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Corona

„Alternative Maßnahmen zur Kurzarbeit in Zeiten von Corona“- Teil 1: „Personalpartnerschaft“

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Kurzarbeit ist während der Corona-Krise eine weit verbreitete Maßnahme zur kurzfristigen Überbrückung von Arbeitsausfall und Finanzengpässen. Allerdings leiden betroffene Mitarbeiter derzeit häufig unter Gehaltseinbußen, Langeweile und Existenzängsten. Arbeitgeber werden durch Kurzarbeitergeld und gegebenenfalls sogar hinsichtlich noch zu leistender Sozialversicherungsbeiträge zwar entlastet. Allerdings müssen sie vorerst gegenüber ihren Mitarbeitern in Vorleistung gehen und sind auf eine nachträgliche Erstattung der tatsächlich geleisteten Zahlungen durch die Bundesagentur für Arbeit angewiesen.

Also sind auch andere kreative Maßnahmen gefragt! Teil 1 unserer Serie „Alternative Maßnahmen zur Kurzarbeit in Zeiten von Corona“ beschäftigt sich mit der …

„Personalpartnerschaft“

Dieses Modell wird bereits teilweise in Schnellrestaurants und Supermarktdiscountern gelebt.

Mitarbeiter einer Restaurantkette, die von den eigenen Restaurant-Schließungen oder dem eingeschränkten Betrieb durch die Corona-Krise betroffen sind und trotzdem ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen wollen, können ab sofort ganz unbürokratisch in Supermarktfilialen des Partnerunternehmens eingesetzt werden: befristet und zu den dort geltenden Konditionen. Der Lebensmittelhandel kann damit der zeitweise erhöhten Nachfrage mit entsprechend erweiterten Ressourcen begegnen und den Beschäftigungsausfall der Restaurantmitarbeiter abfangen. Anschließend können die betroffenen Mitarbeiter wieder zu ihrem ursprünglichen Restaurantarbeitsplatz zurückkehren. Eine „Win-Win“-Situation.

Arbeitnehmerüberlassung

Rechtlich lässt sich eine solche zeitweise Überlassung von Personal über eine Arbeitnehmerüberlassung zwischen zwei unabhängigen Unternehmen umsetzen (alternativ käme eine befristete Neuanstellung beim einsetzenden Unternehmen unter gleichzeitiger Ruhendstellung des bisherigen Arbeitsverhältnisses in Betracht). Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung „verleiht“ das Unternehmen mit zeitweisem Personalüberschuss, das „Entleiher“-Unternehmen stockt vorübergehend auf. Im Regelfall findet bei solchen Konstellationen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) Anwendung. Dieses hat strenge Auflagen und bringt Verwaltungsaufwand mit sich, insbesondere bedarf es grundsätzlich einer Überlassungserlaubnis. Fehlt eine solche Erlaubnis des verleihenden Unternehmens, drohen unter anderem ein dauerhafter Übergang des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses auf das entleihende Unternehmen sowie Sanktionen für beide beteiligten Unternehmen.

Komplizierte Situationen erfordern möglichst einfache Lösungen

Das AÜG macht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den strengen gesetzlichen Anforderungen und der Erlaubnispflicht, dies richtet sich nach § 1 Abs. 3 AÜG. Die vielversprechendste Variante für die breite Masse an Arbeitgebern in der aktuellen Situation bietet § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG:

Eine erlaubnisfreie Überlassung zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Mitarbeiter nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird.

Was heißt das konkret?

Es gibt keinerlei Einschränkungen hinsichtlich Art oder Gesellschaftsstruktur des ver- und entleihenden Unternehmens. Dies unterscheidet sich von § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, der den Sonderfall der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung unter vereinfachten Voraussetzungen regelt. Auch bedarf es keiner zwingenden Tarifbindung der Arbeitgeber. Eine solche beidseitige Tarifbindung mit explizit tarifvertraglich vorgesehener Arbeitnehmerüberlassungsoption innerhalb desselben Wirtschaftszweigs wäre beispielsweise eine der engen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG zur Vermeidung ansonsten drohender Kurzarbeit oder Entlassungen eines bestimmten Ausmaßes.

Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr das Merkmal der „nur gelegentlichen“ Arbeitnehmerüberlassung. Diese Voraussetzung ist aufgrund des Ausnahmecharakters der Regelung bisher sehr restriktiv interpretiert worden, allerdings auslegungsfähig – und aktuell mehr denn je auslegungsbedürftig. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat auf seiner Homepage angesichts der Corona-Pandemie eine entsprechende „Auslegungshilfe“ zu dieser Vorschrift veröffentlicht. Danach soll eine Arbeitnehmerüberlassung nach dieser Regelung derzeit jedenfalls dann ausnahmsweise erlaubnisfrei möglich sein, wenn:

  • das Entleiher-Unternehmen unter akutem Arbeitskräftemangel leidet, dazu zählen aktuell insbesondere die systemrelevanten Bereiche der landwirtschaftlichen Erzeugung und Verarbeitung, Lebensmittellogistik und das Gesundheitswesen,
  • neben dem Ver- und Entleiher-Unternehmen auch der zu überlassende Mitarbeiter der vorübergehenden Überlassung zustimmt,
  • der verleihende Arbeitgeber nicht beabsichtigt, dauerhaft oder regelmäßig als Arbeitnehmerüberlasser tätig zu sein, sondern es sich vielmehr um eine Ausnahme-Maßnahme während der Corona-Krise handelt,
  • und die Überlassung zeitlich auf die aktuelle Krisensituation begrenzt erfolgt.

Um dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geforderten unionsrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz zu entsprechen, sollten die eingesetzten Mitarbeiter den Beschäftigten im Entleihbetrieb gleichgestellt werden, sowohl hinsichtlich der Vergütung als auch der übrigen Arbeitsbedingungen. Lediglich eine Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Tätigkeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, ist weiterhin unzulässig, dürfte derzeit jedoch bereits nicht zu den systemrelevanten Berufen zählen.

„Eignungscheck“

Die dargestellte Überlassungsvariante eignet sich grundsätzlich für alle Arbeitgeber in der derzeitigen Situation – solange sie anlässlich und abgestimmt auf die derzeitige Krisensituation erfolgt.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sieht dieses Vorgehen als Rettungsmaßnahme ausdrücklich vor. Zwar hat die Auslegung eines Bundesministeriums für die Auslegung von Gesetzen gegenüber Gerichten rechtlich keine bindende Wirkung. Allerdings dürfte davon ausgegangen werden, dass aufgrund der besonderen und unvorhergesehenen gesellschaftlichen Situation jede Maßnahme, die zugleich der Sicherung der Grundversorgung der Bürger, der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Unternehmen und der Beschäftigungssicherung von Mitarbeitern dient, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft werden muss – und wird.

Fazit

Das Modell der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne einer „Personalpartnerschaft“ bietet Arbeitgebern eine weitere Handlungsmöglichkeit im Rahmen der aktuellen Corona-Krise: unter Nutzung von Synergieeffekten sowie durch pragmatisches und solidarisches Handeln. Zugunsten des eigenen Unternehmens, als Unterstützung für einen „Personalpartner“ aus dem systemrelevanten Bereich und somit auch als Beitrag zur gesellschaftlichen Krisenbewältigung.

To be continued …

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