Für das Arbeitsrecht fehlt in Deutschland ein Arbeitsgesetzbuch, in dem alle arbeitsrechtlichen Gesetze gebündelt sind. Stattdessen sind die für das Arbeitsverhältnis relevanten Regelungen in einer Vielzahl von Gesetzen vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz über das Bundesurlaubsgesetz, das Kündigungsschutzgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch bis hin zum Tarifvertragsgesetz verstreut. Außerdem hat die Arbeitsgerichtsbarkeit angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und der fehlenden Kodifikation wichtiger Teile des Arbeitsrechts zum Teil eigene Rechtsregeln und Rechtsinstitute entwickelt. Aus diesen Gründen bestehen im deutschen Arbeitsrecht eine Vielzahl von Rechtsirrtümern, die per „Mund-zu-Mund-Propaganda“ weitergegeben, statt kritisch geprüft werden. Diese Blog-Serie soll populäre Rechtsirrtümer unter die Lupe nehmen und aufdecken.
Arbeitsrechtliche Vorschriften sind für den Laien schwer auffindbar und zu durchschauen. Dies führt in nahezu allen Bereichen zu populären Rechtsirrtümern. Diese betreffen auch diverse Problemstellungen im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Kündigung. So hält sich hartnäckig das Gerücht, dass gegen eine Kündigung jederzeit geklagt werden könne und dass für jede arbeitgeberseitige Kündigung ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegen müsse. Diese Rechtsirrtümer möchten wir in diesem sechsten Teil der Serie zu den populären Rechtsirrtümern vorstellen und aufklären.
Platz 4: Gegen eine Kündigung kann jederzeit geklagt werden
Falsch! Generell muss ein Arbeitnehmer, der sich gegen eine Kündigung wehren möchte, innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben, § 4 S. 1 KSchG. Wird die Kündigungsschutzklage nicht innerhalb dieser Frist eingereicht, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
Eine Ausnahme gilt insofern nach der Rechtsprechung des BAG für eine Kündigung, bei der die Schriftform nicht gewahrt wurde (Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 858/11). Dieser Mangel kann auch noch außerhalb der dreiwöchigen Kündigungsfrist vor dem zuständigen Arbeitsgericht gerügt werden. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird diskutiert, ob auch weitere Mängel, die der Kündigungserklärung anhaften können, außerhalb der Kündigungsklagefrist gerichtlich geltend gemacht werden können. Im Regelfall kann eine Kündigung jedoch nur innerhalb der dreiwöchigen Kündigungsfrist angegriffen werden.
Ausnahmsweise kann ein Arbeitnehmer, der diese dreiwöchige Kündigungsklagefrist verpasst hat, beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Zulassung seiner verspäteten Kündigungsschutzklage stellen. Mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung ist die Klageerhebung zu verbinden. Ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muss ferner die Angabe der Tatsachen, die die nachträgliche Zulassung begründen sollen, und die Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten. Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.
Platz 3: Arbeitgeber brauchen immer einen Kündigungsgrund
Falsch! Einen verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund braucht ein Arbeitgeber nur dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Dies setzt einerseits voraus, dass das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate andauert, § 1 Abs. 1 KSchG. Ist der Arbeitnehmer erst seit kürzerer Zeit für den Arbeitgeber tätig, ist ein Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes nicht erforderlich. Auch wenn der Arbeitgeber im Betrieb lediglich zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt, muss keiner der genannten Kündigungsgründe vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG Teilzeitbeschäftigte, die maximal 20 Stunden pro Woche arbeiten, nicht voll zählen, sondern lediglich mit einem Wert 0,5 zu berücksichtigen sind. Teilzeitbeschäftigte, die maximal 30 Stunden pro Woche arbeiten, werden lediglich mit einem Wert von 0,75 auf die Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer angerechnet.
In den Fällen der zu kurzen Betriebszugehörigkeit und in Kleinbetrieben erfolgt lediglich eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Kündigung hinsichtlich der zugrunde liegenden Kündigungsgründe anhand §§ 138, 242 BGB. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, z.B. vor Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft. Es muss dann allerdings der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. Die bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes geltende Regel, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, die die Kündigung begründen, gilt außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht.
Fazit
Als Ergebnis lässt sich damit für den sechsten Teil der Serie zu populären Rechtsirrtümern im Arbeitsrecht festhalten, dass gegen eine Kündigung nicht jederzeit, sondern nur in engen zeitlichen Grenzen vor dem Arbeitsgericht geklagt werden kann. Nur ausnahmsweise kann ein Arbeitnehmer eine Kündigung auch noch nach Ablauf der dreiwöchigen Kündigungserklärungsfrist gerichtlich überprüfen lassen. Außerdem müssen für eine Kündigung nur dann personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigungsgründe vorliegen, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und wenn im Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.