Das BAG befasste sich jüngst in seiner Entscheidung vom 18.10.2018 – 2 AZR 374/18 mit der maßgeblichen Kündigungsfrist bei Änderungskündigungen. Teil der Entscheidung war die Frage, ob und inwieweit Vereinbarungen zulässig sind, die entgegen § 622 Abs. 6 BGB für Kündigungen durch den Arbeitgeber eine kürzere Kündigungsfrist vorsehen als für den Arbeitnehmer. Das BAG gab dabei seine bisherige Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung von § 89 Abs. 2 HGB (BAG vom 2. 6. 2005 – 2 AZR 296/04) ausdrücklich auf. Demnach ist eine Vereinbarung, die eine kürzere Frist nur für die Änderungskündigung durch den Arbeitgeber vorsieht, wirksam, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nur in einer Situation erklären kann, in der der Arbeitnehmer nicht kündigen wird.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war in einem Betrieb beschäftigt, den der Arbeitgeber stilllegen wird. Nach dem geltenden Tarifvertrag musste dem Mitarbeiter vor der Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags unterbreitet werden. Nachdem der Arbeitgeber dem Kläger zweimal erfolglos ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit (BQE) unterbreitet hatte, kündigte er dem Arbeitnehmer hilfsweise zu drei möglichen Terminen. Gleichzeitig bot er ihm den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses zu veränderten Bedingungen „in der BQE“ an. Bei Ausspruch der Kündigung wandte der Arbeitgeber unter Verstoß gegen § 626 Abs. 6 BGB eine verkürzte Kündigungsfrist an, die laut Tarifvertrag nur für arbeitgeberseitig ausgesprochene Änderungskündigungen gilt. Zwischen den Parteien war unter anderem streitig, ob die verkürzte tarifvertragliche Kündigungsfrist maßgeblich ist oder die längere gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB. Ebenso wie die Vorinstanzen entschied das BAG zu Gunsten des Arbeitgebers.
Geänderte Rechtsprechung zu Kündigungsfristen bei Änderungskündigungen
Beachtlich war im vorliegenden Fall, dass das BAG die Änderungskündigung nicht wegen der verkürzten Kündigungsfrist allein für den Arbeitgeber als unwirksam ansah. Nach § 622 Abs. 6 BGB darf die Frist für die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht länger sein als die Frist für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Dennoch sah das BAG nun bei einer Änderungskündigung – sofern tarifvertraglich vorgesehen – eine verkürzte Kündigungsfrist des Arbeitgebers ohne Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB als zulässig an.
Nach Ansicht des BAG durften die Parteien davon ausgehen, dass für den Fall des Ausspruchs der Änderungskündigung deswegen eine verkürzte arbeitgeberseitige Kündigungsfrist gelte, da den Mitarbeitern zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung bereits zwei Auflösungsvertragsangebote vorgelegt wurden. Der Arbeitnehmer habe durch vorherige Ablehnung der Änderungsangebote bereits den fehlenden Willen für eine Änderungskündigung ausgedrückt. Somit war bei dem klagenden Arbeitnehmer von einem Bestandsinteresse hinsichtlich seines Arbeitsverhältnisses auszugehen. Mit einer arbeitnehmerseitigen Kündigung war also nicht zu rechnen, was nach der Rechtsprechung des BAG eine kürzere Kündigungsfrist des Arbeitgebers – ausnahmsweise – rechtfertige.
Außerdem, so das BAG weiter, habe ein Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB nicht zur Folge, dass sich die Frist für die Kündigung durch den Arbeitgeber verlängere. Das BAG hatte bislang für diese Fälle § 89 Abs. 2 S. 2 HGB in analoger Anwendung herangezogen (vgl. BAG, Urteil vom 2. 6. 2005 – 2 AZR 296/04). Auf Grundlage der der früheren Rechtsprechung des BAG wurde die Kündigungsfrist für Kündigungen durch den Arbeitgeber der längeren Kündigungsfrist für Kündigungen durch den Mitarbeiter angeglichen.
Mit seiner aktuellen Entscheidung gibt das BAG diese Rechtsprechung ausdrücklich auf und verneint die für die Analogie notwendige planwidrige Regelungslücke sowie die vergleichbare Interessenlage. Die Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung begründet das BAG mit dem unterschiedlichen Normzwecken der § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB. Zwar haben beiden Normen gemein, dass sie jeweils einen Gleichlauf der Kündigungsfristen garantieren sollen, jedoch gewährleistet § 622 Abs. 6 BGB eine Mindestmobilität des Mitarbeiters, während § 89 Abs. 2 HGB einen Mindestbestandsschutz für den Handelsvertreter garantiert. Eine zusätzliche Verlängerung der Kündigungsfrist für Änderungskündigungen des Arbeitgebers, hätte einen Mindestbestandsschutz zur Folge, den § 622 Abs. 6 BGB gerade nicht gewährleiste. Insoweit liege keine vergleichbare Interessenlage vor, die eine analoge Anwendung des § 89 II HGB rechtfertigen könne.
Folge der geänderten Rechtsprechung ist nun für den Fall, dass eine (tarifliche) Vereinbarung vorliegt, die eine kurze Frist lediglich für eine Kündigung durch den Arbeitgeber vorsieht, nicht gegen § 622 Abs. 6 BGB verstößt, wenn der Arbeitgeber die Kündigung mit der verkürzten Frist ausschließlich in Situationen erklären kann, in denen der Arbeitnehmer selbst nicht kündigen wird („keine Kündigungsfrist ohne Kündigung“). Eine Vereinbarung ist nach §§ 134, 139 BGB insoweit nichtig, wie sie unter Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine längere Frist vorsieht als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Damit wird im Ergebnis die Kündigungsfrist für die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers auf diejenige für die arbeitgeberseitige Kündigung „reduziert“. Eine „Verlängerung“ der Frist für die Kündigung durch den Arbeitgeber, um sie der Frist für die Kündigung durch den Arbeitnehmer anzugleichen, lehnte das BAG unter den oben genannten Voraussetzungen nun ausdrücklich ab.
Fazit
Es ist zu begrüßen, dass das BAG die Anwendung verkürzter Kündigungsfristen bei Änderungskündigungen entgegen § 622 Abs. 6 BGB bei Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls grundsätzlich für möglich hält. Bei spezifisch für eine Änderungskündigung geregelten Kündigungsfristen wäre das Erfordernis eines Gleichlaufs zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkündigung eine reine Förmelei („keine Kündigungsfrist ohne Kündigung“). Dies hat das BAG zutreffend erkannt.