Der elektronische Sport, kurz eSport, boomt. Was in asiatischen Gaming-Hochburgen schon in den 90er Jahren begonnen hat, ist mittlerweile weltweit ein veritables und rasant wachsendes Business. Preisgelder in großen Turnieren erreichen bei Games wie „League of Legends“ oder „Dota 2“ zum Teil zweistellige Millionenbeträge, im Fernsehen läuft neben der Sportschau regelmäßig die vom DFB und EA ins Leben gerufene Virtual Bundesliga (FIFA) und Online-Streamer verdienen kleine Vermögen. Aus Traditionsclans wie „SK-Gaming“ sind inzwischen Kapitalgesellschaften geworden, die mit Sponsoren wie Mercedes-Benz und der Deutschen Telekom arbeiten. Auch Schwergewichte im Profisport wie Paris Saint-Germain oder hierzulande einige Fußball-Bundesligavereine haben mit hohem Aufwand erfolgreiche eSport-Abteilungen aufgebaut. Diese Entwicklung bringt naturgemäß eine komplexe Vielfalt von Rechtsfragen mit sich. Vor allem auch arbeitsrechtliche, denn die vertraglichen Beziehungen zwischen Spielern und ihren Teams sind ein zentrales Element der Branche.
Noch Freelancer oder schon Arbeitnehmer?
Lange Zeit waren die Top-Gamer Freelancer. Die – oftmals nicht konkret geregelten – Vertragsverhältnisse waren freie Dienstverhältnisse oder wurden zumindest als solche behandelt. Bei den Clans gab es eine rege Personalfluktuation. Um oben mitzuspielen genügt aber schon lange nicht mehr das bloße Talent an Maus und Keyboard oder Gamepad. Organisatorisch erfordert die Teilnahme an internationalen Ligen und Großevents ein professionelles Management und klare Strukturen. Sportlich verfügen die Teams über Trainer und Betreuer, haben feste Trainings- und Spielpläne und zahlen den Gamern teils erhebliche Gehälter. Solche Konstellationen weisen alle wesentlichen Elemente einen Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 611a BGB auf:
- Weisungsgebundenheit
- Eingliederung in eine betriebliche Organisation
- Persönliche Abhängigkeit
Im „Hochleistungsbereich“ dürfte die rechtliche Einordnung damit regelmäßig recht eindeutig gelingen. Schwieriger kann sich dies für semiprofessionelle oder neu aufstrebende Teams darstellen, bei denen sich die beschriebenen klaren Strukturen gerade erst herausbilden. Hier wird man im Einzelfall genau hinschauen und prüfen müssen, ob die Spieler rechtlich noch Freelancer oder schon Arbeitnehmer sind. Denn dies richtet sich letztlich einzig nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht etwa an der Vertragsgestaltung.
Arbeitnehmerschutzrecht
Steht die Arbeitnehmereigenschaft der Gamer fest, trifft die Teams die „volle Wucht“ des deutschen Arbeitnehmerschutzrechts. Besonders relevant dürften hierbei insbesondere die folgenden Bereiche sein:
- Befristungsrecht: Auch wenn der DOSB eSport bislang (noch) nicht als Sport anerkennt, dürften die zum Profisport entwickelten Grundsätze zum Befristungsrecht (Stichwort Heinz Müller, wir haben zuletzt hier berichtet) anwendbar sein. Es dürfte folglich regelmäßig ein Sachgrund für die Befristung von Verträgen mit Progamern vorliegen.
- Arbeitszeitrecht: Ambitionierte Gamer kennen weder Nacht noch Wochenende und 16 Stunden „durchzocken“ ist nichts Außergewöhnliches. Die Verantwortlichen der Teams sollten dennoch die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten, Pausen etc.) im Blick behalten. Dies insbesondere auch weil die in aller Regel online gespielt wird und die Onlinezeiten der Spieler auf zahlreichen Portalen aufgezeichnet und teils öffentlich nachvollziehbar sind.
- Arbeitsschutzgesetze: Einer Studie befindet sich der Cortisolspiegel von Gamern während Wettkämpfen auf dem Niveau eines Rennfahrers und die Herzfrequenz im Bereich eines Marathonläufers. Gemäß § 3 Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber verpflichtet die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Hierzu zählt unter anderem das Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung. Insoweit sollten die Teams insbesondere bei der Trainings- und Spielplanung auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen und die außerordentlich physischen und psychischen Belastungen berücksichtigen.
Diese Beispiele sind lange nicht abschließend. Spannende Rechtsfragen bieten auch andere Gebiete wie etwa Spielervergütung (Prämien, Boni, Preisgelder), Arbeitnehmerdatenschutz (Stichwort: Lückenlose Aufzeichnung von Leistungsdaten) oder Pflichtverletzungen der Spieler (Doping, Cheating etc.).
Minderjährige: Jugendarbeitsschutzgesetz beachten
Früh übt sich, wer es in der Welt des eSport zu etwas bringen will. In den meisten Disziplinen zählen Spieler jenseits der 25 bereits zum alten Eisen. Umgekehrt sind absolute Topspieler der Szene nicht selten noch minderjährig. Für Kinder (bis 14) bzw. Jugendliche (ab 15) gelten die verschärften Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Während die Beschäftigung von Kindern grundsätzlich im Rahmen von Arbeitsverhältnisses verboten und nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen oder mit behördlichen Sondergenehmigungen zulässig ist (vgl. §§ 5 ff. JArbSchG), gelten für Jugendliche insbesondere strengere Arbeitszeitregelungen (§§ 8 ff. JArbSchG), spezielle Beschäftigungsverbote/–beschränkungen (§§ 22 ff. JArbSchG) sowie Pflichten zur gesundheitlichen Betreuung (§§ 32 ff. JArbSchG).
Fazit
Noch hat es den Anschein, dass eSports und Arbeitsrecht friedlich koexistieren. Dennoch wird es zu Reibungspunkten und früher oder später wohl auch zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Dabei werden sich einige Parallelen zur Rechtsprechung bei „klassischen“ Profisportlern ziehen lassen. eSports-Teams sollten daher frühzeitig auch klassische HR-Themen auf dem Schirm haben und sich entsprechend aufstellen.