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Kleines FAQ zum neuen Verbandssanktionsgesetz – Teil 1

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Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat vor kurzem einen Entwurf zur Bekämpfung von Unternehmenskriminalität vorgestellt. Wir stellen in zwei Teilen vor, worum es in diesem Entwurf geht, beantworten die häufigsten Fragen rund um das neue Verbandssanktionsgesetz und zeigen auf, wie sich Unternehmen heute schon für die Gesetzesänderung fit machen können.

Was ist das Ziel des Verbandssanktionsgesetzes?

Das Verbandssanktionsgesetz soll das Unternehmensstrafrecht stärken. Verschärfte Sanktionen sollen eine abschreckende Wirkung erzeugen, Compliance-Maßnahmen in Unternehmen fördern und einen Anreiz setzen, behördliche Verfahren durch interne Untersuchungen zu unterstützen.

Wen betrifft das neue Verbandssanktionsgesetz?

Das geplante Gesetz wird insbesondere für Unternehmen aller Größe, d.h. Startup, 2-Mann-Betrieb, mittelständischem Familienunternehmen und Großunternehmen relevant werden, aber auch öffentlich-rechtliche Personenvereinigungen werden erfasst.

Warum soll es ein Verbandssanktionsgesetz geben?

In vielen unserer europäischen Nachbarstaaten oder auch in den USA gibt es längst ein Unternehmensstrafrecht, im Rahmen dessen hohe Strafen verhängt werden, wenn Unternehmen von strafrechtlich relevantem Verhalten profitieren oder dieses dulden. Die konkreten Unterschiede zeigen sich z.B. bei der Möglichkeit der Verfolgung des Dieselskandals: in Deutschland zahlte der VW-Konzern ca. 2,3 Milliarden Euro an den Fiskus, während in den USA knapp 20 Milliarden Dollar Strafzahlungen fällig wurden.

Neben diesem „finanziellen Aspekt“ hat die gegenwärtige Rechtslage auch noch einige weitere Schwachstellen, die durch das Verbandssanktionsgesetz ausgebügelt werden sollen:

Wie wird Fehlverhalten bisher behandelt?

Bislang werden in Deutschland unternehmensbezogene Straftaten nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) sanktioniert. Der derzeit mögliche Bußgeldrahmen liegt gem. § 30 Abs. 2 OWiG bei bis zu 10 Millionen Euro für vorsätzliche Taten und bis zu 5 Millionen Euro für fahrlässige Taten. Es wird seit langem kritisiert, dass dieser Bußgeldrahmen nicht abschreckend genug ist, um z.B. Großkonzerne in ihre Schranken zu weisen.

Daneben sind gem. § 29a OWiG Gewinnabschöpfungen möglich, d.h. der Staat kann den von dem Unternehmen erwirtschafteten Gewinn aus der Tat herausverlangen. Denn dem Unternehmen sollen aus der Tat keine wirtschaftlichen Vorteile verbleiben. Hierüber kann ein Vielfaches der Bußgeldhöchstgrenze von 10 Millionen Euro abgeschöpft werden.

Im Unterschied zum Strafrecht gilt im Ordnungswidrigkeitenrecht außerdem gem. § 47 OWiG das Opportunitätsprinzip, d.h. es steht im Ermessen der untersuchenden Behörde, ob ein Verfahren weiterverfolgt oder eingestellt wird. Dies ist ein weiterer Hauptkritikpunkt an der bisherigen Handhabung von Verbandstaten. Denn durch die Ermessensausübung kommt es – abhängig von der zuständigen Behörde – zu einer uneinheitlichen und ungleichen Verfolgung von Taten.

Unternehmensinterne Ermittlungen und Compliance Maßnahmen sind den Unternehmen selbst überlassen, es gibt keine Grundlage dafür, dass solche Maßnahmen z.B. bei der Berechnung der Geldbuße positiv zu berücksichtigen sind, oder wie mit im Rahmen solcher Untersuchung erstellter Dokumente umzugehen ist.

Was ist denn nun eine Verbandsstraftat?

Eine Verbandsstraftat soll vorliegen, wenn Pflichten, die den Verband betreffen, verletzt werden oder der Verband durch die Straftat bereichert worden ist oder werden soll.

Relevant werden dürfte dies insbesondere im Steuer-, Umwelt- und Wettbewerbsrecht, aber auch bei anderen Delikten (z.B. Menschenrechtsverletzungen) wäre dies denkbar. Pflichten des Unternehmens liegen insbesondere im präventiven Bereich, um Verbandsstraftaten zu verhindern.

Welche Sanktionen wird es geben?

  • Wie bisher nach dem OWiG, soll für Verbandssanktionen auch eine Höchstgrenze von 10 Millionen Euro für vorsätzliche Taten gelten. Allerdings soll für Unternehmen, die einem Konzern angehören, der einen jährlichen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro hat, eine umsatzbezogene Konzernobergrenze von 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes gelten. Für Fahrlässigkeitstaten liegt die Obergrenze bei 5 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes.
  • Gewinnabschöpfungen sollen weiterhin nach dem OWiG möglich bleiben.
  • Anstelle einer Geldsanktion sollen auch Verwarnungen mit Verbandssanktionsvorbehalt verhängt werden. Diese sind dann relevant, wenn die Ermittlungsbehörden davon ausgehen, dass eine Verwarnung ausreichend ist, um künftige Verbandsstraftaten zu vermeiden, die Verhängung einer Geldsanktion nach der Würdigung aller Umstände entbehrlich ist und die Verteidigung der Rechtsordnung eine solche auch nicht gebietet. Neben der Verwarnung können dann Auflagen und Weisungen erteilt werden, z.B. die Verbesserung unternehmensinterner Compliance-Maßnahmen oder es kann eine sachkundige Stelle eingesetzt werden, die die Compliance-Maßnahmen im Unternehmen überwacht und an das Gericht berichtet. Außerdem können Geldsanktionen vorbehalten bleiben, d.h. bei wiederholter Verbandsstraftat während der „Bewährungszeit“ oder Verstoß gegen Auflagen, können nachträglich Geldsanktionen verhängt werden.
  • Bei der Schädigung einer großen Anzahl von Personen durch die Verbandsstraftat, soll es die Möglichkeit geben, das Unternehmen „an den Pranger“ zu stellen, also öffentlich bekannt zu machen, dass eine Verurteilung zu einer Verbandsstrafe erfolgt ist (sog. „Naming and Shaming“).
  • Als härteste Strafe sieht der Entwurf die Verbandsauflösung vor – hierbei dürfte es sich aber lediglich ein allerletztes Mittel handeln und nicht zum Standardrepertoire der Sanktionen gehören.

Zwischenfazit: Der stark verschärfte Sanktionsrahmen wird unternehmensinterne Compliance-Maßnahmen immer relevanter machen. Daher werden wir im zweiten Teil unseres FAQ neben Fragen, wie z.B., ob nur Taten in Deutschland erfasst werden, insbesondere beantworten, ob sich interne Ermittlungen positiv auf Sanktionen auswirken können und was Unternehmen heute schon tun sollten, um für die kommende Gesetzesänderung gut gerüstet zu sein.

Sandra Fredebeul

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Sandra Fredebeul berät nationale und internationale Unternehmen vorwiegend in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen. Darüber hinaus konzentriert sie sich auf betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
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