Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 10.8.2020 neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln („Arbeitsschutzregel“) bekanntgegeben. Die Arbeitsschutzregel ergänzt den bereits im April veröffentlichten SARS – CoV2 Arbeitsschutzstandard („Arbeitsschutzstandard“, vgl. hierzu den Beitrag von Ferdinand Gross in unserem Blog vom 17.4.2020). Zweck der neuen Arbeitsschutzregel ist es, den Unternehmen einen „Stand der Technik“ an die Hand zu geben: Wenn die Unternehmen die in der Arbeitsschutzregel vorgeschlagenen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen umsetzen, können sie davon ausgehen, dass sie rechtssicher handeln.
Inhalt der Arbeitsschutzregel des BMAS
Das Papier hat eine Länge von 23 Seiten und gliedert sich gewissermaßen in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil. Der erste, allgemeine Teil beschreibt den Anwendungsbereich, gibt Begriffsbestimmungen und weist auf die Verpflichtung des Arbeitgebers hin, die bestehende Gefährdungsbeurteilung und die bestehenden Arbeitsschutzmaßnahmen vor dem Hintergrund der Epidemie und der Bekanntmachung des Arbeitsschutzstandards des BMAS vom 16.4.2020 zu prüfen und ggf. zu aktualisieren.
Ebenfalls in den allgemeinen Teil zählen vierzehn im Einzelnen beschriebene Schutzmaßnahmen, von denen im Folgenden einige vertieft beschrieben werden sollen:
- Die Arbeitsschutzregel verweist auch weiterhin auf den Mindestabstand von 1,5 m zwischen zwei Personen. Dieser Abstand kann eingehalten werden durch Änderungen des Mobiliars, inklusive Abtrennungen, sowie durch die Nutzung weiterer, geeigneter Räume. Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass sog. Kurzzeitkontakte hiervon ausgenommen sind. In den Begriffsbestimmungen ist ein Kurzzeitkontakt beschrieben als Kontakte zwischen zwei Personen von Angesicht zu Angesicht, die in der Summe weniger als 15 Minuten andauern. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand und den Hinweisen des Robert-Koch-Institut ist bei derartigen Kurzzeitkontakten nur von geringen Infektionsrisiken auszugehen. (4.2.1 Arbeitsplatz Gestaltung)
- Die Arbeitsschutzregel enthält aktualisierte Hinweise zum ordnungsgemäßen Lüften der Arbeitsräume. Ausgangspunkt hierfür ist der jetzige Stand der Erkenntnisse, wonach verstärktes Lüften die Konzentration von virenbelasteten Aerosolen in der Raumluft verringern kann. Die Arbeitsschutzregel enthält den hilfreichen Hinweis, dass die Überprüfung der Qualität der Lüftung indirekt dadurch erfolgen kann, dass die CO2-Konzentration in der verbrauchten Luft gemessen wird. Das ist günstiger und weniger kompliziert als die Aerosolkonzentration in der Luft zu messen. Erst vor wenigen Tagen war hierzu eine Studie des Umweltbundesamtes vom 12.8.2020 erschienen: Der sonst übliche Wert für die CO2 Konzentration von bis zu 1000 ppm (parts per million) ist dabei in Epidemie-Zeiten wenn möglich noch zu unterschreiten. (4.2.3 Lüftung)
- Im Hinblick auf Dienstreisen gilt weiterhin, dass diese auf das für die Arbeitserfüllung notwendige Maß zu begrenzen sind. Bei der gemeinsamen Nutzung von Fahrzeugen ist der Mindestabstand einzuhalten und die Personenzahl entsprechend zu begrenzen. Wo das nicht möglich ist, sind Abtrennungen zu installieren oder Mund/ Nasenbedeckungen zu tragen. Auch bei Besprechungen ist die Abstandsregel von 1,5 m zwischen zwei Personen einzuhalten, gegebenenfalls durch eine geringere Belegung der Besprechungsräume. Es wird auch im Zusammenhang mit Besprechungen erneut auf die Vorgaben zum Lüftungsverhalten verwiesen. (4.2.5 Dienstreisen und Besprechungen)
- Eine weitere allgemeine Regel gibt vor, dass Arbeitsmittel und Arbeitswerkzeuge nach Möglichkeit stets nur von einer Person verwendet werden sollen, um Schmierinfektionen zu verhindern. Soweit dies nicht möglich ist, sind sämtliche Arbeitsmittel vor dem Weiterreichen mit handelsüblichen Haushaltsreiniger zu reinigen. Das gilt insbesondere für Oberflächen, bei denen eine Schmierinfektion möglich oder denkbar ist, wie zum Beispiel Tischplatten, IT Geräte, Telefonhörer, Lenkräder sowie Werkzeuge. Eine Desinfektion der Flächen anstelle der Verwendung von handelsüblichem Haushaltsreiniger wird ausdrücklich nicht als erforderlich angesehen. (4.2.7. Arbeitsmittel/Werkzeuge)
Neben diesen und weiteren allgemeinen Regeln enthält der „Besonderer Teil“ der Arbeitsschutzregel (S. 18 bis 22) konkrete Vorgaben für Schutzmaßnahmen auf Baustellen, in der Land– und Forstwirtschaft, bei Lieferdiensten und Transportfahrten und dem öffentlichen Verkehr sowie schließlich für Unterkünfte von Arbeitskräften.
Weitere Praxistipps
Zu beachten sind bei der Einführung und Änderung von corona-bezogenen Verhaltensregeln natürlich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Zu beachten ist hierbei aber auch, dass die Bitte des Arbeitgebers an die Belegschaft, corona-bedingt vorübergehend im Home Office zu arbeiten, keine Betriebsänderung i. S. v. §§ 111 ff. BetrVG darstellt. Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte jüngst Anlass, diese Frage entscheiden zu müssen (vgl. hierzu den Blog-Beitrag von Katja Giese vom 7.7.2020).