Spätestens seit Ostern ist klar: Urlaub auf Balkonien ist nicht jedermanns Sache. Doch während manch ein Arbeitnehmer angesichts fortbestehender Reiserestriktionen seinen bereits genehmigten Urlaub gerne wieder streichen würde, müssen viele Arbeitgeber ihre Betriebe auf das “Ramp-Up” vorbereiten. Dazu gehört auch, dass Urlaubsansprüche nicht erst dann gesammelt erfüllt werden können, wenn es im Herbst (hoffentlich) wieder losgeht.
Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Urlaub in der Krise haben wir nachfolgend für Sie zusammengestellt. Weiterführende Hinweise finden Sie in unserer Blog-Reihe Alternative Maßnahmen zur Kurzarbeit in Zeiten von Corona und unserem Blog Angst vor Coronavirus: Was gilt im Arbeitsverhältnis?.
1. Kann Urlaub einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden („Zwangsurlaub“)?
Ja. Zwar darf der Arbeitgeber den Urlaubszeitraum in der Regel nicht alleine festlegen, sondern muss die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer beachten. Sprechen hiergegen allerdings „dringende betriebliche Belange“, kann der Arbeitgeber ausnahmsweise auch einseitig Urlaub in Form sog. Betriebsferien für den Betrieb oder einzelne Abteilungen anordnen. Massiver Auftragsrückgang oder der Einbruch von Lieferketten dürften unter solch dringende betriebliche Belangen zu fassen sein. Auch drohende Unterbesetzung (im Fall, dass nach der Krise alle Arbeitnehmer gleichzeitig Urlaub nehmen) wurde bislang als dringender betrieblicher Grund anerkannt.
2. Was ist bei der Anordnung von Betriebsferien zu beachten?
Arbeitgeber sollten bei eine Ankündigungsfrist von zumindest 14 Tagen einhalten und darauf achten, dass „Betriebsferien“ nicht den gesamten Jahresurlaub ausmachen dürfen. Das BAG hielt es bislang für ausreichend, wenn noch zwei Fünftel des Urlaubsanspruchs durch den Arbeitnehmer frei genommen werden können. Ist im betroffenen Betrieb ein Betriebsrat gebildet, ist zudem dessen Zustimmung einzuholen. Schließlich könnte hinsichtlich Arbeitnehmern, die nicht (mehr) über ausreichende Urlaubsansprüche verfügen, durch längere Betriebsferien eine „Übererfüllung“ eintreten. Dem kann durch entsprechende Regelungen in Betriebs- oder Individualvereinbarungen begegnet werden.
3. Kann bereits bewilligter Urlaub vom Arbeitgeber einseitig gestrichen werden?
Nein, im Normalfall ist der Arbeitgeber an seine Bewilligung gebunden. Allerdings sind Ausnahmesituationen denkbar, in denen ein Notfall den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers nötig macht und dem Arbeitgeber bei Festhalten am Urlaub unzumutbare Nachteile drohen. In solchen Fällen wurde die Möglichkeit eines „Widerrufs“ von Gerichten bereits vereinzelt diskutiert, die Einzelheiten blieben allerding ungeklärt. Arbeitgeber sollten sich daher vorrangig um eine einvernehmliche Vereinbarungen zur Verlegung des Urlaubs bemühen.
4. Darf der Arbeitnehmer bewilligten Urlaub einseitig widerrufen?
Auch Arbeitnehmer sind an bereits festgelegte Urlaubszeiträume gebunden, ein einseitiger „Widerruf“ ist auch für sie nicht möglich. Das gilt auch dann, wenn geplante Urlaubsreisen in Folge der Reisebeschränkungen nicht angetreten werden können. Will ein Arbeitnehmer seinen bereits bewilligten Urlaub verlegen, ist er auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen. Besonderheiten gelten für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, des Beschäftigungsverbots oder der Elternzeit: Kann bereits bewilligter Urlaub hier nicht genommen werden, verfällt er nicht. Allerdings darf der Arbeitnehmer auch dann den nicht genommenen Urlaub nicht einseitig verlegen, sondern muss ihn neu beantragen.
