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Neue Möglichkeiten für Gewerkschaftskommunikation in Zeiten von mobiler Arbeit?

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Es ist ein bekanntes Bild: Vor den Toren eines Betriebs stehen Menschen in Warnwesten unter einem bunten Zelt und verteilen Zettel. Auf diesen Flyern werden die Vorteile einer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft dargelegt. Doch was passiert, wenn die Betriebe dank Home Office und mobilem Arbeiten leer bleiben? Wie können Gewerkschaften in solchen Zeiten noch auf sich aufmerksam machen? 

Wir bewerten die Möglichkeiten einer Gewerkschaft, auf die technischen Einrichtungen des Arbeitgebers im Betrieb zurückzugreifen. 

Was darf die Gewerkschaft?

Gewerkschaften haben ein verfassungsrechtlich geschütztes Betätigungsrecht, welches ihnen die Werbung im und um den Betrieb sowie den Kontakt zu ihren Mitgliedern über die Einrichtungen des Arbeitgebers zusichert. Dabei darf die Kommunikation nur soweit gehen, dass sie den Arbeitsablauf im Betrieb nur unerheblich beeinträchtigt. In Bezug auf digitale Kommunikationswege ist eine solche Beeinträchtigung jedoch nicht auszuschließen und die widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers, sein Eigentum und seine Betriebsmittel frei einzusetzen, sind der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft gegenüber zu stellen und in jedem Einzelfall abzuwägen. Die Rechtsprechung des BAG setzt die Hürden für Arbeitgeber jedoch sehr hoch, um eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen, sodass Arbeitgeber sich hier häufig einer erhöhten Darlegungslast ausgesetzt sehen werden.

Die mittlerweile gängige Praxis, dass E-Mails an die dienstliche Adresse zulässig sind, ist aber jedenfalls unter Datenschutzaspekten äußerst fraglich. Ebenso ungeklärt ist, ob sich Arbeitgeber diesen E-Mails mit Spam-Filtern erwehren dürfen.

1. Grundsätzliches aus der analogen Welt

Es gehört zu den in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Betätigungsrechten einer Gewerkschaft, aktiv um neue Mitglieder zu werben und bestehenden Mitgliedern Informationen zukommen zu lassen. So dürfen Gewerkschaften zum Beispiel Informationsmittel verteilen, Plakate am schwarzen Brett aufhängen und Gewerkschaftszeitung verteilen.

Dieser weite Spielraum ist jedoch mit den Eigentumsgrundrechten des Arbeitgebers nach den Art. 13, 14 Abs. 1 GG in Einklang zu bringen. So hat die Gewerkschaft ihre Tätigkeiten im Betrieb so auszuüben, dass mit ihr eine möglichst geringe Störung des Arbeitsablaufs einhergeht. Sie hat ihre Werbung vor oder nach der Arbeitszeit beziehungsweise während Pausen zu verteilen und hat bei jeglichen Maßnahmen das betriebsverfassungsrechtliche Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) mit dem Arbeitgeber zu achten und darf den Betriebsfrieden nicht gefährden. Verstößt eine Gewerkschaft gegen diese Einschränkungen, so kann der Arbeitgeber nach § 1004 BGB Beseitigung und Unterlassen verlangen und sich Störungen seines Arbeitgeberbesitzes nach § 859 Abs. 1 BGB erwehren.

In der Praxis hat sich mittlerweile eingespielt, welche analogen Maßnahmen von Gewerkschaften zulässig sind und welche den Arbeitsablauf ungebührend beeinträchtigen. Doch seit einigen Jahren versuchen Gewerkschaften über immer neue Wege digital Kontakt aufzunehmen. Demzufolge stellt sich die Frage, wie der Einsatz neuer Technologien sich in die Balance zwischen Koalitionsfreiheit und Eigentum des Arbeitgebers einreiht. 

2. Bisherige Rechtsprechung

Grundsätzlich müssen natürlich auch bei digitalen Kommunikationswegen die dargelegten Prinzipien eingehalten werden. Seit einer wegweisenden Entscheidung des BAG vom 20.1.2009 (1 AZR 515/08), gelten E-Mails als ein zulässiges Kontaktmittel für Gewerkschaften, sofern sie nicht eine besonders gravierende Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs mit sich bringen.

3. Zulässigkeit digitaler Kommunikation

Auf der Grundlage dieses BAG-Urteils könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass den Gewerkschaften beinahe jeder digitale Kontaktweg offen steht. Doch selbst die gewerkschaftsfreundliche Rechtsprechung des BAG muss anerkennen, dass die konkreten Modalitäten digitaler Gewerkschaftskommunikation die Belange des Arbeitgebers unverhältnismäßig beeinträchtigen können.

