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Der „Brexit“ ist vollzogen: Was deutsche Arbeitgeber und UK-Arbeitnehmer nun beachten sollten

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Nach langwierigen Verhandlungen um einen Brexit-Deal ist das Vereinigte Königreich mit Ablauf des 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union ausgetreten. In unserer Blogbeiträgen vom 21. Februar 2020 und vom 28. November 2019 haben wir bereits über mögliche Konsequenzen des Brexit für Arbeitgeber und über den Aufenthalt und Arbeitsmarktzugang von UK-Staatsbürgern in Deutschland berichtet. Seit dem 1. Januar 2021 ist nun auch die sog. Übergangsphase, bis zu der Großbritannien weiterhin wie ein EU-Mitgliedsstaat behandelt wurde und in welcher die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Unionsrechts galt, beendet. Zwar wurde durch das vereinbarte Partnerschaftsabkommen ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU verhindert, trotzdem bringt der Brexit – auch für Arbeitgeber – einige Veränderungen mit sich, die es bei bestehenden Arbeitsverhältnissen zu UK-Staatsbürger oder bei deren Neueinstellung zu beachten gilt. Hierzu zählen insbesondere die aufenthalts- und datenschutzrechtlichen Besonderheiten, auf die nachfolgend näher eingegangen werden soll.

Dauerhafte Aufenthalte britischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik

Auch wenn Arbeitsverträge zwischen deutschen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit britischer Staatsangehörigkeit– trotz Brexit – grundsätzlich ihre Geltungskraft behalten, können die aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen des Brexit im Einzelfall dazu führen, dass Arbeitnehmer ihre vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen können, weil etwa keine Arbeitserlaubnis für den Arbeitnehmer (mehr) vorhanden ist.

Da die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem vollzogenen Brexit nicht mehr für britische Arbeitnehmer gilt, können diese in Zukunft grundsätzlich nicht ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland beschäftigt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für sog. „Alt-Briten“, die schon vor dem 1. Januar 2021 ihren Wohnsitz in Deutschland hatten und in der Bundesrepublik gearbeitet haben. „Alt-Briten“ haben im Wesentlichen die gleichen Rechte wie vor dem Austritt, allerdings müssen sie – wenn sie weiterhin in Deutschland leben bzw. arbeiten wollen – bis zum 30. Juni 2021 ihren Aufenthalt bei der für ihren Wohnort zuständigen Ausländerbehörde anzeigen, um auf diesem Wege das neue Aufenthaltsdokument (sog. „Aufenthaltsdokument-GB“) erhalten zu können.

Britische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz ab dem 1. Januar 2021 nach Deutschland verlagern (sog. „Neu Briten“), sind wie andere Drittstaatsangehörige zu behandeln. Ihnen ist zwar eine visumfreie Einreise möglich, möchten sie jedoch in der Bundesrepublik einer Erwerbstätigkeit nachgehen, so benötigen sie einen Aufenthaltstitel mit entsprechender Arbeitserlaubnis, ausgestellt von der zuständigen örtlichen Ausländerbehörde.

Kurzaufenthalte britischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik

Britische Geschäftsreisende die sich für eine begrenzte Zeit in Deutschland aufhalten gelten als Drittstaatsangehörige. Grundsätzlich sind Drittstaatsangehörige vor der Einreise nach Deutschland nach dem Visakodex (Verordnung (EU) 810/2009) und gem. § 4 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz visumspflichtig. Wie wir bereits hier im Blog dargestellt haben, gelten nach der Verordnung (EU) 2019/592 für UK-Staatsbürger jedoch diesbezügliche Erleichterungen. So benötigen sie für Besuchs- und/oder Geschäftsreisen in den Schengen-Raum kein Visum, solange die Aufenthaltsdauer 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen nicht überschreitet. Aufenthalte, die diesen Zeitraum überschreiten, unterliegen hingegen der Visumspflicht. Dabei ist zu beachten dass während des Kurzaufenthalts die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht erlaubt ist. Ob und wann Mitarbeiter für ihre Geschäftsreise einen Aufenthaltstitel benötigen haben wir bereits hier im Blog zusammengefasst.

Datenschutzrechtliche Auswirkungen des Brexit

Wir bereits in unserem Blog-Beitrag vom 27. März 2019 aufgezeigt haben, hat der Brexit auch datenschutzrechtliche Auswirkungen, die für Arbeitgeber relevant werden können. Nach dem zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geschlossenen Handels- und Zusammenarbeitsabkommen (Trade and Cooperation Agreement) gilt derzeit noch eine „Schonfrist“, innerhalb derer das Vereinigte Königreich noch nicht als Drittland gilt. Aufgrund dieser Frist sind Datenübertragungen nach Großbritannien zumindest bis zum 30. April 2021 unter unveränderten Bedingungen möglich. Sofern keine der Parteien widerspricht, verlängert sich der Übergangszeitraum um weitere zwei Monate.

Derzeit ist unklar, ob die EU-Kommission einen sog. Angemessenheitsbeschluss für das Vereinigte Königreich nach Art. 45 Abs. 3 DSGVO erlassen wird. Ein solcher Angemessenheitsbeschluss wird nur erlassen werden, wenn in Großbritannien ein dem Datenschutzniveau der DSGVO vergleichbares Datenschutzniveau gewährleistet wird. Der Erlass eines solchen Beschlusses würde die Anforderungen an eine künftige Datenübermittlung nach Großbritannien erheblich erleichtern. Bleibt ein Angemessenheitsbeschluss aus, so werden Datentransfers nach Großbritannien nur möglich sein, wenn die Anforderungen von Kapitel V der DSGVO erfüllt sind. Deutsche und britische Arbeitgeber, die personenbezogene Daten von Beschäftigten in Großbritannien verarbeiten, worunter auch das Speichern der Daten zählt, sollten Datentransfers daher spätestens bis zum 30. April 2021 auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen.

Ausblick

Obwohl der Brexit nun schon seit einigen Jahren omnipräsent ist, hat es bis zuletzt an einem rechtlichen Rahmen für den Austritt von Großbritannien aus der EU gefehlt – auf manchen Gebieten (wie dem Datenschutzrecht) existiert auch weiterhin keine abschließende Regelung. Jedenfalls aufenthaltsrechtlich besteht für Arbeitgeber in Bezug auf die Weiterbeschäftigung von UK-Staatsbürger erfreulicherweise mehr Rechtssicherheit. Zwar liegt es in dem Verantwortungsbereich der Beschäftigten, sich um ihren aufenthaltsrechtlichen Status zu kümmern, allerdings ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall ein Beschäftigungsverbot vorliegen könnte. Arbeitgebern ist daher zu empfehlen, die Beschäftigten mit UK-Staatsbürgerschaft darauf hinweisen, dass sie ihren Aufenthalt spätestens bis zum 30. Juni 2021 bei der zuständigen Ausländerbehörde anzeigen müssen. Hierzu wurden bereits von einigen Ausländerbehörden hilfreiche Online-Tools zur Verfügung gestellt. Bei der Beschäftigung von UK-Staatsbürger, die nach dem 31. Dezember 2020 nach Deutschland gezogen sind oder ziehen werden, sollten Arbeitgeber vor Aufnahme der Tätigkeit sicherstellen, dass der/die Beschäftigte über einen Aufenthaltstitel mit Arbeitserlaubnis verfügt.

Dr. Maya Poth


Rechtsanwältin
Associate
Maya Poth betreut nationale sowie internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der laufenden arbeitsrechtlichen Beratung von Unternehmen, in der Vertragsgestaltung sowie in der Betreuung von kündigungsschutzrechtlichen Streitigkeiten.
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