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KI und Arbeitsrecht: Chancen und Risiken für Arbeitgeber

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Mit der Veröffentlichung der „Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung“ (KI-Strategie) im November 2018 ist die Bundesregierung einen weiteren Schritt gegangen, um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland gesellschaftlich, wirtschaftlich sowie politisch weiterzuentwickeln. Die Regierung hat sich dabei unter anderem zum Ziel gesetzt, Deutschland als Forschungsstandort für KI zu stärken sowie die Anwendung von KI insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern. Zur Umsetzung dieser Ziele will der Bund bis einschließlich 2025 insgesamt etwa 3 Mrd. EUR zur Verfügung stellen. Dieser Betrag erscheint auf den ersten Blick als üppig, ist aber im Vergleich zu den Volumina, die in anderen Ländern (wie beispielsweise China) zum Ausbau von KI-Technologien investiert werden, sehr überschaubar. Ferner bleiben für Unternehmen noch viele – teils ganz grundlegende – Fragen offen. Dies betrifft auch das Arbeitsrecht. Neben anderen Aspekten sind insbesondere folgende Fragen relevant: Was umfasst der Begriff KI? Welche Vorteile bringen künstliche Systeme und welche Risiken bestehen für Arbeitgeber? Und wie verhält es sich mit dem Einfluss der KI-Strategie auf die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer?

Was bedeutet KI?

Der Begriff KI ist nicht eindeutig definiert. Den Ausführungen der Bundesregierung zugrunde liegt der Begriff der „schwachen“ KI. Dieser Begriff umfasst die Lösung konkreter Anwendungsprobleme unter Nachbildung bzw. Unterstützung menschlichen Denkens. In der Wirtschaftswelt kommt KI bereits jetzt häufig vor, sei es beispielsweise im Rahmen von Sprach-/Gesichtserkennungssystemen oder der Automatisierung bei Fertigungsprozessen. Auch im Personalwesen kann KI eine unterstützende Rolle einnehmen (siehe unseren Blogbeitrag zum Recruiting 4.0 vom 2. November 2016). Zu Fragen der Aus- und Weiterbildung der Belegschaft im Zusammenhang mit der Implementierung künstlicher Systeme wird an dieser Stelle auf unseren Blogbeitrag vom 19. Juni 2018 verwiesen).

Vorteile durch den Einsatz von KI?

Die Automatisierung von Arbeitsprozessen und die Nutzung von KI kann eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen mit sich bringen: Zum einen führt sie zu einem präzisen Arbeitsergebnis und kann komplexe Arbeitsschritte meist in einer deutlich kürzeren Zeit bewältigen als der Mensch. Darüber hinaus können Branchen mit großem Nachwuchsmangel Löcher in ihrer Personaldecke mit Hilfe von KI stopfen. Hier sei nur als Beispiel der Pflegesektor erwähnt. Derzeit werden in Pflegeheimen Roboter getestet, welche die Mitarbeiter bei der Pflege hilfsbedürftiger Menschen unterstützen. Ferner finden die strengen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften wie, z.B. das ArbZG, BUrlG und das KSchG keine Anwendung.

Haftungsrisiken durch den Einsatz von KI?

Trotz der Ankündigung der Bundesregierung, in Zukunft mehr in das Thema KI investieren zu wollen, sind die mit dem Einsatz von KI verbundenen rechtlichen und unternehmerischen Risiken meist noch nicht abschließend geklärt. So ist fraglich, welches Haftungsregime greift, wenn KI (z.B. ein Produktionsroboter) Sach- oder Personenschäden bei der Arbeit hervorruft. Zunächst wird es darauf ankommen, ob der Schaden durch eine falsche Entwicklung bzw. Herstellung des Systems oder durch eine falsche Verwendung verursacht wurde. Nur im ersten Fall dürften insoweit Regressansprüche für den Arbeitgeber gegen den Hersteller bzw. Entwickler der KI in Betracht kommen. Es wird derzeit diskutiert, ob der Arbeitgeber für die Schäden durch den Einsatz eines KI-Systems wie bei dem Einsatz eines Erfüllungsgehilfen analog § 278 BGB haftet. Zu prüfen ist auch die Übertragung der Grundsätze der Gefährdungshaftung, wenn man annimmt, dass der Arbeitgeber durch den Einsatz von KI eine Gefahrenquelle geschaffen hat, für die er verschuldensunabhängig haften muss (siehe zu den Haftungsfragen u.a. Günther/Böglmüller, BB 2017, 53 (54 f.)).

Die Frage der Haftung wird insbesondere auch dann virulent, wenn der Arbeitgeber der KI ermöglicht, Weisungen gegenüber Mitarbeitern zu erteilen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, sein Weisungsrecht an andere Personen zu übertragen. Dies dürfte auch für die Übertragung auf KI gelten. In dieser Konstellation sind die oben skizzierten Haftungsrisiken des Arbeitgebers ebenfalls zu berücksichtigen, da Personen- oder Sachschäden auch dadurch entstehen können, dass die KI fehlerhafte Weisungen an Arbeitnehmer erteilt.

KI und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Bereits nach aktueller Rechtslage stehen dem Betriebsrat verschiedene Mitbestimmungsrechte im Falle der Implementierung neuer IT-Systeme durch den Arbeitgeber zur Verfügung. So regelt § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Nach der KI-Strategie der Bundesregierung soll dieses Mitbestimmungsrecht mit Blick auf den Einsatz von KI dahingehend überarbeitet werden, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam auf die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen einigen. Dies soll gewährleisten, dass der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 6 BetrVG besser ausüben kann. Nähere Erläuterungen oder Hintergründe zu dieser geplanten Änderung lassen sich der KI-Strategie nicht entnehmen.

Die §§ 90 f. BetrVG regeln die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Bereichen der technischen bzw. organisatorischen Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung. Hierbei geht es um die Schaffung möglichst positiver und menschenwürdiger Umstände für die Erbringung der Arbeitsleistung. Dieser „autonome“ Arbeitsschutz steht als Gestaltungsaufgabe neben dem gesetzlich geltenden Arbeitsschutz (u.a. normiert im ArbSchG), welcher die Abwendung von Schäden für Leib und Leben der Arbeitnehmer zum Ziel hat. In ihrer KI-Strategie macht die Bundesregierung deutlich, dass sie vor dem Hintergrund des verstärkten Einflusses künstlicher Systeme in § 90 BetrVG klarstellen wolle, dass „zu den dort genannten Maßnahmen auch der Einsatz bzw. die geplante Nutzung von KI-Anwendungen gehören“. Ebenso möchte die Bundesregierung in § 95 BetrVG, wonach der Betriebsrat bei Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitzuentscheiden hat, klarstellen, dass dies auch bei dem Einsatz von KI gilt. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung und der Gesetzgeber diese Klarstellungen im BetrVG umsetzen werden.

Fazit und Ausblick

Die Veröffentlichung der KI-Strategie der Bundesregierung zeigt, dass auf politischer Seite der Wille besteht, KI in der deutschen Wirtschaft stärker zu etablieren. Die Vorteile für Unternehmen, KI zu nutzen und in die bestehenden Arbeitsabläufe zu implementieren, liegen auf der Hand. Andererseits gibt es bisher juristisch ungeklärte Haftungsfragen, welche Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit Beteiligungsrechte von Betriebsräten bei technischen Entwicklungen im Unternehmen durch die verstärkte Nutzung von künstlicher Intelligenz weiter präzisiert bzw. ausgeweitet werden.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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