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BMAS plant Änderungen im Befristungsrecht – Referentenentwurf sieht erhebliche Einschränkungen vor

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Ein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts weckt aktuell die Sorge vor dem praktischen Ende der sachgrundlosen Befristung.

In 132 Tagen wird in Deutschland gewählt – der Countdown bis zur Bundestagswahl läuft und die Zeit für politische Weichenstellungen in dieser Legislaturperiode wird knapp. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat daher im April noch einen Referentenentwurf zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts vorgelegt. Für Arbeitgeber könnten die geplanten Änderungen zu erheblichen Einschränkungen führen. Insbesondere die Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung sowie der Einsatz von sogenannten Kettenbefristungen sollen eingeschränkt werden. Aber auch für die Befristung mit Sachgrund sind Änderungen geplant.

Was ist geplant?

Die nunmehr vorgelegten Änderungen wurden bereits im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode vom 12. März 2018 zwischen CDU/CSU und SPD detailliert festgeschrieben, haben allerdings erst jetzt Einzug in den Gesetzgebungsprozess gefunden. Der aktuelle Referentenentwurf vom 14. April 2021 sieht insbesondere die nachfolgenden Änderungen vor:

  • Unternehmen mit regelmäßig mehr als 75 Arbeitnehmern sollen nur noch maximal 2,5 Prozent der Arbeitnehmer mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen einstellen können. Die Quote soll jeweils anhand des Personalbestands am ersten Tag des vorangegangenen Quartals ermittelt werden.
  • Jeweils am ersten Kalendertag eines Quartals soll der Arbeitgeber den Betriebsrat über die jeweilige Quote sachgrundlos befristeter Verträge unterrichten.
  • Der Arbeitgeber soll verpflichtet werden, im Arbeitsvertrag schriftlich niederzulegen, wenn es sich um einen sachgrundlos befristeten Vertrag handelt. Unterbleibt eine solche Vereinbarung, kann später keine sachgrundlose Befristung angenommen werden – auch wenn die Vereinbarung rechtlich zulässig wäre. Für eine wirksame Befristung müssen dann die objektiven Voraussetzungen für einen Sachgrund gegeben sein. Umgekehrt kann bei der ausdrücklichen Regelung, dass es sich um einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag handelt, die Befristung nicht im Nachhinein auf einen (objektiv vorliegenden) Sachgrund gestützt werden.
  • Eine Befristung (mit oder ohne Sachgrund) soll nicht mehr möglich sein, wenn der Arbeitnehmer unter Einbeziehung des abzuschließenden Arbeitsvertrags eine Gesamtbeschäftigungsdauer von fünf Jahren bei diesem Arbeitgeber überschreitet. Auch Zeiten, in denen der Arbeitnehmer als Leiharbeiter bei diesem Arbeitgeber im Einsatz war, sollen berücksichtigt werden. Eine Unterbrechung von mindestens drei Jahren führt dazu, dass der Zeitraum von fünf Jahren von neuem beginnt. Die Höchstdauer gilt nicht für Befristungen aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG) und für Befristungen, die auf einem gerichtlichen Vergleich beruhen (aktuell § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, laut Referentenentwurf zukünftig § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG).
  • Die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung soll von 24 auf 18 Monate reduziert werden. Innerhalb dieser Zeit soll nur noch eine Verlängerung – statt bisher drei Verlängerungen – zulässig sein.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für die alltägliche Praxis der Arbeitgeber bedeuten diese Vorschläge – sofern sie tatsächlich nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens Einzug in das Teilzeit- und Befristungsgesetz finden – eine erhebliche Einschränkung insbesondere der Vereinbarung sachgrundlos befristeter Verträge.

Die Quote von 2,5 Prozent für Arbeitgeber mit mehr als 75 Arbeitnehmern bedeutet beispielsweise für einen Arbeitgeber mit 100 Arbeitnehmern, dass er lediglich zwei Arbeitnehmer auf der Grundlage eines sachgrundlos befristeten Vertrags beschäftigen darf. Jedes sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis, das über die Quote von 2,5 Prozent hinausgeht, gilt als unbefristet zustande gekommen. In der Literatur wird sowohl die Grenze von 75 Arbeitnehmern als auch die Quote von 2,5 Prozent für verfassungswidrig und unvereinbar mit dem Gleichheitssatz sowie der Berufsfreiheit angesehen.

Die Höchstdauer von fünf Jahren ist ebenfalls kritisch zu sehen. Eine Rechtfertigung dafür, wieso gerade dieser Zeitraum gewählt wurde, ist nicht ersichtlich. Erst in den vergangen Jahren hat das BAG mit Hilfe der sog. „Missbrauchsampel“ konkrete Vorgaben gemacht, ab welcher Anzahl von Befristungen bzw. welcher maximalen Dauer einer befristeten Beschäftigung ein Missbrauch vorliege (vgl. BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15). Unabhängig von der Anzahl der Befristungen soll eine missbräuchliche Kettenbefristung nach dieser Rechtsprechung dann vorliegen, wenn die Gesamtdauer der Beschäftigung eine Dauer von zehn Jahren überschreitet. Weshalb der Referentenentwurf Befristungen nun gerade einmal bis zur Hälfte dieses Zeitraums zulassen soll, ist nicht nachvollziehbar.

Das im Referentenentwurf enthaltene Zitiergebot, demzufolge im Arbeitsvertrag schriftlich geregelt werden muss, wenn es sich um einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag handelt, weicht ebenfalls von der bisherigen Rechtsprechung des BAG ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist für eine wirksame Befristung bislang lediglich erforderlich, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung zum Zeitpunkt der Befristungsabrede objektiv vorlagen (vgl. BAG, Urteil vom 29. Juni 2011 – 7 AZR 774/09). Ein Arbeitgeber kann seine Befristung folglich in einem späteren Befristungskontrollverfahren auch auf eine Grundlage stützen, die er subjektiv beim Abschluss des befristeten Vertrags nicht im Blick hatte. Diese Möglichkeit bestünde zukünftig nicht mehr.

Auch weiterhin soll eine sachgrundlose Befristung nur bei Neueinstellungen möglich sein. Bedauerlicherweise sieht der Referentenentwurf keine Konkretisierung des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vor. Es bleibt daher in diesem Fall bei der Rechtsprechung des BVerfG, wonach eine Vorbeschäftigung dem Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags dann nicht entgegensteht, wenn sie sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14). Die Unsicherheit, die mit dieser vagen Beschreibung verbunden ist, bleibt folglich erhalten. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber, nach Ablauf welchen Zeitraums eine sachgrundlose Befristung erneut zulässig ist, wäre wünschenswert.

Fazit

Die Vorschläge des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind weitreichend. Für Arbeitgeber, insbesondere solche, die bislang regelmäßig auf sachgrundlos befristete Anstellungsverträge zurückgegriffen haben, drohen umfangreiche Einschränkungen. Für die sachgrundlose Befristung bei Arbeitgebern mit mehr als 75 Arbeitnehmern bliebe nur noch ein äußerst begrenzter Einsatzbereich. Ob die Änderungen – ganz oder teilweise – tatsächlich umgesetzt werden ist aktuell noch offen und bleibt abzuwarten.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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