So musste das BAG in einer Entscheidung vom 15.10.2013 (1 ABR 31/12) eingestehen, dass ein Streikaufruf über dienstliche E-Mail Accounts einen nicht hinzunehmenden Eingriff in das Recht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG des Arbeitgebers darstellt.

Die Forderung von Gewerkschaften eine eigene Rubrik im Intranet des Unternehmens eingerichtet zu bekommen, wurde gerichtlich noch nicht entschieden. Doch lassen sich einige überzeugende Argumente gegen seine solche Gewährung anführen. So müssten der Gewerkschaft Administratorrechte eingeräumt werden, um ihre Rubrik aktuell halten zu können. Dies stellt jedoch nur ein IT-Sicherheitsrisiko dar, welches nur mit erheblichem Personal- und Kostenaufwand seitens des Arbeitgebers zu minimieren wäre. Bei einem solchen Aufwand kann die Abwägung der gegenüberstehenden Interessen nicht mehr zugunsten der Betätigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ausfallen, da der Gewerkschaft eine Vielzahl an anderen Möglichkeiten offensteht, sich mit ihren Mitgliedern auszutauschen, ohne dabei das Eigentum des Arbeitgebers zu tangieren.

Darüber hinaus können Arbeitnehmer meistens auf das Intranet nur während ihrer Arbeitszeiten zugreifen und für das Studieren der Informationen Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Anders als bei einem Aushang am analogen schwarzen Brett, würde das Zugestehen einer eigenen Rubrik im Intranet den Weg zu einer unbegrenzten Informationsflut öffnen. In einer digitalen Gewerkschaftsrubrik können viel mehr Themen in einer viel größeren Breite dargelegt werden und die Arbeit für mehr als nur einige wenige Minuten unterbrechen. Eine solch ausgedehnte Unterbrechung hat der Arbeitgeber nicht zu dulden.

Dementsprechend kann dann auch das Bereitstellen einer Sprechstunde, über die seit Corona allgegenwärtigen Videokonferenzplattformen, nur außerhalb der Arbeitszeiten erfolgen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber der Gewerkschaft einen Zugang zu den Plattformen stellen muss. Ein Anspruch auf Teilnahme an jedweder betrieblichen Kommunikationsform steht der Gewerkschaft schließlich nicht zu.

4. Datenschutz

Wie bei allen Themen, die einen Bezug zur digitalen Welt haben, spielt auch hier der Datenschutz eine entscheidende Rolle. Der Arbeitnehmer vertraut dem Arbeitgeber zu Beginn des Arbeitsverhältnisses sehr sensible Daten an, die dieser dann gewissenhaft zu verwalten hat. Ohne die ausdrückliche Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer darf der Arbeitgeber diese Daten nicht weitergeben (Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO. Warum eine Gewerkschaft von diesem Verbot der unberechtigten Weiterverarbeitung auszunehmen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei jeder technischen Zugangsmöglichkeit, die er einer Gewerkschaft bietet, sehr genau auf die Daten seiner Arbeitnehmer achten und kann der Gewerkschaft unter Umständen auch den Zugang zu technischen Einrichtungen verweigern, wenn die Gefahr einer unbefugten Preisgabe besteht.

Dies kann auch für den Versand von E-Mails gelten. Bei der Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2009 gab es die DS-GVO noch gar nicht, sodass das Urteil zumindest in Bezug auf seine datenschutzrechtlichen Ausführungen neu überprüft werden muss. Schließlich enthalten bereits dienstliche E-Mail Adressen den Vollnamen des Arbeitnehmers und geben somit personenbezogene Daten frei. Die Gewerkschaft kann somit nicht vom Arbeitgeber eine Liste aller E-Mail Adressen verlangen.

Auch aus Arbeitnehmersicht bestehen datenschutzrechtliche Bedenken. E-Mails, die sich an einen Verteiler wie alle@betrieb.de wenden, wird sich der Arbeitnehmer nicht erwehren können. Wenn die Gewerkschaft jedoch die individuelle Adresse verwendet, können dem Arbeitnehmer Löschungsanspruche aus Art. 17 DS-GVO, sowie Unterlassungsansprüche zustehen. Mangels Aktivlegitimierung kann sich auf diese Ansprüche jedoch nur der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber berufen.

Mit freundlicher Unterstützung von Lorenz Schuwerack, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Standort Hamburg.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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