5. Welche Auswirkung hat die Quarantäne auf den bereits bewilligten Urlaub?
Muss sich ein Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anordnung in häusliche Quarantäne begeben und ist tatsächlich erkrankt, findet für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit eine Anrechnung auf den Jahresurlaub nicht statt (§ 9 BurlG). Der Arbeitnehmer behält daher seinen Urlaubsanspruch. Ist der Arbeitnehmer in der Quarantäne allerdings gesundheitlich weiterhin arbeitsfähig, spricht – trotz fehlender Rechtsprechung hierzu – einiges für den Verbrauch des bereits festgelegten Urlaubs: Ebenso wie Reisebeschränkungen hat der Arbeitgeber auch anderweitig „störende“ Ereignisse (wie eine Quarantäne) im Urlaubszeitraum nicht zu vertreten und muss den Urlaub daher nicht nachgewähren. Vgl. Sie hierzu auch unseren Blogbeitrag Corona Virus – Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz vs. Entgeltfortzahlungspflichten.
6. Wie wirkt sich Kurzarbeit auf den Urlaubsanspruch aus?
Grundsätzlich erwirbt ein Arbeitnehmer auch während der Kurzarbeit Urlaubsansprüche. Allerdings kann der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für die Dauer der Kurzarbeit in dem Umfang zu kürzen, in dem die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers entfällt. Hinsichtlich des Urlaubs ist dann so zu verfahren wie beim Übergang von Vollzeit- zu Teilzeitbeschäftigung. Wird Kurzarbeit „Null″ (= völliger Entfall der Arbeitspflicht) angeordnet, entsteht für deren Dauer überhaupt kein Urlaubsanspruch. Nachdem ungeklärt ist, ob sich Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit automatisch verringern oder eine dahingehende Regelung erforderlich ist, sollten Vereinbarungen über die Kurzarbeit die anteilige Reduzierung oder den Wegfall von Urlaubsansprüchen ausdrücklich vorsehen.
7. Wirkt sich Kurzarbeit auch auf das Urlaubsentgelt aus?
Nein. Grundsätzlich bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem Durchschnittsverdienst des Arbeitnehmers in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn. Dabei bleiben Verdienstkürzungen, die in den letzten 13 Wochen infolge von Kurzarbeit eingetreten sind, außer Betracht (§ 11 Abs. 1 BUrlG). Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts wirkt sich die Kurzarbeit daher nicht negativ aus. Vgl. Sie hierzu auch unseren Blogbeitrag Coronavirus-Pandemie: 8 praktische Tipps zur Umsetzung von Kurzarbeit.
8. Ist der Jahresurlaub vollständig vor Beginn der Kurzarbeit zu gewähren?
Nein. Zwar müssen Arbeitnehmer vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld vorrangig ihren Resturlaub aus 2019 einsetzen. Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr muss jedoch aufgrund der Corona-Pandemie bis zum 31. Dezember 2020 nicht eingebracht werden. Vgl. Sie hierzu auch unseren Blogbeitrag Kurzarbeit: Top 10 Q&As zur Einführung.
9. Kann Urlaub auch während der Kurzarbeit gewährt werden?
Ja. Konsequenterweise entfällt dann aber für diesen Zeitraum die Kurzarbeit und der Arbeitnehmer bezieht kein Kurzarbeitergeld, sondern Urlaubsentgelt in regulärer Höhe. Das Vorrangverhältnis zwischen Urlaub und Kurzarbeit sollte in der Individual- bzw. Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit ausdrücklich geregelt werden. Das gilt insbesondere für den Fall, dass Urlaub bereits vor Anordnung der Kurzarbeit bewilligt wurde und nun in die Kurzarbeits-Phase fällt. Je nachdem, ob man hier der Urlaubsgewährung (Folge: Urlaubsentgelt) oder der Kurzarbeit (Folge: Kurzarbeitergeld) den Vorrang einräumt, tritt ein Verbrauch des Urlaubs ein oder eben nicht. Zumindest bei Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit „Null“ geht nach Rechtsprechung des BAG die Kurzarbeit der Urlaubsgewährung vor, soweit hierzu keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.
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