Aus einer diesen Monat veröffentlichten Umfrage des Münchener Ifo-Instituts geht hervor, dass ein Teil der deutschen Industrie damit rechnet, in den kommenden drei Monaten stärker auf das Instrument der Kurzarbeit zurückgreifen zu müssen. Der Anteil der Kurzarbeit steige „spürbar“ an. Das Thema wird Arbeitgeber und Arbeitnehmer künftig also wieder vermehrt beschäftigen.
Doch was genau ist Kurzarbeit überhaupt? Wie kann sie im Betrieb eingeführt werden und was für Folgen zieht das nach sich? Was gibt es arbeitsrechtlich zu beachten? Unter welchen Voraussetzungen gewährt die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld? Zu diesen Fragen gibt dieser Beitrag einen Überblick.
1. Kurzarbeit – Was ist das überhaupt?
Kurzarbeit bedeutet die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit unter gleichzeitiger Verringerung des Arbeitsentgelts. Hat die Kurzarbeit eine vorübergehende Einstellung der Arbeit zur Folge, wird von sog. „Kurzarbeit Null“ gesprochen. Sinn und Zweck der Kurzarbeit ist die vorübergehende wirtschaftliche Entlastung des Betriebs durch Senkung der Personalkosten, während die bestehenden Arbeitsplätze gleichzeitig erhalten werden.
2. Einführung im Betrieb
Da es sich um eine Änderung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten handelt, kann die Kurzarbeit nicht einseitig vom Arbeitgeber im Wege des Direktionsrecht angeordnet werden. Vielmehr bedarf der Arbeitgeber hierzu einer besonderen rechtlichen Grundlage. Diese können sein: Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, einzelvertragliche Vereinbarungen (z.B. Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag) oder eine Änderungskündigung.
Existiert ein Betriebsrat, so ist die Einführung von Kurzarbeit sowie die Frage des konkreten Umfangs und die der betroffenen Arbeitnehmer mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht.
3. Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Kurzarbeit führt zu einer (teilweisen) Suspendierung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Der Arbeitnehmer wird also von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung befreit, verliert aber gleichzeitig einen Teil seines Vergütungsanspruchs. Im Falle der „Kurzarbeit Null“ führt dies dazu, dass betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Lohnzahlungen mehr vom Arbeitgeber erhält. Als Ausgleich erhält er einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (dazu sogleich).
4. Kurzarbeitergeld
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ihre Firma wegen eines erhebliches Arbeitsausfalls weniger Lohn zahlt. Das Kurzarbeitergeld gewährt die Bundesagentur für Arbeit, wenn die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III erfüllt sind.
Hauptzweck des Kurzarbeitergeldes ist es, den Arbeitnehmern bei vorübergehendem Arbeitsausfall Lohnkürzungen auszugleichen und die Arbeitsplätze der eingearbeiteten Mitarbeiter zu erhalten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen nicht betriebsbedingt gekündigt werden, sondern im Betrieb bleiben können, bis die Krise überwunden ist.
Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben Arbeitnehmer nach § 95 SGB III, wenn
(a) ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
(b) die betrieblichen Voraussetzungen sowie
(c) die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
(d) der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
a) Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
Ein erheblicher Arbeitsausfall liegt vor, wenn der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, nur vorübergehend und nicht vermeidbar ist, sowie ein gewisser Mindestumfang erreicht wurde.
Als wirtschaftliche Ursache kommt die Veränderung betrieblicher Strukturen in Frage, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Kommt ein Produkt aufgrund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklung aus der Mode, so liegt in dem Akzeptanzverlust jedoch kein wirtschaftlicher Grund im Sinne des Gesetzes. Auch rein betriebsspezifische Ursachen (bspw. fehlerhaftes Management; erfolglose Einführung neuer Erzeugnisse) begründen keinen wirtschaftlichen Grund.
Die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfordert, dass lediglich ein vorübergehender Arbeitsausfall vorliegt. Dies ist der Fall, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass in absehbarer Zeit mit dem Übergang zur Vollarbeitszeit zu rechnen ist.
