Vorstand vorsieht, ist nach § 120a AktG-E zukünftig das vom Aufsichtsrat festgelegte Vergütungssystem zwingend durch die Aktionäre bei jeder wesentlichen Änderung, mindestens aber alle vier Jahre zu billigen („say on pay“). Der Beschluss der Hauptversammlung ist zwar für den Aufsichtsrat – er bleibt für die Festsetzung der Vorstandsvergütung zuständig – letztlich nicht bindend: Er dürfte das Vergütungssystem trotz negativen Votums der Hauptversammlung anwenden. In der Regel wird er aber gut beraten sein, bei einer Ablehnung der Vergütungspolitik durch die Hauptversammlung nachzubessern.
- Unabhängig vom Ausgang des Votums soll der Aufsichtsrat nur in näher beschriebenen Ausnahmefällen von einer der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegten Vergütungspolitik abweichen können, § 87a Abs. 2 S. 2 AktG-E.
- Die Hauptversammlung soll künftig jährlich über die Billigung des nach § 162 AktG-E zu erstellenden dezidierten Vergütungsberichts von Vorstand und Aufsichtsrat beschließen. In diesem sind unter Namensnennung die gewährte und geschuldete Vergütung an Vorstandsmitglieder in gesetzlich näher bezeichneter Weise aufzuführen. Im Wesentlichen entspricht diese Regelung den bisherigen Empfehlungen unter Ziffer 4.2.4. und 4.2.5. des DCGK.
Welche Änderungen des DCGK sind geplant?
Die Regelungen des DCGK haben für börsennotierte Aktiengesellschaften hohe Bedeutung. Sie sollen Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung darstellen. Wird von den Empfehlungen des DCGK abgewichen, ist die jeweilige Gesellschaft nach § 161 AktG verpflichtet, dies jährlich offenzulegen und Abweichungen zu begründen („comply or explain“). Auch wenn der DGCK selbst darauf hinweist, dass eine gut begründete Abweichung von einer Kodexempfehlung im Interesse einer guten Unternehmensführung liegen kann, versuchen die Gesellschaften Abweichungen zu vermeiden. Die durchschnittliche Befolgungsquote aller Kodexbestimmungen liegt daher nach dem jüngsten Corporate Governance Report 2018 bei 87,5 %, bei DAX-Unternehmen sogar bei 95,9 %.
Der neugefasste Kodex, dessen Entwurf die Regierungskommission am 6.11.2018 vorgestellt hat, wird damit voraussichtlich die Vergütungspraxis von Vorstandsmitgliedern börsennotierter Aktiengesellschaften erheblich beeinflussen. Schon deswegen verwundert nicht, dass die teils gravierenden Änderungsvorschläge im Hinblick auf die Vorstandsvergütung in zahlreichen Stellungnahmen neben Zustimmung verbreitet auf teils heftige Kritik und Ablehnung gestoßen sind.
Besonders starke Kritik haben im Konsultationsverfahren die Kodexempfehlungen zur Ausgestaltung der variablen Vergütung erfahren:
- Der Anteil der langfristig angelegten variablen Vergütung soll im Falle 100%iger Zielerreichung den Anteil der kurzfristigen variablen Vergütung übersteigen. Dies dürfte noch der gängigen Praxis entsprechen.
- Die kurzfristige variable Vergütung soll in bar ausgezahlt werden, die langfristige variable Vergütung soll ausschließlich in (echten) Aktien der Gesellschaft gewährt werden, die mit einer Haltefrist von wenigstens vier Jahren versehen werden sollen. Dies dürfte in den wenigsten Gesellschaften derzeit gängige Praxis sein, stellt daher keine „best practice“ dar, sondern ist eher der Versuch, eine „next practice“ zu schaffen. Dies macht schon die Stellungnahme des „DAX-Kreis Vorstandsvergütung“ zum Kodexentwurf deutlich.
