Kollektivrechtliche Regelungen sehen teilweise unterschiedliche Regelungen für Voll- und Teilzeitbeschäftigte vor – gerade zu Überstunden. Werden Teilzeitbeschäftigte durch eine solche Regelung diskriminiert? Nein, entschied das Bundesarbeitsgericht. Wir stellen die Entscheidung vor.
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser TVöD-K sieht für das Entstehen, den Ausgleich und die Vergütung von Überstunden unterschiedliche Regelungen für Voll- und Teilzeitbeschäftigte vor. Teilzeitbeschäftigte erhalten danach erst dann Überstundenzuschläge, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollbeschäftigen Arbeitnehmers überschritten wird. Andernfalls handelt es sich lediglich um sogenannte Mehrarbeit, für die der Arbeitgeber „nur“ das tarifliche Entgelt zahlen muss.
In seinem Urteil vom 15. Oktober 2021 entschied nun das BAG, dass darin keine unzulässige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten liegt. Das BAG stärkt mit seiner Entscheidung die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie, die den Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung der tariflichen Regelungen einen eigenen Gestaltungsspielraum eröffnet.
Worum ging es in dem Fall?
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die bei der beklagten Arbeitgeberin, einer Betreiberin mehrerer Kliniken, mit einer Arbeitszeit von 32 Wochenstunden in Schicht- und Wechselschichtarbeit auf der Intensivstation tätig ist. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen TVöD-K zur Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit Anwendung. Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus, im Dienstplan vorgesehene (geplante) Überstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Überstunden – ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu überschreiten.
Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BAG sprach das LAG Nürnberg (Urteil vom 3. Mai 2019 – 8 Sa 340/18) der Arbeitnehmerin für die geleisteten ungeplanten Überstunden einen Überstundenzuschlag zu – nicht jedoch für die geleisteten geplanten Überstunden, da die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten nicht überschritten war. Die Arbeitnehmerin sah darin eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Ihre Revision vor dem BAG hatte indes keinen Erfolg.
Welche Regelungen sieht der TVöD-K zur Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit vor?
Nach der Definition des TVöD-K sind Überstunden die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (durchschnittlich 38,5 bzw. 40 Stunden) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden (§ 7 Abs. 7 TVöD-K).
Hingegen handelt es sich bei Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte zwar über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus, jedoch nur bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten, um sog. Mehrarbeit. Mehrarbeit wird mit dem tariflichen Entgelt, jedoch ohne gesonderte Zuschläge vergütet.
Der TVöD-K enthält zudem eine Sonderregelung für Beschäftigte, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten. Im Falle von Wechselschicht- und Schichtarbeit handelt es sich nur dann um zuschlagspflichtige Überstunden, wenn die Arbeitsstunden über „die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden“ hinausgehen und im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden (vgl. § 7 Abs. 8 lit. c) TVöD-K).
Was sagt das BAG?
Das BAG sieht in dieser Vergütungspraxis keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigungen und erklärt die Regelungen des TVöD-K zur Vergütung von Überstunden für wirksam.
Nach Auffassung des BAG sieht der TVöD-K keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden vor, mit der die Klägerin zwar ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigen überschreitet. Daher sind für die Klägerin allein die Regelungen zur Mehrarbeit maßgeblich.
Diese Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten ist wirksam, weil der TVöD-K für die beiden Arbeitnehmergruppen völlig unterschiedliche Regelungssysteme in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden enthält. Damit liegt keine unzulässige Diskriminierung vor.
Warum ist die Entscheidung wichtig für die Praxis?
Mit der aktuellen Entscheidung gibt das BAG auch seine bisherige Rechtsprechung zum Überstundenbegriff im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit ausdrücklich auf.
Das BAG sieht in der Sonderregelung des TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten (Voll- und Teilzeitbeschäftigte), die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, einen Verstoß gegen das das Gebot der Normklarheit und erklärt die Regelung deshalb für unwirksam.
Nach der Entscheidung des BAG ist Teilzeitbeschäftigten folglich, auch im Fall von Schicht- und Wechselschichtarbeit, nur dann ein Überstundenzuschlag zu zahlen, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 TVöD-K erfüllt sind. Erforderlich ist, dass die regelmäßige wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten überschritten wird und die Überstunden nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden können. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so handelt es sich „lediglich“ um Mehrarbeit im Sinne des § 7 Abs. 6 TVöD-K, die jedoch nicht zuschlagspflichtig ist. Diese Grundsätze sind künftig wohl im gesamten Bereich des TVöD und im Rahmen gleichlautender Regelungen der Tarifverträge einzelner Bundesländer zu beachten.