open search
close
Arbeitsrecht 4.0 Individualarbeitsrecht

Vertrauensurlaub – So gelingt die Einführung

Print Friendly, PDF & Email

Vertrauensurlaub und gesetzlicher Urlaubsanspruch sind kein Widerspruch. Wie sich die eigenverantwortliche Entscheidung der Arbeitnehmer über die Zahl und Lage der Urlaubstage mit dem Urlaubsrecht vereinbaren lässt und was darüber hinaus zu beachten ist, zeigt dieser Beitrag.

Vertrauensurlaub als modernes HR-Instrument

Ein neuerer Trend im Kontext von New Work und Arbeitsrecht 4.0 ist das System des Vertrauensurlaubs. Anstelle einer festen Zahl an Urlaubstagen, die spätestens zum Jahresende genommen oder nach bestimmten Regeln übertragen werden, können die Arbeitnehmer jedes Jahr neu über die Zahl ihrer Urlaubstage bestimmen. Die Motivation der Arbeitgeber ist in der Regel vorrangig die Mitarbeitergewinnung und -bindung mit einem modern und flexibel erscheinenden Urlaubssystem. Daneben lassen sich aber auch die zum Jahreswechsel wiederkehrenden Diskussionen um den Abbau oder die Übertragung von Resturlaub vermeiden. Der Vertrauensurlaub kollidiert zwar auf den ersten Blick mit dem deutschen Urlaubsrecht. Mit einer durchdachten vertraglichen Regelung lassen sich Streitfälle aber verhindern.

Der Maßstab: Der gesetzliche Urlaub

Nach den ersten Erfahrungen mit der Umsetzung von Vertrauensurlaub bleibt ein sprunghafter Anstieg der genommenen Urlaubstage aus. Arbeitnehmer nehmen nicht plötzlich 60 Urlaubstage im Jahr, nur weil sie es dürften. Umgekehrt gibt es häufig eine kleinere Gruppe, die jedenfalls in einzelnen Jahren sehr wenig Urlaub nimmt. Die vertragliche Grundlage für den Vertrauensurlaub sollte vor diesem Hintergrund eine Klarstellung enthalten, wonach jedenfalls der gesetzliche Urlaub genommen werden soll bzw. eine Übertragung in Folgejahr (nur) nach den gesetzlichen Regelungen erfolgt.

Um eine Erfüllung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs sicherzustellen, ist bei Vertrauensurlaub eine ohnehin sinnvolle Regelung noch wichtiger, wonach der genommene Urlaub zuerst auf den gesetzlichen Urlaub angerechnet wird. Dann ist jedenfalls nach 20 in Anspruch genommenen Urlaubstagen im Kalenderjahr eine Übertragung in Folgejahre nicht erforderlich. Diese 20 Tage werden die meisten Mitarbeiter jährlich in Anspruch nehmen. Eine Übertragung von Urlaub ins Folgejahr erfolgt im Übrigen nicht. Dafür gibt es kein Bedürfnis, wenn jedes Jahr neuer Urlaub in unbegrenzter Höhe zur Verfügung steht.

Ergänzende Regelungen für Sonderfälle

Das Konzept des Vertrauensurlaubs kommt nicht ohne jede Begrenzung aus. Insbesondere bei auftretenden Störungen des Arbeitsverhältnisses kann ein uneingeschränkt zugesagter Vertrauensurlaub für den Arbeitgeber sehr nachteilhaft sein. Welche vorsorglichen Regelungen die vertragliche Grundlage vorsieht, sollte der Arbeitgeber sorgfältig abwägen. In Betracht kommen insbesondere die folgenden Einschränkungen:

  • Eine Sonderregelung für gekündigte Arbeitsverhältnisse ist sinnvoll, um eine ordnungsgemäße Übergabe zu ermöglichen und insbesondere bei langen Kündigungsfristen den Urlaub dennoch zu begrenzen. In Betracht käme z.B. eine Genehmigungspflicht nach Ausspruch der Kündigung oder die Pflicht zur ordnungsgemäßen Übergabe vor dem Abschied in den Urlaub.
  • Bei Langzeiterkrankungen kann der Vertrauensurlaub schnell zu einer dauerhaften Entgeltfortzahlung führen (z.B. weil der Arbeitnehmer keine Krankschreibung mehr einreicht, sondern Urlaub nimmt). Indem die Inanspruchnahme von Urlaub während bzw. im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit eingeschränkt bzw. unter Erlaubnisvorbehalt gestellt wird, lässt sich ein Dauerurlaub zur Genesung verhindern.
  • Ob der Arbeitgeber darüber hinaus jedenfalls die am Stück genommenen Urlaubstage begrenzen will (z.B. maximal einen Monat in Folge), ist eine personalpolitische Frage. Dieser Ansatz ist nachvollziehbar, widerspricht aber dem Konzept des Vertrauensurlaubs. Alternativ kann eine Kommunikation sinnvoll sein, wonach für langfristige Auszeiten wie Sabbatical oder Elternzeiten andere Lösungen zu finden sind.

Vertragliche Umsetzung

Eine sorgfältige vertragliche Umsetzung des neu eingeführten Urlaubs ist unerlässlich. Der Systemwechsel für Bestandsarbeitsverhältnisse lässt sich am leichtesten zum Jahreswechsel implementieren, ist aber auch im laufenden Kalenderjahr denkbar. Im Rahmen der Umsetzung des Vertrauensurlaubs sollten die Parteien klarstellen, wie mit etwaigem Resturlaubsguthaben umgegangen wird.

In mitbestimmten Betrieben ist schließlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu wahren. Neben einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ist gleichwohl eine Abbildung des Vertrauensurlaubs in den Individualarbeitsverträgen empfehlenswert, um weitergehenden Ansprüche der Arbeitnehmer über das Günstigkeitsprinzip (z.B. gerichtet auf Urlaubsabgeltung) vorzubeugen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




Wir sind Deutsch­lands führende Spe­zi­al­kanz­lei für Arbeits­recht (bereits vier Mal vom JUVE-Handbuch als „Kanzlei des Jahres für Arbeitsrecht“ ausgezeichnet). Rund 90 erst­klas­sige Arbeits­rechts­exper­ten beraten Sie bundesweit von unseren Büros in Düs­sel­dorf, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg aus. Kompetent, persönlich und mit Blick für das Wesent­li­che. Schnell und effektiv sind wir auch bei komplexen und grenz­über­schrei­ten­den Projekten: Als einziges deutsches Mitglied von Ius Laboris, der weltweiten Allianz der führenden Arbeitsrechtskanzleien bieten wir eine erstklassige globale Rechtsberatung in allen HR-relevanten Bereichen.
Verwandte Beiträge
Internationales Arbeitsrecht Neueste Beiträge Urlaub

Perks for employees’ parents: unwrapping the new rules on holiday vouchers

Back in 2019, the government of Slovakia introduced what it called the ‘recreation allowance’ to boost domestic tourism. It requires certain employers to contribute financially to domestic trips taken by eligible employees. From 1 January 2025, the allowance will be extended to the parents of those employees. This is an innovative and, in many ways, welcome move, but it raises some questions about how employers…
Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge Prozessrecht

Auf den Zeitpunkt kommt es an: Zum Verzicht auf Urlaubsabgeltung

Regelmäßig werden Arbeitsverhältnisse im gerichtlichen Verfahren durch Vergleich beendet. Statt den Resturlaub des Arbeitnehmers im Einzelnen zu bestimmen und abzugelten, wird dabei im Rahmen eines „Gesamtpakets“ häufig per Tatsachenvergleich vereinbart, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass der Urlaub bereits in natura gewährt wurde. In welchen Fällen durch einen solchen Tatsachenvergleich auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bzw. deren Abgeltung verzichtet werden kann, wird in…
Neueste Beiträge Teilzeit Urlaub

Urlaubsgarantie durch Teilzeit?

Im Kampf um die besten Urlaubszeiten greifen Arbeitnehmer immer wieder zu ungewöhnlichen Mitteln. Erneut gerät dabei die Teilzeit in den Fokus. Sie ermöglicht geschickten Arbeitnehmern nicht nur die Reduzierung ihrer Stundenanzahl, sondern auch eine wunschgemäße Verteilung der freien Tage auf begehrte Urlaubszeiträume. Gewissheiten wie „Urlaubswünsche der Belegschaft haben Vorrang“, „Teilzeit gibt es nur im Rahmen vorgegebener Teilzeit-Modelle“ oder „Flexibilitätsinteresse des Arbeitgebers verhindern Teilzeit“ sollten spätestens…
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert