Gehaltserhöhung, Dienstwagen und Führungsposition – zumindest für den sozialen Status hat die Einordnung als leitender Angestellter nur Vorteile. Daher möchten viele Arbeitnehmer diese Position inne haben. Die wenigsten sind sich im Klaren darüber, welchen Preis sie dafür zu zahlen haben. Folge davon ist, dass vor Gericht die Einordnung als leitender Angestellter häufig angegriffen wird. Gerade in Bezug auf die heutigen Unternehmensstrukturen werden dann rechtliche Fragen aufgeworfen.
Was ist ein leitender Angestellter?
Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer in Führungspositionen, die sich durch eine besondere Nähe zum Arbeitgeber auszeichnen. Grundsätzlich gelten für sie die gleichen Gesetze wie für alle Arbeitnehmer, in einigen Bereichen gelten aber Sonderregelungen. Ob im Arbeitsvertrag die Bezeichnung „leitender Angestellter“ verwendet wird ist irrelevant, es kommt alleine auf die tatsächlichen Aufgaben und Befugnisse an.
Wer ist leitender Angestellter im Sinne des BetrVG?
Leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG ist, wer das Recht zur selbständigen Einstellung und Entlassung hat. Alternativ hat diese Position inne, wer Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist. Letzteres bedeutet, dass dem Angestellten die Prokura für einen für den Arbeitgeber relevanten Sektor erteilt worden sein muss. Leitender Angestellte kann auch sein, wer regelmäßig Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Aufgaben und Kenntnisse voraussetzt. Entscheidend ist, dass der Angestellte die Entscheidung im Wesentlichen unabhängig von Weisungen des Arbeitgebers trifft oder sie maßgeblich beeinflusst.
Wer ist leitender Angestellter im Sinne des KSchG?
Nach dem KSchG sind „ähnliche leitende Angestellte“ solche, die mit Geschäftsführern und Betriebsleitern vergleichbar sind.
Der Begriff nach § 14 Abs. 3 KSchG deckt sich nicht mit dem des § 5 Abs. 3 BetrVG. Er ist einerseits weiter, andererseits enger gefasst. Einerseits müssen die Einstellungs- und Entlassungsbefugnisse nicht kumulativ vorliegen. Andererseits muss die Personalkompetenz einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen (BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99) und die Befugnis zur Einstellung oder Entlassung muss umfassend sein.
Der leitende Angestellte muss maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische oder personelle Führung des Unternehmens oder eines Betriebs ausüben, wobei ihm ein erheblicher Entscheidungsspielraum zukommen muss (BAG 25.11.1993 – 2 AZR 517/93). Auf Einkommensgrenzen bzw. die Leitungsebene im Unternehmen kommt es nicht an.
Welche Folgen hat die Einordnung als leitender Angestellter?
Insbesondere relevant ist, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter erleichterten Bedingungen auflösen kann. Zwar gilt § 1 KSchG auch für leitende Angestellte, das heißt, dass verhaltens-, personen- bzw. betriebsbedingte Gründe für die Kündigung vorliegen müssen. Zu beachten ist allerdings, dass bei leitenden Angestellten ein Auflösungsantrag nach § 9 KSchG auch ohne Begründung zulässig ist (§ 14 Abs. 2 S. 2 KSchG). Das heißt: ist die Kündigung sozialwidrig und somit rechtsunwirksam, wird das Arbeitsverhältnis trotzdem aufgelöst und dem leitenden Angestellten steht dann ein Anspruch auf eine Abfindung zu, die das Gericht der Höhe nach festsetzt.
Auch wird ein strengerer Beurteilungsmaßstab an das Verhalten leitender Angestellter angelegt. Daher genügen Gründe, die bei „regulären Arbeitnehmern“ alleine eine Abmahnung rechtfertigen würden, für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung. Bezüglich der betriebsbedingten Kündigung gilt zwar grundsätzlich kein anderer Maßstab. Wegen der herausgehobenen Stellung im Unternehmen gibt es jedoch weniger vergleichbare Arbeitnehmer. Bei betriebsbedingten Entlassungen besteht in der Praxis oft die Möglichkeit, Tätigkeitsgebiete wegzurationalisieren und das Arbeitsverhältnis folglich zu kündigen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass leitende Angestellte von der betrieblichen Mitbestimmung grundsätzlich ausgeschlossen sind, und sowohl Betriebsvereinbarungen als auch Interessen- und Sozialpläne auf sie keine Anwendung finden.
Gemäß § 18 ArbZG findet das Arbeitszeitgesetz auf leitende Angestellte keine Anwendung. Daher gelten die im Gesetz genannten zeitlichen Beschränkungen nicht. Außerdem ist die pauschale Abgeltung von Überstunden wegen der höheren Bezahlung gerechtfertigt.
Unternehmensrealität: Einordnung als leitender Angestellter trotz Matrixstruktur oder Vier-Augen-Prinzip?
Heutige Unternehmensstrukturen zeichnen sich häufig nicht mehr durch die klassischen „Pyramidenstrukturen“ aus. Stattdessen findet man sogenannte „Matrixstrukturen“. Das bedeutet, dass bestimmte zentrale Funktionen bei einem oder mehreren konzernangehörigen Unternehmen zusammengefasst sind. Dieselben Funktionen sind bei anderen Konzerngesellschaften reduziert oder ganz abgeschafft worden. Das BAG hat noch nicht entschieden, wie sich das auf die Stellung als leitender Angestellter auswirkt. Ist jemand, der bei der Konzernmutter mit Prokura angestellt ist und tatsächlich erheblichen Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausübt, jedoch an sich in der Tochtergesellschaft nicht die Kriterien für die Einordung als leitender Angestellter erfüllt, als ein solcher einzuordnen?
Das LAG Düsseldorf (Beschluss v. 10.02.16 – 7 TaBV 63/15) und LAG Baden – Württemberg (Beschluss v. 28.05.2014 – 4 TaBV 7/13) haben entschieden, dass die Frage, ob ein Mitarbeiter Leitender Angestellter ist, stets unternehmensbezogen beurteilt werden müsse. Hiernach spielt es für das Tochterunternehmen keine Rolle, ob der Arbeitnehmer im Mutterkonzern leitender Angestellter ist.
In der aktuellen Unternehmensrealität sind bei Personalentscheidungen oft andere Stellen involviert, sogenanntes „Vier-Augen-Prinzip“. Dies steht der Einordnung als leitender Angestellter nicht entgegen. So hat z.B. das ArbG Düsseldorf (Urteil v. 24.07.2017 – 9 Ca 5771/16) ausgeführt, dass im modernen Geschäftsleben bereits auf niedriger Ebene häufig Strukturen zu finden sind, auf Grund derer bei verschiedenen Entscheidungen andere Führungspersonen- oder Gremien involviert werden müssen. Trotzdem sei aufgrund der besonderen Vertrauensstellung dieser Personen ein legitimes Bedürfnis des Arbeitgebers vorhanden, das Arbeitsverhältnis unter erleichterten Bedingungen aufzulösen.
All das zeigt: es gibt gute Gründe, leitenden Angestellten bestimmte Privilegien zuzusprechen, müssen diese doch Nachteile an anderer Stelle ausgleichen. Der Arbeitgeber sollte sich aber hinreichend sicher sein, dass die Nachteile im Fall des Falles auch gerichtsfest dargelegt und ggf. bewiesen werden können.