- Die Ziele für die kurzfristige variable Vergütung sollen sich aus der operativen Jahresplanung ableiten, die Ziele der langfristige variablen Vergütung hingegen aus der strategischen Planung für das betreffende Geschäftsjahr.
Die Legitimation der Kodexkommission dafür, nicht nur einen Standard festzulegen, sondern ihn in Abweichung von der derzeitigen Praxis komplett neu zu definieren, dürfte fraglich sein. Die Nachteile für Vorstandsmitglieder liegen auf der Hand: Der Wert der langfristigen variablen Vergütung hinge ausschließlich von der absoluten Performance des Aktienkurses und damit auch stark von nicht vom Vorstandsmitglied beeinflussbaren Entwicklungen am Kapitalmarkt ab. Relative Kursentwicklungen (z.B. eine positive Performance im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen) oder andere Performance-Faktoren blieben hingegen völlig außer Betracht. Es bleibt daher zu hoffen, dass diese Empfehlung nicht in die endgültige Kodexfassung aufgenommen wird.
Auch im Übrigen enthält der Kodexentwurf einige erhebliche Neuerungen für die Vorstandsvergütung, die zu einer Überarbeitung der Vergütungssysteme zwingen werden:
- „Clawback“: Zukünftig sollen Vorstandsverträge Regelungen enthalten, wonach in begründeten Fällen die variable Vergütung einbehalten oder gar zurückgefordert werden kann.
- Karenzentschädigungen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sollen künftig auf eine etwaige Abfindung aufgrund vorzeitigen Ausscheidens aus der Gesellschaft angerechnet werden. Dies ist zwar nicht unüblich. Allerdings verfolgen Abfindung (Ausgleich für den Verlust der Anstellung) und Karenzentschädigung (Ausgleich für Verzicht auf Wettbewerbstätigkeit) unterschiedliche Zwecke. Ob die Anrechnung sachgerecht ist, dürfte eher eine Frage des Einzelfalles sein.
- Auf Zahlungen anlässlich des Ausscheidens aufgrund eines Kontrollwechsels („Change of Control“) soll nach dem Kodexentwurf künftig verzichtet werden. Bislang sind Change of Control-Regelungen in der Praxis weit verbreitet. Sie bilden ein bewährtes Instrument, um in Übernahmesituationen die Ausrichtung der Vorstandsmitglieder ausschließlich an Unternehmens- bzw. Aktionärsinteressen zu gewährleisten. Wenngleich es sich bei dieser Neuregelung lediglich um eine Anregung des Kodex handelt, deren Nichtbefolgung keine Abweichungserklärung gem. § 161 AktG bedingt, erscheint sie vor dem Hintergrund der deutlich abweichenden Praxis nicht sachgerecht.
- Jegliche Vergütungs- und Zuflussregeln gelten zukünftig auch nach Beendigung der Vorstandstätigkeit fort.
- Altersversorgungsleistungen sowie Nebenleistungen sind zukünftig der Festvergütung zuzurechnen.
Ausblick: Es bleibt spannend
Vorstände und Aufsichtsräte sollten die Entwicklungen in den kommenden Wochen genau beobachten. Bleibt es bei den derzeitigen Entwürfen des ARUG II und des neuen DCGK (was zu befürchten ist), bedürfen die Vergütungssysteme für Vorstandsmitglieder eine grundlegenden Überprüfung und Anpassung an die neue Rechtslage. Die Spielräume der Ausgestaltung und Verhandlung künftiger Vorstandsverträge nehmen weiter ab. Nachdem sich Vertreter der Regierungskoalition in der Bundestagsdebatte am 14. März 2019 dafür ausgesprochen haben, dass die Hauptversammlung bei der Vorstandsvergütung das letzte Wort haben müsse, dürfte auch über die (Un-)Verbindlichkeit des say-on-pay Beschlusses der Hauptversammlung noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Wir werden in diesem BLOG weiter berichten.