In Zeiten der Pandemie beklagen viele Unternehmer mangelnde Planungssicherheit. Denkbar komfortabel wäre es in dieser Situation, wenn künftigen und noch ungewissen Maßnahmen mit Hilfe eines allgemein gehaltenen Interessenausgleichs vorsorglich der Weg geebnet werden könnte. Dass dies aber so einfach nicht geht, hat nun die Rechtsprechung entschieden. Wir zeigen, welche Risiken sich hier für Arbeitgeber verbergen und worauf es beim (Rahmen-)Interessenausgleich im Einzelnen ankommt.
Wann liegt ein unwirksamer „Rahmen“interessenausgleich vor?
Ein Rahmeninteressenausgleich war zwar schon nach bisheriger Rechtslage unzulässig und damit unwirksam. Das Arbeitsgericht Köln (Beschluss vom 26. September 2019 – 11 BV 123/19) hat nun aber erstmals vorgegeben, unter welchen Gesichtspunkten die anstehende Maßnahme mindestens konkretisiert sein muss, damit ein zulässiger und wirksamer Interessenausgleich über sie geschlossen werden kann. Diese Entscheidung wurde vom LAG Köln (Beschluss vom 12. Juni 2020 – 7 TaBV 69/19) zweitinstanzlich bestätigt.
Das Arbeitsgericht Köln hatte Ende letzten Jahres über die Wirksamkeit eines Interessenausgleichs im Falle einer Fluggesellschaft zu entscheiden. Dieser enthielt Regelungen für sämtliche Maßnahmen, die im gesamten Unternehmen in den nächsten drei Jahren an allen Standorten möglicherweise vorgenommen werden könnten. Neben dem Zeitraum von drei Jahren hatten die Betriebsparteien lediglich festgehalten, dass ein Personalabbau Folge der Maßnahmen sein sollte. Der Umfang dieses Personalabbaus wurde für das erste Jahr mit „vier bis sieben operativen Einheiten“ und im Übrigen gar nicht beziffert. Letztlich waren also bei Abschluss des Interessenausgleichs weder der Standort noch der genaue Zeitpunkt oder die personellen Auswirkungen der Maßnahmen bekannt.
Dies hat das Arbeitsgericht Köln als nicht ausreichend konkret bemängelt. Es genügt demnach nicht, lediglich einen (groben) zeitlichen Rahmen, in dem etwaige Maßnahmen stattfinden sollen, abzustecken und einen damit verbundenen Personalabbau anzuberaumen. Vielmehr muss der genaue Zeitpunkt der Maßnahme feststehen. Darüber hinaus müssen sich Rückschlüsse auf die konkreten Folgen für das Personal ziehen lassen. Insbesondere die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter muss sich ermitteln lassen. Sie kann nicht durch die Anzahl der betroffenen Einheiten ersetzt werden. Im Zweifel muss also klar sein, um welche Einheiten es im Einzelnen geht und wie viele Mitarbeiter diesen zugeordnet sind.
Keine Auswirkung der Entscheidung auf den Rahmensozialplan
Anders sieht es dagegen beim Sozialplan aus. Dieser wird durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln nicht berührt und ist weiterhin bei noch ungewissen Maßnahmen zulässig. Im Unterschied zum Interessenausgleich geht es beim Sozialplan nämlich um die Festlegung von Ansprüchen der Arbeitnehmer für den Fall, dass sie als Folge einer Betriebsänderung bestimmte Nachteile erleiden. Dafür können die Betriebsparteien schon im Voraus Regelungen treffen und zwar ohne, dass die Betriebsänderung bereits konkrete Formen angenommen haben muss.
Risiken für Arbeitgeber
Dem Arbeitgeber sollte bewusst sein, dass ein unwirksamer Rahmeninteressenausgleich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verbraucht. Er muss sich also darauf einstellen, dass die Interessenvertretung der Arbeitnehmer ggf. zu einem späteren Zeitpunkt – wenn konkrete Maßnahmen in Planung sind – noch einmal auf ihn zukommen wird, um erneut einen Interessenausgleich zu verhandeln.
Häufig bietet es sich an, Interessenausgleich und Sozialplan „in einem Rutsch“ abzuschließen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn ein „normaler“ Sozialplan (nicht Rahmensozialplan!) vereinbart wurde, der sich auf einen unwirksamen Rahmeninteressenausgleich bezieht. In dieser Konstellation verliert auch der (womöglich mühsam verhandelte) Sozialplan seine Wirkung.
Ausblick und Praxistipps
Das Landesarbeitsgericht Köln hat zweitinstanzlich die vorliegende Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt und die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Eine höchstrichterliche Beurteilung dieser Frage ist somit in nächster Zeit nicht zu erwarten.
Auch wenn sich die Frage nach dem „Ob“ und „Wie“ weiterer Maßnahmen oft nur schwer beantworten lässt, sollten Arbeitgeber vorerst sicherstellen, dass die von ihnen angedachte Maßnahme bereits hinreichend konkrete Formen angenommen hat, bevor sie sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich einigen. Insbesondere muss sich die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ermitteln lassen und der genaue Zeitpunkt absehbar sein. Sind mehrere Standorte vorhanden, so muss der Arbeitgeber sich auch darüber im Klaren sein, auf welche Betriebe sich die Maßnahme erstrecken soll. Natürlich können nicht alle Details endgültig feststehen, denn der Betriebsrat hat hierbei schließlich noch ein Mitbestimmungsrecht. Unternehmer sollten aber im Vorfeld für sich schon eine konkrete Entscheidung treffen, die dann unter dem Vorbehalt der Einigung mit dem Betriebsrat steht.
Ist dagegen nicht sicher, ob ein bereits vereinbarter Interessenausgleich möglicherweise einen unzulässigen Rahmeninteressenausgleich darstellt, so sollten Arbeitgeber es vermeiden, in einem noch zu verhandelnden Sozialplan auf diesen Bezug zu nehmen. Stattdessen sollte ein vom Interessenausgleich losgelöster Rahmensozialplan mit dem Betriebsrat abgeschlossen werden. Dieser ist auch in seiner Wirksamkeit nicht vom Interessenausgleich abhängig.
Mit freundlicher Unterstützung von Annika Schotter als Co Autorin und zuarbeitende wissenschaftliche Mitarbeiterin am Standort München.