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Anspruch auf Homeoffice in der Pandemie

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In Zeiten von Pandemien, wie aktuell der Covid-19 Pandemie, sollte der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter oberste Priorität haben. Die meisten Unternehmen schickten im Rahmen der „ersten Welle“ im Frühjahr 2020 ihre Mitarbeiter ins Homeoffice. Als die Infektionszahlen im Sommer sanken, kehrten viele zum Präsenzbetrieb zurück. Nun ist aufgrund der steigenden Infektionszahlen die „zweite Welle“ omnipräsent. Was ist nun, wenn das Unternehmen den Präsenzbetrieb aufrechterhalten, ein Mitarbeiter aber lieber im Homeoffice arbeiten möchte? Kann ein Mitarbeiter dies ohne weiteres verlangen? Nein, sagt das Arbeitsgericht Augsburg.

Wir zeigen im Einzelnen, was Arbeitgeber auf Basis dieses Urteils beachten sollten.

Hintergrund

Erstmals stellt ein Arbeitsgericht fest, dass es keinen allgemeinen Anspruch auf Homeoffice oder ein Einzelbüro gibt. Hintergrund war die Klage eines 63-jährigen Arbeitnehmers, der sein Büro mit einer Kollegin teilt. Er hat im einstweiligen Rechtsschutz und im Klagewege das Ziel verfolgt, im Homeoffice oder jedenfalls in einem Einzelbüro arbeiten zu dürfen, solange für ihn das Risiko einer Sars-CoV-2 Infektion besteht. Dazu legte er ein ärztliches Attest vor.

Grundsatz: Arbeitgeber bestimmt den Arbeitsort

Das Arbeitsgericht Augsburg (Urteil vom 07. Mai 2020 – 3 Ga 9/20) verneinte den Anspruch des Arbeitnehmers. Ein solcher ergab sich im zugrundeliegenden Fall weder aus Vertrag noch aus Gesetz. Grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber nach billigem Ermessen durch Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts, wo der Arbeitsort des Arbeitnehmers ist. Für einen Anspruch auf Homeoffice führte der Kläger § 618 BGB als gesetzlichen Anknüpfungspunkt an. Die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebiete es, die Tätigkeit im Homeoffice zu ermöglichen. Dies sah das Gericht anders. § 618 BGB regele nur das „Ob“ der Fürsorgepflicht, nicht das „Wie“. Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Demnach sei der Arbeitgeber nur dazu verpflichtet, dass er Schutzmaßnahmen trifft, nicht hingegen, welche Schutzmaßnahmen er trifft. Der Arbeitgeber habe bei Umsetzung der Schutzmaßnahmen einen Spielraum. Es obliege dem Arbeitgeber, zu entscheiden, wie er die Büroräume, Vorrichtungen und Gerätschaften einrichtet, sodass keine Infektionsgefahren bestehen. Das Arbeitsgericht stellt klar, dass es auch andere Möglichkeiten neben dem Homeoffice oder dem Einzelbüro gibt, den Gesundheitsschutz des Arbeitsnehmers sicherzustellen. Dies kann beispielswiese durch Einhaltung von Abstandsregeln, Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder regelmäßiger Desinfektion der Arbeitsgeräte erreicht werden.

Nicht im Urteil thematisiert wurde, ob sich ein Anspruch auf Homeoffice aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB ergeben kann. Das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers dürfte keine andere Möglichkeit zulassen, als den Arbeitnehmer in das Homeoffice zu schicken. Dies ist auf seltene Ausnahmefälle beschränkt. Voraussetzung wäre ein unüberwindbares Leistungshindernis, welches auch in der Person des Arbeitnehmers liegen kann. Der Arbeitnehmer müsste nicht mehr in der Lage sein, die vom Arbeitgeber näher bestimmte Arbeitsleistung außerhalb des Homeoffice zu erbringen. Die Sorge, sich auf dem Arbeitsweg anzustecken, genügt nicht. Der Arbeitnehmer trägt regelmäßig das Wegerisiko. Auch die Befürchtung, sich bei einem Kollegen im Betrieb anzustecken, führt – soweit der Arbeitgeber ein Hygienekonzept hat – nicht zu einem unüberwindbaren Leistungshindernis und wirkt damit nicht anspruchsbegründend.

Ausblick und Praxistipps

Es bleibt abzuwarten, wie das Landesarbeitsgericht München den Fall beurteilt. Die Entscheidung ist dort unter dem Aktenzeichen 5 SaGa 14/20 anhängig. Bis auf weiteres ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, die Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, solange der Arbeitgeber die Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beachtet.

Gleichwohl ist es ratsam, mit den Mitarbeitern eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Dies kann beispielsweise durch Betriebsvereinbarung oder Individualvereinbarung geschehen. Viele Betriebe haben ihre Regelungen für Homeoffice und Telearbeit bereits erheblich ausgeweitet. Die Resonanz der Mitarbeiter ist überwiegend positiv.

Schließlich hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angekündigt, ein allgemeines Recht auf Homeoffice noch in dieser Wahlperiode gesetzlich zu verankern. Ein Gesetzesentwurf soll bereits im Herbst vorliegen.

Anabel Weinzierl

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Anabel Weinzierl berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei in der laufenden Mandatsbetreuung sowie in der Beratung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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