Neben der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung gibt der Gesetzgeber Arbeitnehmern auch im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung die Möglichkeit, Einfluss auf die Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse im Unternehmen oder Betrieb zu nehmen. Bei der Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat geht es im Gegensatz zur Wahl in den Betriebsrat weniger um die Realisierung des Arbeitnehmerschutzes im Betrieb, sondern vielmehr um die Beteiligung an betriebsübergreifenden unternehmerischen Vorgängen.
Mögliche Varianten
Die gegenwärtig gültigen Varianten der unternehmerischen Mitbestimmung ergeben sich in der Praxis ganz überwiegend aus dem Mitbestimmungsgesetz und dem Drittelbeteiligungsgesetz. Dem Montanmitbestimmungsgesetz und dem Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz kommt aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs hingegen nur eingeschränkte Bedeutung zu, weshalb wir dieses in der Betrachtung ausklammern.
Wo „beginnt“ die Mitbestimmung?
Die Schwellenwerte 500 und 2.000 sind die für die Unternehmenspraxis wichtigen Größen. Sobald die Arbeitnehmeranzahl einer Gesellschaft regelmäßig den Schwellenwert von 500 Arbeitnehmern überschreitet, findet das Drittelbeteilungsgesetz Anwendung und der Aufsichtsrat muss zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen. Sind es mehr als 2.000 Arbeitnehmer, muss der Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz sogar paritätisch (gleichwertig) aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammengesetzt werden.
Dabei gelten folgende Grundsätze:
- Maßgeblich für die Ermittlung vorstehender Schwellenwerte sind sämtliche Arbeitnehmer, die keine leitenden Angestellten sind.
- Ob Leiharbeitnehmer in die Berechnung des Schwellenwertes miteinzubeziehen sind, wurde lange Zeit nicht einheitlich beurteilt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber im Rahmen der AÜG-Reform nunmehr explizit festgelegt, dass Leiharbeitnehmer, die länger als sechs Monate im Entleiherunternehmen beschäftigt sind, für die Berechnung des Schwellenwertes einzubeziehen sind.
- Teilzeitbeschäftigte werden voll, das heißt nach Köpfen gezählt.
- Ebenso zählen Auszubildende ausdrücklich zum Kreis der beschäftigten Arbeitnehmer.
- Ausgehend vom Territorialprinzip der Mitbestimmungsgesetze werden für die Berechnung des Schwellenwertes neben den im Inland tätigen Arbeitnehmern die im Ausland tätigen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht einbezogen.
- Arbeitnehmer in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitmodells bleiben außer Betracht.
- Dagegen werden ruhende Arbeitsverhältnisse grundsätzlich in die Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen einbezogen.
Welche Gesellschaftsformen sind erfasst?
In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Aufsichtsrat das Kontrollgremium des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Deutlich weniger bekannt ist dagegen, dass auch bei Unternehmen anderer Rechtsformen so etwa der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Pflicht zur Errichtung eines Aufsichtsrats bestehen kann, wenn diese die oben genannten Schwellenwerte überschreiten.
Wer wird von Arbeitnehmerseite entsandt?
Unsicherheiten bestehen ferner bei der konkreten Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Zu beachten ist nämlich, dass das Mitbestimmungsgesetz, anders als das Drittelbeteiligungsgesetz, vorsieht, dass sich unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer je nach Ausgestaltung zwei (ggf. auch drei) Gewerkschaftsvertreter der befinden müssen.
Die Krux mit der Konzernzurechnung
Wichtig ist ferner, dass die Bewertung potentieller Mitbestimmung nicht nur isoliert auf Unternehmens- sondern auch insgesamt auf Konzernebene zu erfolgen hat. Dies vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber etwaige Versuche, eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat durch eine konzernweite Aufschlüsselung der Arbeitnehmer zu vermeiden, bei der Konzeption des Mitbestimmungsgesetzes vor Augen hatte. Daher können unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmer abhängiger Unternehmen dem herrschenden Unternehmen der Konzernspitze zugrechnet werden.
Welche Folgen ergeben sich bei der Nichterrichtung?
Mangels einschlägiger Bußgeldvorschriften wird das Thema Mitbestimmung im Aufsichtsrat in der Praxis bislang weitgehend „stiefmütterlich“ behandelt. Dabei wird verkannt, dass ein Verstoß gegen mitbestimmungsrechtliche Vorschriften in bestimmten Fällen dazu führen kann, dass der Aufsichtsrat nicht vorschriftsmäßig besetzt oder gar beschlussunfähig ist. Unternehmen sind daher bereits aus Gründen der Rechtssicherheit gut beraten, zu ermitteln, ob und welcher Mitbestimmung sie unterliegen (könnten), wo möglicherweise Grauzonen bestehen, und daraus weitere Handlungsoptionen abzuleiten.