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Betriebsratswahl 2022: Neue Wahlordnung kommt!

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Das Verfahren zur Wahl der Betriebsräte ist kompliziert und fehleranfällig. Nun wird die Wahlordnung reformiert. Zusätzlich zu den Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sind damit bei den Betriebsratswahlen 2022 zahlreiche Änderungen zu beachten, mit denen sich auch die Arbeitgeberseite jetzt dringend vertraut machen sollte.

Rechtzeitig vor den bevorstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2022 wird die Wahlordnung zum BetrVG reformiert, nachdem bereits kurz zuvor das BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz geändert wurde. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die digitale Arbeit des Wahlvorstandes, neue Regeln zur Briefwahl und die Angleichung der Wahlordnung an das geänderte BetrVG. Der bereits veröffentlichte Verordnungsentwurf wird voraussichtlich am 8. Oktober 2021 vom Bundesrat verabschiedet und anschließend verkündet. Die wesentlichen Änderungen fassen wir nachfolgend für Sie zusammen:

Ermöglichung von Video- und Telefonkonferenzen

Der Wahlvorstand soll weiter grundsätzlich in Präsenz tagen. Abweichend kann der Wahlvorstand jedoch zukünftig seine Sitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz abhalten (siehe § 1 Abs. 4 und 5 des Verordnungsentwurfs), sofern der Wahlvorstand dies förmlich beschließt. Weitere Voraussetzungen, wie die Darlegung eines rechtfertigenden Ausnahmefalls, sind nicht vorgesehen. Bestimmte Aufgaben jedoch bleiben der Präsenzsitzung vorbehalten. Dazu zählen die Prüfung und Bekanntmachung von Vorschlagslisten und die Wahlversammlung sowie – im Falle des zweistufigen vereinfachten Wahlverfahrens – die Aufgaben während der ersten Wahlversammlung (d.h. die Aufstellung der Wählerliste, Erlass des Wahlausschreibens sowie Entgegennahme und Prüfung von Wahlvorschlägen).

Neuregelungen zur Briefwahl

Zudem sind neue Regelungen zur Briefwahl vorgesehen:

  • Versand von Briefwahlunterlagen: Zunächst werden die Fälle ausgeweitet, in welchen der Wahlvorstand bestimmten Arbeitnehmern Briefwahlunterlagen zuzusenden hat. Nach aktueller Rechtslage dürfen den Wahlberechtigten grundsätzlich nur auf Verlangen Briefwahlunterlagen zugesandt werden, wenn sie voraussichtlich wegen der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses am Wahltag abwesend sind. Dies erfasst z.B. Arbeitnehmer im Außendienst sowie in Tele- oder Heimarbeit Beschäftigte. Grund für die Einschränkung ist die einfachere Manipulierbarkeit einer Briefwahl gegenüber der Präsenzwahl. Auch hier wird nachjustiert. So sollen nach dem neu gefassten 24 Abs. 2 WO künftig auch Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Wahl aus anderen Gründen, insbesondere wegen Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit, nicht im Betrieb anwesend sind, Briefwahlunterlagen vom Wahlvorstand erhalten. Die Begründung des Verordnungsgebers führt hier etwa Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit und unbezahlten Sonderurlaub auf. Wichtig jedoch: Die Briefwahl bleibt die Ausnahme. Es reicht nicht allein der Wunsch des Wahlberechtigten, per Briefwahl wählen zu wollen.
  • Keine vorzeitige Öffnung der Briefwahlunterlagen: Der derzeitige 26 Abs. 1 WO sieht vor, dass bereits unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe die Briefwahlumschläge zu öffnen sind. Dies ist künftig anders, indem mit der Öffnung der Umschläge erst nach der Stimmabgabe begonnen werden darf. Die Änderung ist zu begrüßen, da eine mögliche Beeinflussung der laufenden Präsenzwahl durch die zeitgleiche Öffnung der Briefwahlumschläge zukünftig vermieden wird.

