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Maskenpflicht im Betrieb – ein Fall für den Betriebsrat?

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Vorgestern wurde die Maskenpflicht am Arbeitsplatz weiter verschärft. Also gleich Maskenpflicht für alle und überall im Betrieb? Einfach gesagt ist jedoch nicht einfach getan. Denn was praktisch als beste, weil sicherste Maßnahme erscheint, ist rechtlich oft nicht so einfach umzusetzen. So auch hier – der Betriebsrat hat ein „Wörtchen“ mitzureden.

Umsetzungspflicht der Arbeitgeber…

Trotz der Beschlussvorlage des BMAS vom 20.1.2020 (mehr dazu hier), welche die Home Office Nutzung verbindlicher als vorher ausgestaltet, wird es weiter zahlreiche Betriebe geben, deren Mitarbeiter jeden Tag am betrieblichen Arbeitsplatz erscheinen müssen. Dort wird die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung deutlich verschärft. Auch wenn die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung unmittelbare Geltung hat, muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass diese Pflicht auch eingehalten wird. Denn ihm obliegt die allgemeine Fürsorgepflicht, die sich aus § 618 BGB ableitet und die durch die Verordnung ganz erheblich konkretisiert wird. In Umsetzung dieser Pflicht muss der Arbeitgeber sicherstellen und kontrollieren, dass seine Mitarbeiter sich an die Regeln zum Arbeitsschutz halten. Da sich sein allgemeines arbeitsrechtliches Weisungsrecht gem. § 106 GewO auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb erstreckt, kann er seine Verpflichtung durch eine entsprechende Anweisung an die Mitarbeiter erfüllen. 

… und Befolgungspflicht der Arbeitnehmer

Hält sich der Mitarbeiter nicht an die Anweisung seines Arbeitgebers und trägt keine Maske an Orten, an denen der Arbeitgeber dies angeordnet hat, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, so er kein ärztliches Befreiungsattest vorlegen kann (siehe hierzu die Entscheidungsbesprechung des ArbG Siegburg in unserem Blog). In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer abzumahnen und bei wiederholtem Verstoß auch verhaltensbedingt zu kündigen.

So weit, so einfach. Der dritte Spieler auf dem betrieblichen Feld darf aber nicht vergessen werden.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einführung einer Maskenpflicht

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dienen dem Arbeits- und Gesundheitsschutz und sind daher grundsätzlich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Auch mitbestimmungspflichtig sind Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten von Arbeitnehmern im Betrieb regeln (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), zum Beispiel Verpflichtungen zum Tragen bestimmter Arbeitskleidung oder eben auch Schutzmasken.

Eine Mitbestimmung kann es aber nur dort geben, wo der Arbeitgeber auch einen Regelungsspielraum hat. Setzt der Arbeitgeber nur etwas um, was ein Gesetz oder eine Verordnung zwingend von ihm verlangt, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Die neue Verordnung enthält aber nun neben den konkreten Vorgaben zum Wann und Wo der Maskenpflicht die Aussage, dass der Arbeitgeber als Alternative zur Maskenpflicht auch andere Maßnahmen ergreifen kann, die ebenso wirksam sind (welche das auch immer sein mögen). Damit unterscheidet sie sich von vielen Infektionsschutzverordnungen der Länder (z.B. § 24 der 11. Bayer. InfektionsschutzmaßnahmenVO). Das heißt, der Arbeitgeber hat generell einen Regelungsspielraum bei Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen. 

Das bedeutet: Egal, was der Arbeitgeber im Hinblick auf die Maskenpflicht anweisen möchte, der Betriebsrat hat mitzubestimmen. Ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrates wäre eine Anweisung unwirksam und müsste von den Mitarbeitern nicht befolgt werden. 

Kein Entfall des Mitbestimmungsrechts wegen Eilbedürftigkeit

Zu Recht stellen sich Arbeitgeber die Frage, wie in der zweifelsohne gebotenen Schnelligkeit eine Maßnahme nun mit Betriebsratsbeteiligung umgesetzt werden soll. Dass die Maßnahme dem Schutz der Mitarbeiter dienen soll, ändert an dem Mitbestimmungsrecht nichts. Ebenso wenig erkennt die Rechtsprechung in solchen Fällen einen „Notfall“ an, der es erlaubt, vorläufige Maßnahmen ohne Betriebsratsbeteiligung zu treffen. Denn die Verordnung kam nicht völlig ohne Vorankündigung und es bleibt „immerhin“ eine Fünf-Tages-Frist nach dem Inkrafttreten. 

Fazit

Dem Arbeitgeber bleibt, sich entweder strikt an eine noch geltende Infektionschutzverordnung seines Bundeslandes zu halten, wenn diese keinen Regelungsspielraum lässt, oder auf die Mitwirkung bei der oder zumindest Duldung der Anordnung zu hoffen. Oft funktioniert das auf dem „kurzen Dienstweg“. Falls nicht und der Betriebsrat blockiert, bleibt dem Arbeitgeber nur die Wahl zwischen zwei Verstößen: gegen die Verordnung oder gegen eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht. Sollte der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren anstrengen, wäre dort zu bewerten, ob es dem Arbeitgeber in der konkreten Situation ausnahmsweise gestattet war, eine einseitige Maßnahme zu ergreifen. 

KLIEMT.Arbeitsrecht




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