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(Sonder-)Kündigungsschutz ist ein weites Feld und stellt Arbeitgeber oftmals vor scheinbar unüberwindbare Hürden. Für den allgemeinen Kündigungsschutz, d.h. für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, sind Betriebsgröße und Betriebszugehörigkeit entscheidend. Besonderer Kündigungsschutz folgt in der Regel aus persönlichen Umständen des Arbeitnehmers, wie z.B. einer Schwerbehinderung oder einer Schwangerschaft. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über den allgemeinen, tariflichen, betrieblichen und gesetzlichen (Sonder-)Kündigungsschutz und bestehende Ausnahmen geben.

Anwendbarkeit des KSchG / Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes setzt in betrieblicher Hinsicht gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG voraus, dass im Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei sind Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und Arbeitnehmer mit einer Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigten (S. 4). In persönlicher Hinsicht muss das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden haben. Anderenfalls gilt der Kündigungsschutz nach § 1 KSchG nicht.

Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis grundsätzlich ohne Vorliegen eines Grundes jederzeit ordentlich kündigen. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht völlig schutzlos. So muss der Arbeitgeber einen etwaigen Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers beachten. Die Kündigung darf auch nicht missbräuchlich, treuwidrig oder sittenwidrig sein (§§ 242, 138 BGB). Auch muss sich der Arbeitgeber an die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes halten. Eine Kündigung die allein auf rassistischen Motiven beruht, wäre mithin auch im Kleinbetrieb unwirksam.

Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem KSchG

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung nach § 1 KSchG sind weitläufig bekannt. Gemäß Abs. 1 ist eine ordentliche Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist sie nach Abs. 2, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person (personenbedingte Kündigung) oder im Verhalten des Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigung) liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse (betriebsbedingte Kündigung) bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb entgegenstehen. Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Abs. 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (sogenannte Sozialauswahl).

Sonderkündigungsschutz

Bereits die Anwendbarkeit des KSchG bereitet Arbeitgebern oftmals Probleme bei der einseitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Schier aussichtlos scheint das Kündigungsvorhaben zu sein, wenn der Arbeitnehmer darüber hinaus noch Sonderkündigungsschutz genießt. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall.

Tarifvertraglicher Sonderkündigungsschutz

Mehrere Tarifverträge, insbesondere in der Metallbranche, enthalten Kündigungsbeschränkungen für bestimmte Arbeitnehmer(gruppen). Weit verbreitet ist z.B. der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen hinsichtlich Arbeitnehmern, die ein bestimmtes Lebensalter (z.B. 55 Jahre) erreicht haben und/oder eine bestimmte Betriebszugehörigkeit (z.B. 15 Jahre) aufweisen. Die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer sollen grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB gekündigt werden können.

Die tarifvertraglichen Regelungen enthalten häufig Einschränkungen oder Ausnahmen von einem solchen Kündigungsverbot. Verhaltensbedingte Kündigungen sind vom Verbot häufig nicht erfasst. Teilweise sollen betriebsbedingte Kündigungen auch bei Vorliegen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG oder eines Sozialplans zulässig sein. Andere Tarifverträge lassen wiederum den Ausspruch von Änderungskündigungen zu. Die im Tarifvertrag geregelten Einschränkungen und Ausnahmen sollten daher immer im Blick behalten werden.

Betrieblicher Sonderkündigungsschutz

Kündigungsbeschränkungen können auch Gegenstand betrieblicher Regelungen sein und werden oftmals von Betriebsräten im Rahmen von Sanierungsverhandlungen gefordert. Eine typische Kündigungsbeschränkung ist hier der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen für einen definierten Zeitraum (z.B. für zwei Jahre). Ausnahmen vom betrieblichen Sonderkündigungsschutz und etwaige „Umgehungsmöglichkeiten“ sollten vor Ausspruch einer Kündigung sorgsam geprüft werden.

Gesetzlicher Sonderkündigungsschutz

Neben dem KSchG enthalten zahlreiche Gesetze Regelungen mit Kündigungsbeschränkungen. Aus Arbeitgebersicht sind diese Regelungen oftmals besonders ärgerlich, da sie dem Arbeitgeber u.U. nicht bekannt sind und teilweise extrem hohe Anforderungen an eine Kündigung stellen. Nachstehend ein kurzer Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen:

Mutterschutz

Nach § 17 MuSchG ist eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung oder einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche unzulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist nach § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der schwangeren Frau nicht zu vertretenen Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.

Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss den Kündigungsgrund angeben.

Elternzeit

Arbeitnehmer in Elternzeit genießen nach § 18 BEEG Sonderkündigungsschutz. Der Sonderkündigungsschutz beginnt ab dem Verlangen der Elternzeit, jedoch frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und frühestens vierzehn Wochen vor Beginn der Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes. Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht kündigen, weder ordentlich noch außerordentlich. In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.

Schwerbehinderte / Gleichgestellte

Von großer praktischer Bedeutung ist der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte und Gleichgestellte nach §§ 168 ff SGB IX. Danach bedürfen sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Die §§ 168 ff SGB IX enthalten mehrere Form- und Fristvorschriften, deren Kenntnis und Einhaltung für eine wirksame Kündigung essentiell sind. § 172 SGB IX enthält darüber hinaus für die Praxis wichtige Beispiele, nach denen das Integrationsamt die Zustimmung erteilen soll oder zu erteilen hat, z.B. bei einer Betriebsstilllegung.

Arbeitnehmervertretungen

Nach § 15 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats und einer Jugend- und Auszubildendenvertretung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung ist die Zustimmung des Betriebsrates oder deren gerichtlichen Ersetzung nach § 103 BetrVG erforderlich. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung grundsätzlich innerhalb eines Jahres, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig,

  • 15 Abs. 3 KSchG erweitert den Kündigungsschutz auf Wahlvorstände und Wahlbewerber einer Betriebsratswahl, Abs. 3a auf die Initiatoren einer Betriebsratswahl. Entsprechenden Sonderkündigungsschutz genießt auch die Vertrauensperson der Schwerbehinderten. Nehmen Ersatzmitglieder des Betriebsrates Betriebsratsaufgaben wahr, genießen auch sie – zeitlich beschränkt – Sonderkündigungsschutz.
  • 15 Abs. 4 und 5 KSchG enthalten für den in der Praxis relevanten Fall der Stilllegung des Betriebes bzw. einer Betriebsabteilung Ausnahmen vom Sonderkündigungsschutz.

Datenschutzbeauftragte / Immissionsschutzbeauftragte / sonstige Beauftragte

Der Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte ist in § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG  geregelt. Hiernach ist die ordentliche Kündigung des Datenschutzbeauftragten unzulässig. Die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

Wie der Datenschutzbeauftragte genießt auch der Immissionsschutzbeauftragte besonderen Kündigungsschutz nach § 58 BImschG. Ebenfalls Sonderkündigungsschutz genießen Störabfallbeauftragte, Abfallbeauftragte, Gewässerschutzbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte.

Pflege / Ableistung von Wehr- oder Zivildienst / Gemeindevertreter

Arbeitnehmer, die von der Möglichkeit einer Freistellung für die Pflege von Angehörigen nach dem PflegeZG Gebrauch machen, genießen Sonderkündigungsschutz nach § 5 Abs. 1 PflegeZG.

Sonderkündigungsschutz besteht ferner für Arbeitnehmer während der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst (§ 2 ArbPlSchG; § 78 ZDG).

Schließlich sehen mehrere Gemeindeordnungen einen Sonderkündigungsschutz für Gemeindevertreter vor, so z.B. § 35a Hessische Gemeindeordnung.

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