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Zurück ins Büro – Arbeitgeber können Mitarbeiter:innen aus dem Homeoffice zurückholen

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Spätestens seit der Corona-Pandemie kommen die meisten Unternehmen kaum um Homeoffice-Regelungen für Arbeitnehmer:innen herum. Was zu Beginn der Pandemie im Sinne des Gesundheitsschutzes von vielen Unternehmen (neu) eingeführt wurde, erlebten viele Arbeitnehmer:innen als eine Freiheit, die sie so schnell nicht wieder hergeben möchten. Aber was, wenn Arbeitgeber von der gewonnenen Flexibilität gar nicht so viel halten und ihre Arbeitnehmer:innen zurück ins Büro holen wollen? Kürzlich entschied das LAG München, dass ein Arbeitgeber die Rückkehr aus dem Homeoffice anordnen kann.

Bereits seit dem 1.7.2021 gibt es keine Pflicht mehr für Arbeitgeber, Homeoffice anzubieten, sofern nicht betriebliche Gegebenheiten dies weiterhin erfordern. Viele Arbeitgeber hatten Homeoffice im Rahmen des bis zum 30.6.2021 geltenden § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV (a.F.) ohne spezifische Regelungen eingeführt. Laut LAG München haben Arbeitgeber jedoch selbst während der zuvor geltenden Arbeitsschutzverordnung das Recht, die Rückkehr aus dem Homeoffice anzuordnen. Wie der Fall im Einzelnen gelagert war und was das für die zukünftige Praxis bedeutet, zeigen wir in diesem Beitrag auf.

Der Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war als Grafiker in Vollzeit in einem Münchner Büro beschäftigt. Seit Dezember 2020 erlaubte der Geschäftsführer sämtlichen Mitarbeiter:innen des Büros, im Homeoffice zu arbeiten. Lediglich das Sekretariat blieb gelegentlich in den Büroräumen. Dem klagenden Arbeitnehmer hatte der Arbeitgeber dann Ende Februar 2021 aufgegeben, seine Tätigkeit als Grafiker wieder unter Anwesenheit im Büro auszuüben. Dagegen wandte sich der Grafiker beim Arbeitsgericht München mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, weiterhin ausschließlich im Homeoffice arbeiten zu können und das Büro nur in Ausnahmefällen aufsuchen zu müssen.

Die Entscheidungen

Das Arbeitsgericht München hatte den Antrag zurückgewiesen. Der Arbeitnehmer habe keinerlei Anspruch darauf, im Homeoffice arbeiten zu können. Aus der Entscheidung geht hervor, dass sich ein solcher Anspruch nicht aus der seinerzeit noch geltenden Arbeitgeber-Pflicht, ein Homeoffice-Angebot zu machen, ergebe. Ebenso sei die konkrete Ausgestaltung der Arbeitspflicht Sache des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts. Das möglicherweise erhöhte Infektionsrisiko, dem sich der Arbeitnehmer auf dem Weg ins Büro und im Büro selbst aussetze, sei eine allgemeine Gefahr und ändere nichts an seiner Anwesenheitspflicht.

Das LAG München bestätigte die Entscheidung mit Urteil vom 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21. Zur Begründung führte es aus, die Weisung des Arbeitgebers, aus dem Homeoffice zurückzukehren, habe billigem Ermessen entsprochen. Der Arbeitgeber habe das Recht, den Arbeitsort seines Arbeitnehmers durch Weisung im Sinne von § 106 S. 1 GewO neu zu bestimmen. Die Wohnung des Grafikers war weder arbeitsvertraglich noch durch spätere Vereinbarung zum zwingenden Arbeitsort des Arbeitnehmers geworden. Weiter führte das LAG aus, dass sich auch aus der Arbeitsschutzverordnung in ihrer im Februar 2021 geltenden Fassung nichts anderes ergebe. Der Verordnungsgeber habe kein subjektives Recht auf Homeoffice-Tätigkeit für Arbeitnehmer:innen geschaffen. Der Arbeitgeber konnte außerdem zwingende betriebliche Gründe geltend machen, die einer Tätigkeit des Grafikers ausschließlich im Homeoffice entgegenstanden. Das sei zum einen die minderwertige technische Ausstattung in seinen „vier Wänden“ gegenüber des Büro-Equipments und zum anderen befürchtete der Arbeitgeber den Zugriff Dritter auf interne Daten. Insbesondere habe der Grafiker nicht vorgebracht, wie er Daten vor dem Zugriff seiner Ehefrau schützt, die bei einem Konkurrenzunternehmen tätig ist.

Praxishinweise und Handlungsoptionen für Arbeitgeber

Im konkreten Fall konnte der Arbeitgeber den Arbeitsort seines Arbeitnehmers kraft seines Direktionsrechts ändern und eine Rückkehr ins Büro anordnen. Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Frage, ob sie ihre Mitarbeiter:innen zurück ins Büro holen (können) oder weiterhin Homeoffice zulassen. Das besprochene Urteil bestätigt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Homeoffice haben. Das Gericht hat entschieden, dass trotz seinerzeit noch bestehender „Homeoffice-Pflicht“ die Rückkehr ins Büro angeordnet werden kann, wenn dafür zwingende betriebliche Gründe bestehen.

Aber Vorsicht: Das Urteil lässt keinesfalls den Schluss zu, dass eingeführtes Homeoffice beliebig rückgängig gemacht werden könne. Ein Homeoffice-Angebot, das im Rahmen der Pandemie unbürokratisch eingeführt wurde und weiterhin stillschweigend geduldet wird, kann auch Risiken bergen (s. dazu unseren Blogbeitrag vom 30.6.2021). Um zu vermeiden, dass sich aus der pandemiebedingten Handhabung Ansprüche für Arbeitnehmer:innen auf Homeoffice ergeben, ist Arbeitgebern dringend zu empfehlen, nähere Regelungen auszugestalten. Neben individualvertraglichen Zusätzen zu Arbeitsverträgen zur konkreten Ausgestaltung des Arbeitsortes können beispielsweise Betriebsvereinbarungen zum Thema Homeoffice geschlossen werden. Dem Betriebsrat steht dabei nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Vereinbarung zu. Möglich und mit Blick auf die Flexibilität der arbeitgeberseitigen Bedürfnisse ratsam ist in beiden Fällen die Implementierung eines möglichen Widerrufs. Getroffene Homeoffice-Vereinbarungen können dann unter den jeweils vereinbarten Voraussetzungen einseitig widerrufen oder geändert werden, wenn der Arbeitgeber zum Präsenzbetrieb zurückkehren möchte. Sofern – etwa durch betriebliche Übung – doch ein Anspruch auf Homeoffice entstanden ist, bleibt schließlich noch der Ausspruch einer Änderungskündigung.

In Zusammenarbeit mit Jana Schön, Wiss. Mit. im Berliner Büro.

Jakob Friedrich Krüger

Rechtsanwalt

Counsel
Jakob F. Krüger berät nationale und internationale Unternehmen. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Vorbereitung von Kündigungen und anschließender Prozessführung. Zudem berät er Mandanten in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie zu Fragen des Betriebsverfassungsrechts. Jakob F. Krüger ist ein aktives Mitglied der International Practice Group für Data Privacy bei Ius Laboris, dem Zusammenschluss der international führenden Arbeitsrechtskanzleien, und berät häufig an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Datenschutz, z.B. bei der Einführung von IT-Systemen. Aufgrund dieser Expertise ist er Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung von Unternehmen“. Ferner unterstützt er die Entwicklung von Legal Tech Anwendungen als Mitglied des Innovation Teams.
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