Durch das Mitte 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) wurde das Einsichtsrecht des Betriebsrats in Bruttolohn- und -gehaltslisten erweitert. Dieses Recht kann dem Betriebsrat aber nach dem BAG versagt werden. So hat das BAG entschieden (Beschluss vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 6/19), dass dem Betriebsrat ein Einsichts- und Auswertungsrecht von Bruttoentgeltlisten nach dem EntgTranspG nicht zusteht, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach dem EntgTranspG berechtigterweise selbst übernommen hat. Zu dieser Entscheidung liegt bislang allerdings nur die Pressemitteilung vor.
Arbeitgeber können Auskunftsverpflichtung nach EntgTranspG übernehmen
Nach dem EntgTranspG ist der Betriebsrat in das Verfahren zur Prüfung von Entgeltgleichheit von Frauen und Männern durch Beantwortung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten einzubeziehen. Hierfür hat ein von ihm gebildeter Betriebsausschuss oder ein anderer beauftragter Ausschuss das Recht, Bruttoentgeltlisten des Arbeitgebers einzusehen und auszuwerten. Allerdings kann sowohl ein tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber als auch ein nicht tarifgebundener und nicht tarifanwendender Arbeitgeber, die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach dem EntgTranspG generell oder in bestimmten Fällen übernehmen, wenn er dies zuvor gegenüber dem Betriebsrat erläutert hat. Die Übernahme kann jeweils für die Dauer der Amtszeit des amtierenden Betriebsrats erfolgen. Bei Übernahme der Auskunftsverpflichtung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig über eingehende Auskunftsverlangen sowie über seine Antwort informieren.
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Betriebsrat verlangt Überlassung der Entgeltlisten
In dem zugrunde liegenden Fall des BAG hatte die Arbeitgeberin von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Verpflichtung zur Erfüllung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten nach dem EntgTranspG selbst zu übernehmen. Über die eingehenden Anfragen der Arbeitnehmer und die erteilten Auskünfte informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat und gewährte ihm Einsicht in spezifisch aufbereitete Bruttoentgeltlisten. Der Betriebsrat verlangte jedoch, seinem Betriebsausschuss die Bruttoentgeltlisten in bestimmten elektronischen Dateiformaten zu überlassen. Ohne eine physische Überlassung der Listen könne er seinen Pflichten nicht ausreichend nachkommen. Mit Schaffung des EntgTranspG sei ihm die Verpflichtung zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb übertragen worden. Gerade hierfür sei ihm das Recht zuerkannt worden, die Bruttoentgeltlisten auszuwerten.
Vorinstanzen: Keine Überlassung der Entgeltlisten zur Auswertung
Die Vorinstanzen (ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juli 2018 – 11 BV 47/18 und LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 8 TaBV 42/18) haben das Begehren des Betriebsrats abgewiesen. Aus den Bestimmungen des EntgTranspG lasse sich kein Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung von Entgeltlisten – egal in welcher Form – ableiten. Nach dem Wortlaut räume das EntgTranspG dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsausschuss an keiner Stelle einen Überlassungsanspruch ein. Auch das dem Betriebsausschuss gewährte Recht zur Auswertung der Entgeltlisten führe nicht zu einem Überlassungsanspruch. Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei unter „auswerten“ zu verstehen, dass Unterlagen auf ihre Aussagekraft überprüft werden sollen. Hierfür sei nicht notwendig eine unbeschränkte Verfügungsgewalt erforderlich. Vielmehr ließen sich auch aus bloß zu sichtenden Quellen Informationen herauslesen. Auch wenn die effektive Umsetzung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit bei einem bloßen Einsichtsrecht diskutabel sei, hätten die Gerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung zu respektieren und seien hieran gebunden.
BAG: Weder Einsichts- noch Auswertungsrecht
Der Betriebsrat hatte auch vor dem BAG keinen Erfolg. Das BAG wies seine Rechtsbeschwerde zurück. Während die Vorinstanzen sich primär mit der Frage beschäftigten, ob dem Betriebsrat ein physischer Überlassungsanspruch der Bruttoentgeltlisten zustehe, wählte das BAG einen anderen Weg. Nach Auffassung des Ersten Senats stehe dem Betriebsrat im vorliegenden Fall nicht einmal ein Einsichts- und Auswertungsrecht der Bruttoentgeltlisten nach § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG zu. Denn dieses Recht korrespondiere mit der Aufgabe des Betriebsrats nach dem EntgTranspG, individuelle Auskunftsansprüche von Beschäftigten zu beantworten. Wenn der Arbeitgeber aber – wie im vorliegenden Fall – diese Aufgabe berechtigterweise selbst erfülle, treffe den Betriebsrat keine Auskunftsverpflichtung mehr und ihm stehe daher insofern auch kein Einsichts- und Auswertungsrecht der Bruttoentgeltlisten nach dem EntgTranspG mehr zu.
Fazit
Die ergangene Entscheidung des BAG setzt die Regelungen des EntgTranspG konsequent um und ist zu begrüßen. Ungeklärt bleibt allerdings, ob der Betriebsrat einen Anspruch auf physische Überlassung der Bruttoentgeltlisten nach dem EntgTranspG geltend machen kann, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach dem EntgTranspG nicht übernommen hat. Aus der bislang allein vorliegenden Pressemitteilung lassen sich hierzu keine Rückschlüsse ziehen. Allerdings ist die Auslegung des LAG Düsseldorf nicht zu beanstanden, wonach ein Einsichts- und Auswertungsrecht nicht die Überlassung des auszuwertenden Dokuments voraussetzt. Mit der vorliegenden Entscheidung des BAG bietet sich für Arbeitgeber jedenfalls die Möglichkeit, bei Übernahme der Auskunftsverpflichtung nach dem EntgTranspG, die physische Überlassung von Bruttoentgeltlisten an den Betriebsrat abzulehnen.