Vertragliche Ausschluss- oder Verfallklauseln sind ein bewährtes Mittel des Arbeitgebers, um für Rechtssicherheit und eine bessere wirtschaftliche Planbarkeit zu sorgen. Dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen durchaus auch der Abwehr von Ansprüchen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer dienlich sein können, haben wir vor kurzem in unserem Beitrag vom 24. Januar 2019 berichtet und die Zulässigkeit von Ausschlussklauseln näher beleuchtet.
Wurde eine wirksam vereinbarte Ausschlussfrist nicht eingehalten, verfällt grundsätzlich der Anspruch. Ausnahmsweise kann sich der Schuldner jedoch nicht auf die Ausschlussfrist berufen, wenn die Berufung nach § 242 BGB treuwidrig und damit unzulässig ist. Unter welchen Voraussetzungen dem eintretenden Verfall eines Anspruchs der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen kann, haben wir unter Berücksichtigung der neuesten Entscheidung des BAG vom 26. Juni 2018 (Az.: 8 AZR 141/16) für Sie zusammengefasst.
Die Treuwidrigkeit nach der bisherigen BAG-Rechtsprechung
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG darf der Gläubiger aus Treu und Glauben darauf vertrauen, dass sich der Schuldner nicht auf die Ausschlussfrist beruft, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist (BAG, 18. August 2011 – 8 AZR 187/10).
Voraussetzung ist also, dass der Schuldner den Gläubiger von der Anspruchsgeltendmachung bzw. der Fristeinhaltung abgehalten hat.
Das wird z. B. angenommen, wenn der Schuldner durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Gläubiger die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. erkennbar den Eindruck erweckt hat, dass er sich nicht auf die Ausschlussfrist berufen will (BAG, 18. Dezember 1984 – 3 AZR 383/82).
In diesem Sinne treuwidrig verhält sich auch ein Schuldner, wenn er die geschuldete Leistung zusagt, den Gläubiger zu einer Auskunft auffordert, aber sich nach Ablauf der Ausschlussfrist auf diese beruft. Eine unzutreffende Auskunft des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über das Bestehen eines Anspruchs, reicht dagegen nicht als solche aus, um einen Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen (BAG, 22. Januar 1997 – 10 AZR 459/96).
Die Fallgestaltung des BAG
In dem dem BAG am 26. Juni 2018 zur Entscheidung vorliegenden Fall war die Beklagte bei der Klägerin zuletzt leitend in der Buchhaltung tätig. Sie veranlasste im Zeitraum von Juni 2009 bis Januar 2013 etliche Überweisungen ohne rechtlichen Grund an ihren Bekanntenkreis in Höhe von insgesamt ca. 4 Mio. Euro.
Von der Klägerin damit konfrontiert, räumte die Beklagte mit Schreiben vom 18. April 2013 die Anschuldigungen ein und teilte mit, das Geld in Kürze zurück zu überweisen. Die Arbeitgeberin wägte sich daher in – trügerischer – Sicherheit.
Als auch nach mehrmaliger Korrespondenz – in der die Beklagte wiederholt zu erkennen gab, bestehende Ansprüche erfüllen zu wollen – keine Schadenswiedergutmachung erfolgte, forderte die Klägerin Schadensersatz in der genannten Höhe. Die Beklagte berief sich auf die arbeitsvertragliche 6-monatige Verfallklausel.
Kein Erfolg der Arbeitnehmerin in drei Instanzen
Das ArbG gab der Klage statt, das LAG wies die Berufung der Beklagten zurück. Auch die Revision vor dem BAG war erfolglos.
Nach der Auffassung der Richter könne die Klägerin der Ausschlussfrist erfolgreich mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen.
Das BAG berief sich auf die bisherige Rechtsprechung und führte aus, dass die Beklagte zum einen durch
„die Vertuschung ihrer Verfehlungen eine zeitnahe Aufdeckung ihrer mit hoher krimineller Energie vorsätzlich begangenen Vertragsverstöße verhindert und damit bewusst ein früheres Einschreiten der Klägerin und eine frühere Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche vereitelt“
habe. Zum anderen habe
„die Beklagte nach Aufdeckung der Straftaten mehrfach ihre Verantwortlichkeit dem Grunde nach eingeräumt und gezielt den Eindruck erweckt, sie wolle alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Schaden auszugleichen“.
Damit verhalte sich die Klägerin in mehrfacher Hinsicht treuwidrig, wenn sie sich auf den Verfall der Ansprüche berufe, und könne hiermit nicht gehört werden.
Fazit
Die dargestellte Entscheidung liegt insofern voll und ganz auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung und präzisiert einen weiteren Fall, in dem die Geltendmachung von Ausschlussfristen durch den Einwand von Treu und Glauben eine Einschränkung erfährt. Arbeitnehmer können sich also nicht auf Grundlage von Ausschlussfristen „in jedem Fall“ sicher fühlen.