„Sport frei!“ heißt ein alter Sportlergruß. Doch auch der Berufssportbereich erfährt durch die Corona-Pandemie zahlreiche Einschränkungen. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Hygienekonzepte und Geisterspiele sind dabei nicht die einzigen Auswirkungen, mit denen sowohl Profisportler als auch Vereine, Sportverbände und Sponsoren derzeit zu kämpfen haben. Ganz aktuell werden die Besonderheiten des „Lockdown light“, der seit dem 2.11.2020 in Deutschland gilt, vor dem Hintergrund diskutiert, dass der Freizeit- und Amateursport stillgelegt wird und im Profibereich (auch im Fußball wieder) ohne Zuschauer gespielt werden soll. Etwa für die 3. Handball-Liga und die Fußball-Regionalliga stellt sich nun die Frage, ob sie als Profiliga eingestuft werden. Wird keine Klärung auf politischer Ebene erzielt, werden sich die Gerichte mit dieser Fragestellung befassen müssen. Die Pandemie hat aber noch weitere spezifisch arbeitsrechtliche Besonderheiten im Kontext des Profisports hervorgebracht. Dieser Beitrag greift einige Aspekte auf:
1. Die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze gelten auch im Sport
Während des ersten Lockdowns sind im gesamten Sportbereich Spiele und Wettkämpfe ausgefallen. Mit dem nunmehrigen Teil-Lockdown wird – jedenfalls derzeit noch – zumindest der Profisportbetrieb fortgesetzt. Im Rahmen der Durchführung der Arbeitsverhältnisse mit den Sportlern gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze. Die Vereine als Arbeitgeber tragen das Risiko des Betriebsausfalls (§ 615 S. 3 BGB). Bei einer Aussetzung der Saison sind sie gegenüber den Sportlern zur Zahlung der (Grund-)Vergütung verpflichtet. Zusätzliche leistungsbezogene Prämien, die z. B. an den tatsächlichen Einsatz im Spielbetrieb gekoppelt sind, entstehen beim Ruhen der Saison regelmäßig nicht. Mangels Eintritts des vereinbarten Erfolgs besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Zahlung der variablen Vergütungsbestandteile.
Zudem kann auch für Profisportler Kurzarbeit nach Maßgabe der §§ 95 ff. SGB III eingeführt werden. Einseitig jedoch nur, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Tarif- oder des Arbeitsvertrages oder durch eine Betriebsvereinbarung dazu berechtigt ist. Andernfalls bleibt nur eine einvernehmliche Vertragsergänzung. Durch die erheblichen Lohneinbußen, die ein Profisportler beim Bezug des Kurzarbeitergeldes erleidet, wird ein Einvernehmen selten erzielt werden können. Es bleibt allein die Einführung von Kurzarbeit mittels (außerordentlicher) befristeter Änderungskündigung unter Wahrung einer angemessenen Ankündigungsfrist. Daneben verbleiben jedoch die weiteren Mechanismen, insbesondere eine einvernehmliche Vereinbarung zur Stundung der Vergütung oder ein teilweiser Gehaltsverzicht.
Hat sich ein Sportler infiziert oder muss aus anderen Gründen in Quarantäne, gelten die gleichen Maßstäbe bezogen auf die Pflicht zur Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG, § 616 BGB oder § 56 Abs. 1 und Abs. 5 IfSG wie für jeden anderen Arbeitnehmer.
2. Verhaltenspflichten im Privatbereich: Der Fall Joshiko Saibou
Arbeitgeber können im Rahmen des Direktionsrechts nach § 106 GewO bestimmen, wie sich Arbeitnehmer im Betrieb zu verhalten haben. In der Freizeit sind Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre private Lebensführung an den Interessen des Arbeitgebers auszurichten. Es gilt das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Kurz: Was ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit macht, ist schlicht seine Sache. Eine Ausnahme wird in ständiger Rechtsprechung lediglich dann gemacht, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis hat bzw. Schäden für den Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer mit sich bringt. Dann kann im Einzelfall auch die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB verletzt sein und ein Recht zur Abmahnung oder Kündigung bestehen. In der Praxis relevant sind meist rechtsextremistische Äußerungen in den sozialen Medien, die unmittelbar mit dem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden können und durch die dieser einen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit fürchten muss.
