Wenn sich der Arbeitgeber – gleich aus welchem Grund – von einem Betriebsratsmitglied trennen möchte, bleibt aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes oftmals nur die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrags, die – dem Kündigungsschutz entsprechend – nicht selten noch ein lange „Restlaufzeit“ des Vertrages vorsieht. Ob bereits eine im Aufhebungsvertrag vereinbarte unwiderrufliche Freistellung des Betriebsratsmitglieds zum unmittelbaren Erlöschen der Betriebsratsmitgliedschaft führt, hatte nun das LAG Hessen zu entscheiden. Diese Entscheidung überzeugt jedoch nicht und steht im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben und zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Worum ging es?
Der Arbeitgeber und ein Mitglied des Betriebsrats einigten sich auf einen Aufhebungsvertrag mit einer langen „Restlaufzeit“ des Arbeitsvertrages. Es wurde außerdem eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung der Vergütung bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Der Arbeitgeber war nun der Ansicht, dass mit Beginn der Freistellung auch das Betriebsratsamt des Arbeitnehmers geendet habe. Hiergegen wendeten sich das Betriebsratsmitglied und der Betriebsrat als Gesamtorgan im arbeitsgerichtlichen Eilverfahren mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Die Entscheidung des LAG Hessen
Das LAG Hessen gab Betriebs und Betriebsratsmitglied Recht. Nach dem Beschluss des LAG Hessen vom 21.12.2020 – 16 TaBVGa 189/20 führt eine einvernehmliche Freistellung des Betriebsratsmitglieds im Aufhebungsvertrag nicht zum Erlöschen der Betriebsratsmitgliedschaft nach § 24 BetrVG. Dies sei vielmehr erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Fall. Die einvernehmliche Freistellung führe insbesondere nicht zu einem Verlust der betriebsverfassungsrechltichen Wählbarkeit und damit auch zum Verlust der Mitgliedschaft im Betriebsrat (§§ 24 Nr. 4, 8 BetrVG), da das Arbeitsverhältnis nicht bei beidseitiger Suspendierung der vertraglichen Hauptleistungspflichten ruhe. Das Gehalt werde vielmehr fortbezahlt und daher bestehe die Eingliederung in den Betrieb fort.
Unwiderruflich freigestellte Betriebsratsmitglieder verlieren ihr Amt
Das Landesarbeitsgericht übersieht hierbei jedoch, einen entscheidenden Punkt. Bei der Bestimmung der Wählbarkeit kommt es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer noch Entgeltleistungen erhält oder beanspruchen kann. Entscheidend ist – so auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – allein die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb. Dies setzt eine arbeitsvertraglichen Beziehung zum Betriebsinhaber und eine Eingliederung in die betriebliche Organisation voraus („Theorie der 2-Komponentenlehre“). Letzteres kann sich denklogisch nur aus der „Handhabung“ der den Arbeitnehmer treffenden Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung ergeben. Die Zahlungspflicht oder -moral eines Arbeitgebers sagt hingegen nichts darüber aus, inwieweit ein Arbeitnehmer noch einem Betrieb zugehörig ist.
Mit dem Beginn einer einvernehmlich vereinbarten unwiderruflichen Freistellung scheidet der betreffenden Arbeitnehmer also endgültig aus der Betriebsgemeinschaft aus. Sie werden nicht mehr in den Betrieb zurückkehren und sind damit auch keine „Arbeitnehmer des Betriebs“ mehr. Betriebsfremde Arbeitnehmer dürfen nach dem Gesetz nicht in einen Betriebsrat gewählt werden. Gewählte Betriebsratsmitglieder verlieren kraft Gesetzes ihr Amt, wenn sie aus dem Betrieb ausscheiden und nicht mehr wählbar sind.
Richtige Entscheidung des ArbG Frankfurt a.M. und des Bundesarbeitsgerichts
Dementsprechend war in der Vorinstanz das ArbG Frankfurt a.M. zu Recht auch von der unmittelbaren Beendigung des Betriebsratsamts mit Beginn der unwiderruflichen Freistellung ausgegangen. Es bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 16. April 2003 – 7 ABR 53/02), wonach der Eintritt in die Passivphase einer verblockten Altersteilzeit das Betriebsratsamt aufgrund Verlust der Wählbarkeit gemäß § 24 Nr. 4 BetrVG erlischt. Einen Grund, weshalb bei vereinbarter unwiderruflicher Freistellung bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwas anders gelten sollte als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, gibt es nicht. Vielmehr ist eine Altersteilzeit im Blockmodell nichts anderes – der Arbeitnehmer wird (mit Eintritt in die Passivphase) von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unwiderruflich frei und zwar auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Bei einer einvernehmlichen, unwiderruflichen Freistellung ist anders als z.B. bei einer Elternzeit nicht mehr von einer Eingliederung des Arbeitnehmers in die betriebliche Organisation auszugehen, was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch zwingende Voraussetzung für die betriebsverfassungsrechtliche Wählbarkeit eines Arbeitnehmers ist. Der Verlust der Wählbarkeit führt dann wiederum zwingend zum Verlust der Mitgliedschaft im Betriebsrat. Eine Verletzung des betriebsverfassungsrechtlicher Rechte oder Grundsätze ist hiermit nicht verbunden, da der Arbeitnehmer gerade nicht von seinem Betriebsratsamt freigestellt wird oder dieses „hergibt“, sondern lediglich dauerhaft und unwiderruflich von seinen arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht freigestellt wird mit der Folge, dass die Verbindung zum Betrieb aufgelöst wird. Der Verlust der Wählbarkeit und mittelbar das Ende der Mitgliedschaft im Betriebsrat ist rechtlicher Reflex der Auflösung der Zugehörigkeit zum Betrieb.
Fazit
Gerade vor dem Hintergrund der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und den zwingenden vom Gesetz vorgeschriebenen Rechtsfolgen, die letztlich den Verlust der Betriebsratsmitgliedschaft nach sich ziehen, kann die Entscheidung des LAG Hessen nicht überzeugen. Die von dem LAG Hessen im Rahmen seiner Begründung bemühte Argumentation, wonach der Verlust der Wählbarkeit neben der unwiderruflichen Suspendierung der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers (Erbringung der Arbeitsleistung) zusätzlich auch die des Arbeitgebers (Zahlung der vereinbarten Vergütung) notwendig ist, hat jedenfalls keine Grundlage im Gesetz und ebenso wenig in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Vielmehr scheint die Entscheidung vom „gewollten Ergebnis“ getrieben und damit rechtlich nicht vertretbar.