Der Arbeitgeber muss zudem zunächst und vorrangig alle zumutbaren Vorkehrungen in einem Betrieb getroffen haben muss, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Damit soll sichergestellt werden, dass eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld zur Steuerung der betrieblichen Beschäftigungspolitik vermieden wird. Zur Verhinderung von Missbräuchen und Mitnahmeeffekten ist erforderlich, dass Arbeitgeber (und ggfs. Betriebsvertretung) und Arbeitnehmer nicht nur Anstrengungen unternehmen, den Arbeitsausfall einzuschränken, sondern auch, ihn bereits abzuwenden. Dazu zählen unter anderem Vorkehrungen wie die Gewährung von Urlaub oder der Abbau von Überstunden.
Der Zahlung von Kurzarbeitergeld steht es entgegen, wenn der Arbeitsausfall überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht.
Der Arbeitsausfall muss einen Mindestumfang aufweisen. Dieser Mindestumfang ist erreicht, wenn im jeweiligen Kalendermonat für mindestens ein Drittel der in dem Betrieb oder der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer jeweils mehr als 10 % des monatlichen Bruttoentgelts ausfällt.
b) Betriebliche Voraussetzungen
Unabhängig von Größe und Rechtsform wird Kurzarbeitergeld in Betrieben gewährt, wenn zumindest ein Arbeitnehmer beschäftigt wird. Als Betrieb gilt auch eine Betriebsabteilung. Damit ist auch die Gewährung von Kurzarbeitergeld in Teilen eines Betriebes möglich. Der erhebliche Arbeitsausfall braucht dann nur einer Betriebsabteilung, z.B. der Abteilung Verwaltung, gegeben sein.
c) Persönliche Voraussetzungen
Zu den persönlichen Voraussetzungen gehört im Wesentlichen, dass der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht. Wenn sich das Arbeitsverhältnis im gekündigten Zustand befindet oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist, liegen die persönlichen Anforderungen nicht vor und der Anspruch entfällt.
d) Rechtzeitige Anzeige des Arbeitsausfalls bei der zuständigen Agentur für Arbeit
Obwohl der Arbeitnehmer Inhaber des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld ist, erfolgt die Abwicklung und Durchsetzung des Anspruchs hauptsächlich durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit schriftlich anzuzeigen, in deren Bezirk der Betrieb liegt. Die Agentur für Arbeit stellt sodann verbindlich fest, ob die oben genannten Voraussetzungen vorliegen.
In einem zweiten Schritt hat der Arbeitgeber den Antrag auf Kurzarbeitergeld schriftlich bei der Agentur für Arbeit zu stellen, in dessen Bezirk die für den Betrieb zuständige Lohnstelle liegt. Der Antrag ist innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage der Kurzarbeit liegen.
Der Anspruch der Arbeitnehmer auf Kurzarbeitergeld besteht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit und nicht gegenüber dem Arbeitgeber. Es wird jedoch nicht direkt an die Arbeitnehmer ausgezahlt, sondern an den Arbeitgeber, der es dann weiterzuleiten hat. Den Arbeitgeber trifft insoweit die Pflicht, das Kurzarbeitergeld zu errechnen und auszuzahlen. Die maximale Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld beträgt 12 Monate. Die Höhe beträgt in der Regel 60% der Nettoentgeltdifferenz. Diese errechnet sich aus dem Unterschied zwischen dem normalen Einkommen und dem, was durch die Kurzarbeit noch gezahlt wird.
6. Fazit
Auch wenn derzeit noch kein Rückfall in die Zeiten der Massenarbeitslosigkeit droht, so sollte die Politik den Arbeitsmarkt dennoch wetterfest machen. Bei einem weiteren Abrutschen der Konjunktur sind die erweiterte Kurzarbeiterregelung sinnvoll. So kann man beispielsweise darüber nachdenken, die Grenze derjenigen Mitarbeiter, die von einem Lohnausfall betroffen sein müssen, in Krisenzeiten zu senken. Auch sollte es möglich sein, Phasen der Kurzarbeit mit einer Qualifizierung der Mitarbeiter zu verbinden (vgl. hierzu den Beitrag „Brauchen wir ein Transformations-Kurzarbeitergeld? – 10 Thesen zur Förderung von Re-Qualifizierung“).