In der aktuellen Krise wächst der Bedarf, erfahrene Berater vorübergehend ins Unternehmen zu holen, um dringende Restrukturierungen oder anstehende Projekte voranzutreiben. Diese zeitlich befristete Übertragung einer Führungsaufgabe auf einen unternehmensfremden Dritten bezeichnet man als Interim Management. Für die vertragliche Gestaltung eines solchen Einsatzes gibt es kaum Vorgaben, aber einige Hürden.
Interim Manager als Allrounder
Interim Manager können für Projektarbeiten außerhalb des laufenden Tagesgeschäfts, aber auch zur Überbrückung kurzfristigen Personal- und Managementbedarfs im laufenden Tagesgeschäft eingesetzt werden. Die wirtschaftliche Bedeutung ist beträchtlich: in Deutschland sind mehr als 10.000 Interim Manager mit Führungserfahrung tätig und sorgen für ein jährliches Honorarvolumen von über zwei Milliarden Euro (Stand Ende 2019). Diese Zahl dürfte sich angesichts der aktuellen Krise und der deshalb stark gestiegenen Nachfrage im Jahr 2020 noch einmal kräftig steigern.
Der Joker in der Krise
Ein großer Vorteil gegenüber der reinen oft nur strategischen Beratung ist, dass Interim Manager Konzepte nicht nur entwerfen, sondern auch im operativen Geschäft umsetzen. Unternehmen holen sich Erfahrung und Wissen einer hochqualifizierten Führungskraft mit spezieller Expertise (z.B. in bestimmten Branchen) ins Haus. Interim Manager setzen oft Führungsaufgaben um, die nicht aus den eigenen Reihen des Unternehmens übernommen werden können oder sollten (z.B. Reorganisation, Digitalisierung). Sie haben eine geringere Hemmschwelle, auch schwierige oder unangenehme Entscheidungen (wie einen Personalabbau) zu treffen und umzusetzen. Nicht zu unterschätzen ist ebenfalls die Unabhängigkeit vom Unternehmen – eine externe Führungskraft kann bestehende Abläufe von außen kommend kritisch hinterfragen.
Geschäftsführer, Berater oder Arbeitnehmerüberlassung?
So wie eine genaue Definition des Interim Managements fehlt, so gibt es auch keine Vorgaben bei der Vertragsgestaltung. Verträge über Interim Management können entweder direkt zwischen Interim Manager und Unternehmen geschlossen werden oder über einen Vermittler. Hier unterscheidet man zwischen holländischem und angelsächsischem Modell, je nachdem ob zwischen Interim Manager und Unternehmen eine direkte Vertragsbeziehung besteht.
Im Grunde kommen folgende vertragliche Gestaltungen der Einsatzform in Betracht:
- Interim Manager als Geschäftsführer
- Beratervertrag
- Vertrag über freie Mitarbeit
- Arbeitnehmerüberlassung
Insbesondere beim Beratervertrag bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten zum Arbeitsvertrag – Kriterien der Rechtsprechung hierfür sind Weisungsgebundenheit, Fremdbestimmtheit und persönliche Abhängigkeit. Für weitere Unsicherheit beim Einsatz als Geschäftsführer sorgt ein Urteil des LSG Berlin-Brandenburg (L 1 KR 405/15), das – dogmatisch falsch – trotz Geschäftsführerstellung eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung annimmt. Wird ein faktisches Arbeitsverhältnis angenommen, führt das zu mehreren Problemen: Unter Umständen müssen Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt und für die Zukunft entrichtet werden, Umsatzsteuer rückabgewickelt und Lohnsteuer nachträglich entrichtet sowie eventuell die Vergütung angepasst werden. Diesen Risiken ist mit einer intelligenten Vertragsgestaltung entgegenzuwirken – allerdings muss auch das gelebte Vertragsverhältnis diesen Anforderungen entsprechen.
Fazit
Der Interim Manager ist Allrounder, Joker in der Krise und Experte für Spezialprojekte. Gerade in der Krise steigt der Bedarf weiter an. Die rechtlichen Einsatzformen sind weitestgehend ausgeschöpft, Rechtsfortbildung ist allerdings weiterhin möglich und mitunter dringend erforderlich (insb. die Berichtigung der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg). Bei allen Einsatzformen ist eine saubere Vertragsgestaltung dringend zu empfehlen, um Risiken bei Abgrenzungsfragen und Haftung zu vermeiden.
Mit freundlicher Unterstützung von unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Fabian Vetter.