In der Corona-Krise stellt sich für Arbeitgeber eine Vielzahl an Fragen rund um das Thema Kurzarbeit. Sehr praxisrelevant ist dabei das Verhältnis von Kurzarbeit und Urlaubsanspruch. Kann der Arbeitgeber für die Dauer der Kurzarbeit den Urlaubsanspruch kürzen? Bislang war durch die Rechtsprechung ungeklärt, ob sich Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit automatisch verringern oder eine dahingehende Regelung erforderlich ist. Eine erste Einschätzung zu dieser Problematik haben wir bereits vor rund einem Jahr auf unserem Blog abgegeben.
Nunmehr hat sich das LAG Düsseldorf mit dieser Frage befasst und eine Kürzung des Urlaubsanspruchs jedenfalls für Kurzarbeit Null angenommen.
Worum ging es?
Die Klägerin ist seit dem 1. März 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der Beklagten, einem Betrieb der Systemgastronomie, beschäftigt. Sie ist drei Tage die Woche in Teilzeit tätig. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung stehen ihr im Jahr 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu.
Ab dem 1. April 2020 befand sich die Klägerin pandemiebedingt bis Dezember 2020 wiederholt in Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 galt die Kurzarbeit Null durchgehend. Im August und September 2020 hatte die Beklagte der Klägerin insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt. Die Klägerin vertrat im Rechtsstreit die Ansicht, die Kurzarbeit habe keine Auswirkungen auf ihren Urlaubsanspruch. Sie begehrte deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen, mithin noch 2,5 Arbeitstage, zustehe. Diese Auffassung begründete sie damit, dass konjunkturbedingte Kurzarbeit nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolge, sondern im Interesse des Arbeitsgebers stehe. Ferner sei Kurzarbeit auch nicht wie Freizeit zu werten, da sie auch während der Kurzarbeit Meldepflichten unterliege. Nach Ansicht der Arbeitgeberin war der Urlaubsanspruch der Klägerin jedoch schon vollständig erfüllt. Für Zeiten der Kurzarbeit Null sei mangels Arbeitspflicht kein Urlaubsanspruch entstanden.
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf
Das LAG Düsseldorf hat die Klage, ebenso wie das Arbeitsgericht Essen in der ersten Instanz, abgewiesen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin für diese Monate keinen Urlaubsanspruch gemäß § 3 BUrlG erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe der Klägerin demnach nur anteilig zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null sei der Urlaubsanspruch um 1/12 zu kürzen. Im Ergebnis habe die Arbeitgeberin den Urlaubsanspruch daher sogar um 3,5 Arbeitstage kürzen dürfen.
Nach Ansicht des LAG Düsseldorf setze der Erholungszweck des Urlaubs eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da bei der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aber aufgehoben seien, seien Kurzarbeiter wie vorübergehend Teilzeitbeschäftigte zu behandeln, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen sei.
Orientierung an EU-Recht
Soweit aus der Pressemitteilung bislang ersichtlich, bezog sich das LAG Düsseldorf zur Begründung seiner Entscheidung vor allem auf geltendes EU-Recht. Nach der Rechtsprechung des EuGH entstehe während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht. Das deutsche Recht enthalte dazu auch keine günstigere Regelung. Es existiere weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergebe sich eine Regelung aus den Vorschriften des BUrlG.
Der EuGH hatte bereits in seiner Entscheidung vom 8. November 2012 – C-229/11, C-230/11 (Heimann und Toltschin) betont, dass Kurzarbeiter, als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer“ anzusehen seien, da ihre Situation faktisch mit der von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar sei.
Rechtsfolgen für die Praxis
Nach der Sichtweise des LAG Düsseldorf reduziert jedenfalls Kurzarbeit Null den Urlaubsanspruch automatisch, ohne dass es einer ausdrücklichen dahingehenden Vereinbarung bedarf. Jedoch ist die Entscheidung zunächst mit gewisser Vorsicht zu genießen, da das LAG Düsseldorf die Revision zum BAG zugelassen hat. Gleichwohl erscheint eine abweichende Entscheidung des BAG aufgrund der Rechtsprechung des EuGH unwahrscheinlich. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten.