Wieviel „Leitung“ muss ein „Leitender Angestellter“ tatsächlich innehaben, um seinen Status zu rechtfertigen? Jedenfalls in Bezug auf die Einordnung nach dem BetrVG hat das LAG Köln nun klargestellt, dass auch ein „stellvertretender Leiter“ unter den Begriff fallen kann. Der Betriebsrat ging in dem zu entscheidenden Fall leer aus.
Der Begriff des leitenden Angestellten – ein Dauerbrenner
Ohne gesetzliche Definition ist die Frage, ob ein Angestellter tatsächlich ein leitender Angestellter ist, und wieviel Leitung zur tatsächlichen Leitung benötigt wird, in Bezug auf das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anders zu beantworten als im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Der Gesetzeswortlaut setzt in beiden Fällen voraus, dass ein leitender Angestellter „zur selbständigen Einstellung oder bzw. und Entlassung von Arbeitnehmern“ (§ 14 Abs. 2 S. 1 KSchG, sowie § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG) berufen sein muss.
Im KSchG braucht es jedoch „mehr“, um Angestellte als leitende Angestellte im Rahmen des § 14 KSchG einzuordnen. Leitende Angestellte i.S.d. KSchG sind nur jene, die zusätzlich zur selbständigen Einstellung oder Entlassung im Unternehmen bzw. Betrieb eine ähnlich leitende Funktion wie ein Geschäftsführer oder Betriebsleiter übernehmen. Dadurch wird auf eine „Ähnlichkeit“ der Geschäftsleitung aufgebaut, die in der Praxis weniger Angestellte umfassen dürfte als jene, die den Titel „leitende Angestellte“ tatsächlich tragen. Siehe zu den Abgrenzungsfragen und praktischen Folgen bereits unsere Beiträge „Leitende Angestellte – mehr Schein als Sein?“ und „Leitender Angestellter trotz “Vier-Augen-Prinzip”?“.
Im BetrVG ist die Einordnung des Arbeitnehmers als leitender Angestellter ohne zusätzliche Kriterien etwas leichter möglich. Dennoch führt die saubere Abgrenzung auch in Beschlussverfahren immer wieder zu Streit, wenn es um die Reichweite der Mitbestimmung des Betriebsrats geht.
Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei leitenden Angestellten
Leitende Angestellte gem. § 5 Abs. 3 BetrVG fallen nicht unter die Mitbestimmung des Betriebsrats. Eine Einstellung, Versetzung und Beförderung eines leitenden Angestellten muss dem Betriebsrat deshalb nur mitgeteilt (gem. § 105 BetrVG) werden. Der Betriebsrat muss nicht zu der Maßnahme angehört werden (gem. § 99 BetrVG). Bei einer fehlerhaften Klassifizierung eines Angestellten als leitenden Angestellten, wenn dieser also als solcher behandelt wird aber tatsächlich die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 BetrVG nicht erfüllt und kein leitender Angestellter ist, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, die Maßnahme gem. § 101 BetrVG aufzuheben. Die ohne Betriebsratsbeteiligung erfolgte Einstellung, Versetzung und Beförderung muss aufgehoben werden.
In der Praxis versucht der Betriebsrat hier seinen Machtbereich so groß wie möglich zu halten und argumentiert bei „leitenden Angestellten“ häufig (teilweise sogar gegen das Interesse des Mitarbeiters!), dass der leitende Angestellte kein tatsächlich leitender Angestellter ist.
Die Entscheidung des LAG Köln
So auch vor dem LAG Köln (Beschluss vom 10.10.2019 – 6 TaBV6/19). In der Sache ging es um die Frage, ob der eingestellte stellvertretende Marktleiter (später Marktleiter) eines Supermarkts ein leitender Angestellter ist. Speziell wurde die Frage gestellt, ob die Einstellung und dann erfolgte Beförderung des Angestellten ohne Betriebsratsbeteiligung wirksam war. Daher war die Definition des leitenden Angestellten gem. BetrVG entscheidend.
In dem vom LAG Köln zu entscheidenden Fall wurde jeweils der Betriebsrat gem. § 105 BetrVG informiert; nicht jedoch angehört gem. § 99 BetrVG. Der Betriebsrat war der Ansicht, dass der Angestellte kein tatsächlich leitender Angestellter sei und stellte einen Auflösungsantrag gem. § 101 BetrVG. Die Tatsache, dass in erster Instanz das Gericht dem Antrag des Betriebsrats folgte, und erst das LAG Köln in seinem Beschluss vom 10.10.2019 die Stellung des Arbeitnehmers als leitenden Angestellten klarstellte, zeigt wie viel Spielraum in der Frage der Zuordnung der Begrifflichkeit leitender Angestellter existiert.
Das LAG Köln stellte jedoch klar, dass es sogar ausreicht, wenn die Befugnis zur selbstständigen Entlassung und Einstellung dem leitenden Angestellten auch nur für einen Betriebsteil erteilt worden ist. Auch ist es möglich, dass der „Leiter“ und „stellvertretende Leiter“ eines Supermarkts – wenn sie beide die Befugnis zur Einstellung und Entlassung haben – beide als leitende Angestellte gelten.
Fazit
Die Mitbestimmung des Betriebsrats ist auf nicht-leitende Angestellte beschränkt. Auch wenn der Streit um den „richtigen Status“ bis auf weiteres ein Dauerbrenner der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung bleiben wird, sorgt das LAG Köln jedenfalls für etwas mehr Klarheit in Bezug auf „stellvertretende“ Leiter im Verständnis des BetrVG.
Die Rechtsprechung grenzt den Begriff des leitenden Angestellten im BetrVG weiter von dem Begriff im KSchG ab.
Der Status als Leitender Angestellter auch im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ist für Arbeitgeber schließlich immer dann interessant, wenn ein möglicher Auflösungsantrag gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG im Raum steht. Auf diesem Weg kann eine Trennung im wesentlichen ohne Begründung erreicht werden. Entsprechend höher sind die Anforderungen im KSchG.