Aktuell hat das Arbeitsgericht Bonn (Az.: 2 Ca 1671/20) den Fall der außerordentlichen Kündigung des Basketball-Profis Joshiko Saibou zu bewerten. Er war von seinem Verein, den Telekom Baskets Bonn, mit Schreiben vom 3.8.2020 fristlos gekündigt worden, weil er während der Teilnahme an einer Anti-Corona-Demonstration in Berlin unter Verletzung der Hygieneregeln keinen Mund-Nasen-Schutz trug. Die Arbeitgeberin befürchtete durch das außerdienstliche Verhalten ein Infektionsrisiko sowohl für die übrigen Arbeitnehmer als auch für die Mitspieler der gegnerischen Teams, und sah darin einen auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlenden Pflichtverstoß. Sofern der Rechtsstreit nicht durch einen Vergleich der Parteien beendet wird, entscheidet das Arbeitsgericht am 11.11.2020 über die Wirksamkeit dieser Kündigung. Hierbei wird es auch die Besonderheiten des Profisports zu berücksichtigen haben, wo der persönlichen Leistungserbringung regelmäßig ein besonders hoher Stellenwert beizumessen ist und infektionsbedingte Ausfälle einen erheblichen finanziellen Schaden bringen. Doch in die Abwägungsentscheidung wird auch einzustellen sein, dass zum Zeitpunkt der Corona-Demo kein Trainingsbetrieb stattfand.
3. Was gilt, wenn der Arbeitsvertrag beendet ist, aber die Saison verlängert wurde?
Häufig werden im Bereich des Mannschaftssports die Arbeitsverträge mit Profisportlern für die Dauer einer Saison befristet. Bei einer Aussetzung der Saison wird das Ende des laufenden Spielbetriebes nach hinten verschoben. Doch bis dahin stehen die Spieler oft nicht mehr bei ihrem Verein unter Vertrag, da die Spielerverträge infolge der vereinbarten (Zeit-)Befristung vorher enden. Der Spieler hat unter Umständen sogar bereits einen Anschlussvertrag beim neuen Verein. Eine ordnungsgemäße Beendigung der Saison ist gefährdet. Mehr Rechtssicherheit bieten hier Zweckbefristungen (oder Kombinationen aus Zweck- und Zeitbefristung), die die Vertragslaufzeit bis zum „Ende der Saison“ (oder mit ähnlichen Formulierungen) bestimmen. Auch bei einer Saisonverlängerung wird der Arbeitsvertrag dann wohl so auszulegen sein, dass dieser erst mit Ablauf des Tages des letzten Pflichtspiels der Mannschaft endet. Wird hingegen eine eindeutige Zeitangabe für die Laufzeit des Vertrags verwendet, muss im Einzelfall betrachtet werden, ob eine ergänzende Vertragsauslegung nach dem Willen der Parteien möglich ist oder man etwa auf die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB zurückgreifen kann, um eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum tatsächlichen Ende der Saison zu begründen. Weiter stellt sich dann aber die Frage, wie ein etwaiger Neuvertrag beim anderen Verein zu behandeln ist. Der rechtliche Beginn des Neuvertrages dürfte nicht von der wirksamen Beendigung des Altvertrages abhängen. Praktisch werden aber beide Vertragsverhältnisse auch nicht im Rahmen einer Haupt- und Nebentätigkeit nebeneinander bestehen können. Auch hier könnte im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung oder nach § 313 BGB der Neuvertrag zunächst auszusetzen sein. Rechtlich geklärt ist diese Problematik bisher jedoch noch nicht. Daher empfiehlt sich, durch einvernehmliche Vertragsergänzungsvereinbarungen angemessene Lösungen zu finden.
4. Fazit
Die Corona-Pandemie stellt alle Wirtschaftszweige vor extreme Herausforderungen und macht auch vor dem Sport nicht Halt. Neben den Spielern und Vereinen sind von den Einschränkungen im Sportbereich auch die Verbände, Sponsoren und Veranstaltungsdienstleister betroffen. Bis die gesamte deutsche Wirtschaft wieder zum „regulären Spielbetrieb“ zurückkehren kann, wird es sicher noch einige Zeit brauchen. Bis dahin sind Corona-Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse zwischen Vereinen und Sportlern nach den allgemeinen Grundsätzen zu lösen, wobei Besonderheiten des Profisports durchaus zu berücksichtigen sind. Konkrete Handlungsempfehlungen können vielleicht schon am 11.11.2020 dem Urteil des Arbeitsgerichts Bonn entnommen werden. Sollte es zu einem Urteil kommen, werden wir hier darüber weiter berichten.