Bei Präsenzwahl kein Wahlumschlag mehr erforderlich

Nach aktueller Rechtslage ist bei Betriebsratswahlen in Präsenz die Verwendung von Wahlumschlägen zwingend vorgeschrieben. Ein umständlicher Prozess, zu dem wir bereits am bereits am 14. September 2021 berichtet hatten. Dies soll nun geändert werden. Nach der neuen Fassung des § 11 Abs. 1-3 WO soll es künftig genügen, dass der Wahlzettel in einer Weise gefaltet wird, dass die Wahlentscheidung von außen nicht erkennbar ist. Dies ist richtig und entspricht dem Wahlverfahren, wie es auch zum Beispiel bei den Bundestagswahlen üblich ist.

Hinweispflichten des Wahlvorstands

Mit der Ergänzung in § 3 Abs. 2 Nr. 3 WO soll der Wahlvorstand im Wahlausschreiben neben der Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Richtigkeit der Wählerliste auch auf die Rechtsfolge bei Versäumung der Einspruchsfrist nach § 19 Abs. 3 S. 1 und 2 BetrVG hinweisen. Danach verlieren die Wahlberichtigten das Recht zur Anfechtung der Betriebsratswahl aufgrund einer fehlerhaften Wählerliste, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde.

Klarstellung zur Fristenberechnung

Nach § 41 WO finden die §§ 186 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Berechnung der Fristen der Wahlordnung entsprechende Anwendung. Nunmehr soll in einem neuen Absatz 2 des § 41 WO klargestellt werden, dass der Wahlvorstand für bestimmte Fälle abweichend zum üblichen Tagesende (24:00 Uhr) eine vorzeitige Uhrzeit für die Abgabe bestimmter Erklärungen vorsehen darf. Dies betrifft v.a. die Einreichung von Wahlvorschlägen und Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste. Insoweit gilt jedoch die Einschränkung, dass diese Uhrzeit nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler an dem jeweiligen Tag liegen darf. Die Ergänzung der Wahlordnung ist zu begrüßen, auch wenn sie vorher bereits der Rechtsprechung entsprach.

Fazit: Arbeitgeber sind gut beraten, sich mit den Neuregelungen vertraut zu machen

Im Rahmen der kommenden Betriebsratswahlen sind damit aufgrund des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes und der neuen Wahlordnung zahlreiche neue Regeln zu beachten, mit denen sich nicht nur die Wahlvorstände, sondern auch dringend die Arbeitgeberseite vertraut machen sollte. So lassen sich Anfechtungsrisiken effektiv minimieren, ohne im Anschluss an die Betriebsratswahlen in langwierige und die Betriebsratsarbeit hemmende Anfechtungsverfahren zu schlittern. Gerne führen wir auch bei Ihnen entsprechende Inhouse-Schulungen durch, damit Sie sich bestmöglich und rechtzeitig auf die Betriebsratswahl vorbereiten können. Wenden Sie sich hierzu gerne an den Autor oder unsere Fokusgruppe unter: betriebsratswahl@kliemt.de.

Henrik Lüthge

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Henrik Lüthge ist Partner im Hamburger Büro von KLIEMT.Arbeitsrecht. Er berät umfassend im Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Zu seinen Mandanten zählen in- und ausländische Unternehmen. Er berät insbesondere zu Veränderungsprozessen, wie beispielsweise bei Business-Transformationen oder der Implementierung von New-Work-Modellen, bei M&A-Aktivitäten, klassischen Restrukturierungen und Reorganisationen (jeweils auch in der Insolvenz). Daneben begleitet er Unternehmen im Tarif- und Betriebsverfassungsrecht (z.B. Abwehr von Arbeitskämpfen, Tarifwechsel, Haustarifverträge und betriebliche Vergütungsordnungen), bei der Fremdpersonal-Compliance (Arbeitnehmerüberlassung, Werkverträge und Statusprüfung vor der DRV Bund) und bei Compliance-Untersuchungen im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen. Zudem zählen hochrangige Führungskräfte zum Mandantenkreis von Herrn Lüthge, insbesondere Vorstände und Geschäftsführer aus dem Bankenbereich, aber auch aus zahlreichen nationalen und internationalen industriellen Unternehmen. Herr Lüthge wird von sämtlichen einschlägigen Branchendiensten als Berater im Arbeitsrecht empfohlen, u.a. von JUVE, Legal 500, dem Handelsblatt und der Wirtschaftswoche.
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