open search
close
Corona Home Office Interessenausgleich Neueste Beiträge Restrukturierung

Pandemiebedingtes Home Office ist keine Betriebsänderung

Print Friendly, PDF & Email

Im sechsten Corona-Monat befinden sich etwa 25 Prozent aller Arbeitnehmer weiterhin im Home Office. Landesweit arbeiten Unternehmen gleichzeitig an Konzepten, wie sie ihre Belegschaft „sicher“ wieder in die Betriebsstätten holen können. Betriebsräte haben diese Maßnahmen zu dulden und abzuwarten. Sie können vom Arbeitgeber kein „Unterlassen“ der Home Office Situation verlangen – darüber entschied nun zutreffend das Arbeitsgericht Frankfurt. 

Zum Hintergrund

Der Betriebsrat leitete ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen den Arbeitgeber ein, der es „unterlassen“ sollte, Mitarbeiter „ins Home Office zu versetzen“. Hintergrund war die zeitweilige, pandemiebedingte Schließung der überwiegend mit Großraumbüros ausgestatteten Betriebsstätten des Arbeitgebers. Dieser bat seine Mitarbeiter, vorübergehend aus dem Home Office tätig zu werden, bis ein sicheres „Return to Work“ Konzept erarbeitet und aus Arbeitsschutzgesichtspunkten umgesetzt werden kann. Der Betriebsrat verlangte vom Arbeitgeber, die vorübergehende Home Office Tätigkeit als interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung nach §§ 111, 112 BetrVG mit ihm zu verhandeln und erhoffte sich so, ein „Corona-Geld“ als laufende zusätzliche Zahlung für die Mitarbeiter zu erzwingen.

Die Entscheidung: Keine Betriebsänderung bei vorübergehendem Home Office

Nachdem das Begehren nicht zum Erfolg führte, machte der Betriebsrat Unterlassungsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend. Dieser solle „bis zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans“ die Mitarbeiter weiterhin in der Betriebsstätte beschäftigen. Diesen Versuch ließ sowohl die 4. Kammer als auch (in einem Parallelverfahren) die 25. Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt abprallen. Es sei völlig lebensfremd, in der aktuellen Situation von einem Arbeitgeber zu verlangen, seine Beschäftigten im unveränderten „business as usual“ an die Betriebsstätten zurückzuholen. Insbesondere eine Betriebsänderung liege nicht vor:

  • Es handele sich weder um eine „grundlegende Änderung der Regeln zur Ausführung des Arbeitsablaufs oder des technischen Verfahrens bei der Verfolgung des arbeitstechnischen Zwecks“, sondern „lediglich um temporäre Änderungen des Arbeitsortes der Mitarbeiter als Reaktion auf die rechtlichen Vorgaben zum Arbeitnehmerschutz in Bezug auf SARS CoV 2“.
  • Es könne zudem nicht von „wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft ausgegangen werden“, da einer „mit einer temporären Veränderung keine grundlegende, unumkehrbare Änderung erreicht werden“ könne. Notwendig sei „eine Veränderung für eine unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit“.
  • Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beschäftigung der Mitarbeiter im Home Office stehe dem Betriebsrat weder nach § 23 Abs. 3 BetrVG, noch nach § 1004 BGB analog i.V.m. § 1, 87 Abs. 2 BetrVG zu.

Folgen für die Praxis

Die Einschätzung des Gerichts ist richtig. In einer Notstandssituation ist es dem Arbeitgeber gestattet, vorübergehende Änderungen in seinem Betriebsablauf vorzunehmen. Dies muss erstrecht gelten, wenn sich wie in der aktuellen Situation rechtliche Vorgaben zum Arbeitnehmer- und allgemeinen Gesundheitsschutz verschärfen. In diesem Fällen sind Arbeitnehmer schon aus ihrer individualvertraglichen Treuepflicht bis zur Grenze der Zumutbarkeit verpflichtet, ihre Arbeitsleistung vorübergehend auch außerhalb der vereinbarten Betriebsstätte zu erbringen. Dies kann auch ein Betriebsrat weder zwangsweise verhindern noch teuer bezahlen lassen.

Arbeitgeber dürfen deshalb weiterhin ein vorübergehendes Home Office anordnen, soweit dies zum Gesundheitsschutz erforderlich ist. Bei der Erarbeitung und Umsetzung betrieblicher Konzepte über eine „geordnete Rückführung“ ist der Betriebsrat im Rahmen seiner erzwingbaren Mitbestimmung nach dem Katalog des § 87 BetrVG zu beteiligen.

Katja Giese, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht / Attorney-at-Law (NY)
Partnerin
Katja Giese berät Arbeitgeber vor allem in Zusam­men­hang mit inter­na­tio­na­len Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, der anschlie­ßenden Integration und Umstruk­tu­rie­run­gen. Sie verfügt außerdem über umfassende Erfahrungen im inter­na­tio­na­len Projektmanagement. Katja Giese ist zugelassen als Attorney-at-Law (NY) in den Vereinigten Staaten, wo sie Teile ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn verbrachte. Besondere Branchenkenntnis besitzt sie im Technologiesektor.
Verwandte Beiträge
Arbeitsrecht 4.0 Neueste Beiträge Restrukturierung

Home Sweet Home bei Standortschließung – Homeoffice kein milderes Mittel zur Änderungskündigung?

Wenn Unternehmen einen Standort schließen oder Beschäftigte aus anderen Gründen an einem anderen Arbeitsort einsetzen müssen, taucht seit einigen Jahren immer wieder dieselbe Frage auf: Müssen Beschäftigte zur Vermeidung eines Umzugs das Angebot erhalten, zukünftig aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten? Könnte ein mögliches Homeoffice also einer Änderungskündigung zur Änderung des Arbeitsorts entgegenstehen? Was noch vor einigen Jahren angesichts der weit überwiegenden Bürotätigkeit als Problem…
Neueste Beiträge Restrukturierung

Ist die Schwerbehinderten-Vertretung bei Restrukturierungen zu beteiligen?

Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) gilt häufig als die „kleine Schwester“ des Betriebsrats. Doch ist sie im Rahmen von Restrukturierungen auch wie der Betriebsrat zu beteiligen? Nimmt die Schwerbehindertenvertretung an den Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan teil? Welche Unterrichtungs- und Anhörungspflichten bestehen? Wir zeigen, worauf Arbeitgeber achten sollten. Wahl und Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung Sind in einem Betrieb nicht nur vorübergehend wenigstens fünf schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen (nachfolgend…
Neueste Beiträge Restrukturierung

Organisationsänderungen: Doppelte Beteiligung des Betriebsrats?

Folgende Fälle sind Klassiker der Umstrukturierung: Der eine Geschäftsbereich des Unternehmens soll verkleinert, der andere ausgebaut werden. Die zu besetzenden Stellen im auszubauenden Bereich sollen vorrangig den Mitarbeitenden des zu verkleinernden Geschäftsbereichs angeboten werden. Auf diese Weise sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden. Oder auch: Die Unternehmensorganisation soll funktionaler aufgestellt, Synergien sollen geschaffen werden. Dazu werden Abteilungen oder Teams zusammengefasst oder anderen Bereichen zugeordnet. In beiden…
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert