Eine Abfindung ist immer ein finanzieller Gewinn für den Arbeitnehmer? Weit gefehlt, wenn man manchen Praktikern glauben mag. Immer öfter muss sich der Arbeitgeber bei Abfindungen mit Sozialversicherungsrecht befassen – dieser Beitrag befasst sich speziell mit der sogenannten „Sozialplanfalle“.
Das leidige Thema mit den Abfindungen und der Arbeitsagentur: Arbeitnehmer sind über Abfindungszahlungen oft nicht nur glücklich. Sie zählen gegenüber dem Arbeitgeber dann sofort die Nachteile auf und versuchen dadurch, diesen zu einer höheren Abfindungsleistung zu bewegen. Mittlerweile gehören die Nachteile, wie z. B. die Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen oder Eigenkündigungen zum Allgemeinwissen der HR-Abteilungen. Anders ist das jedoch bei den Ruhenstatbeständen aufgrund von Abfindungsleistungen.
Die Ruhenstatbestände bei Zahlung einer Abfindung i. S. d. § 158 Abs. 1 SGB III
Die Tatbestände des Ruhens bei Entlassungsentschädigung regelt das Gesetz wie folgt:
(1) Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. (…) Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei
- zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,
- zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.
Kann der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.
Bedeutung und Auswirkungen des Ruhens für den Arbeitnehmer – die „Sozialplanfalle“
Unter einer „Sozialplanfalle“ versteht man das Risiko für den Arbeitnehmer, dass der Bezug einer Abfindung aufgrund eines Sozialplans dazu führt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld erst einmal ruht. Ein „Ruhen“ des Anspruchs bedeutet jedoch nicht, dass die Abfindung den Arbeitslosengeld I Anspruch kürzt, sondern dass die Arbeitsagentur mit der Auszahlung des Arbeitslosengeldes I erst später beginnt. Der Anknüpfungspunkt ist dabei die fiktive Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1, 2 BGB. Während dieses Ruhenszeitraums ist der Arbeitnehmer gezwungen, von seiner Abfindung zu leben und selbst die Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten. Ein Ruhen kommt bei der Zahlung einer Sozialplanabfindung gem. § 158 Abs. 1 S. 4 SGB III nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nur aufgrund des Sozialplans und der damit verbundenen Zahlung einer „Entlassungsentschädigung“, also einer Abfindung, ordentlich kündbar ist. Im Klartext bedeutet dies: Ist das ordentliche Kündigungsrecht aufgrund des Arbeitsvertrags oder Tarifvertrags ausgeschlossen und lebt dieses Kündigungsrecht nur bei Zahlung einer Abfindung durch den Sozialplan wieder auf, greift eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr ein. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld I für maximal ein Jahr ruhen kann.
Daneben besteht in § 158 Abs. 1 S. 1 SGB III der wohl relevanteste Ruhenstatbestand. Der Arbeitnehmer erhält hier eine Abfindung und deswegen wird die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Dies kann z. B. in einem Aufhebungsvertrag geregelt werden oder bei einer ordentlichen Kündigung, wo die Kündigungsfrist des § 622 BGB – ohne Rüge des Arbeitnehmers – nicht eingehalten wird. Die Folge ist, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld I bis zum fiktiven Ablauf der Kündigungsfrist des § 622 BGB ruht. Diese Grenze wird bei allen Ruhenstatbeständen gem. § 158 Abs. 2 SGB III gezogen.
… Auswirkungen für den Arbeitgeber
Nun könnte man meinen, dass dies den Arbeitgeber nicht zu interessieren braucht. Festzuhalten ist, dass die sogenannte „Sozialplanfalle“ nur sehr eingeschränkt eine „Falle“ ist. Jedoch wird der Arbeitgeber in der Praxis oft mit Fragen von Arbeitnehmern oder deren Anwälten bei Verhandlungen bzgl. Aufhebungsverträgen oder im Nachgang zu einem Sozialplan und einer Entlassung konfrontiert. Der Arbeitnehmer möchte kalkulieren, ob er Auswirkungen auf seinen Arbeitslosengeldanspruch befürchten muss. Der Arbeitgeber verfolgt hingegen den Zweck, dass möglichst viele Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abschließen oder nicht gegen eine Kündigung klagen. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Folgen des Ruhens aufklärt und sogar darlegen kann, dass ein Ruhenstatbestand gar nicht eingreift, ist dies für ihn daher von Vorteil.
Es ist für den Arbeitgeber daher wichtig, dass er ein Verständnis für die verschiedenen Möglichkeiten des „Ruhens“ hat. Es kann passieren, dass Arbeitnehmer und deren Anwälte versuchen, die Regelung anders zu deuten und vortragen, dass bei Sozialplänen immer die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr gilt. Das ist nicht der Fall. Das gilt, wie dargelegt wurde, nur, wenn der Arbeitnehmer vorher nicht ordentlich kündbar gewesen ist und nur aufgrund eines Sozialplanes und der damit verbundenen Abfindung gekündigt werden kann.
Fazit
Die Sozialplanfalle ist nur eingeschränkt eine „Falle“. Sie tangiert den Arbeitgeber zwar nur mittelbar, hat aber doch einige Auswirkungen auf diesen. Er sollte in Sozialplanverhandlungen und in Vergleichsgesprächen darüber informiert sein, wann und ob tatsächlich ein „Ruhen“ des Anspruchs auf Arbeitslosengeld droht. Wird er von der Gegenseite damit konfrontiert, kann er danach seine Verhandlungsbasis ausrichten. Wissen schafft hier Transparenz und der Arbeitgeber kann dieses Wissen gezielt einsetzen, um nicht von falsch beratenden Arbeitnehmer oder anderen Interessenvertretern negativ beeinflusst zu werden.
Mit freundlicher Unterstützung von Kristina Motzet, Referendarin.