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„Erste Tätigkeitsstätte“ Homeoffice – Auswirkungen auf die Dienstwagenbesteuerung?

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In den vergangenen 18 Monaten hat sich das Homeoffice zunehmend zum Mittelpunkt vieler Arbeitsverhältnisse entwickelt. Doch welche Auswirkungen hat die Verlagerung der Arbeitsleistung in die heimischen vier Wände auf die Versteuerung des geldwerten Vorteils Dienstwagennutzung? Kann das Homeoffice die „erste Tätigkeitsstätte“ darstellen und somit eine zusätzliche Besteuerung der Dienstwagennutzung bei Fahrten in den Betrieb ausschließen?

Die Grundsätze der Besteuerung privater Dienstwagennutzung sind oftmals bekannt: Wird ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, ist diese private Nutzung als geldwerter Vorteil zu versteuern, was regelmäßig pauschal pro Kalendermonat mit 1 Prozent des Listenpreises erfolgt.

Besteht jedoch zudem die Möglichkeit, den Dienstwagen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zu nutzen, sind diese Fahrten mit dem Dienstwagen auch noch als zusätzlicher geldwerter Vorteil steuerpflichtig. Üblicherweise erfolgt dabei eine Pauschalversteuerung (0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte). Alternativ können ArbeitnehmerInnen die Versteuerung nach der Einzelbewertung verlangen (0,002 % Bruttolistenpreis je Entfernungskilometer und Tag, wenn die ArbeitnehmerInnen an weniger als 15 Tagen im Monat zur Arbeit fahren).

Erste Tätigkeitsstätte

Voraussetzung dieser zusätzlichen Steuerpflicht ist allerdings in jedem Fall, dass ein Arbeitnehmer überhaupt über eine „erste Tätigkeitsstätte“ verfügt. Definiert ist diese in § 9 EStG als eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, welcher der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Aus der Definition ergibt sich daher bereits die erste Weichenstellung: Das Homeoffice kann niemals die erste Tätigkeitsstätte sein, da es sich dabei nicht um eine betriebliche Einrichtung handelt.

Die Prüfung, ob und wenn welcher Tätigkeitsstätte ArbeitnehmerInnen stattdessen im konkreten Einzelfall steuerrechtlich zugeordnet sind, erfolgt in zwei Schritten:

Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers

Zunächst wird die dauerhafte Zuordnung der ArbeitnehmerInnen durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt. Vertraglich festgelegte Arbeitsorte, die nicht lediglich eine organisatorische Zuordnung darstellen (ohne, dass dort tatsächlich ein Teil der Arbeitsleistung erbracht wird), legen die erste Tätigkeitsstätte für die Besteuerung verbindlich fest.

Anderenfalls: Quantitative Zuordnung

Hat der Arbeitgeber keine dauerhafte Zuordnungsentscheidung getroffen, ist eine quantitative Betrachtung angezeigt. Die erste Tätigkeitsstätte ist dort, wo der Arbeitnehmer/ die Arbeitnehmerin nach einer zukunftsorientierten Prognose dauerhaft

  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche mindestens an zwei vollen Arbeitstagen oder
  • mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit

tätig werden soll.

Fehlen einer ersten Tätigkeitsstätte

Dabei kann die quantitative Betrachtung zu dem Ergebnis führen, dass es keine erste Tätigkeitsstätte gibt:

Arbeiten ArbeitnehmerInnen etwa vollständig im Homeoffice bzw. mobil oder lediglich einen Tag einer Fünf-Tage-Woche im Betrieb, fehlt es an einer ersten Tätigkeitsstätte. In diesem Fall sind gelegentliche Fahrten in den Betrieb daher nicht zusätzlich zu versteuern.

Praxishinweis

Arbeitgeber sollten daher in Erwägung ziehen, auch bei im Homeoffice ober mobil tätigen MitarbeiterInnen eine erste Tätigkeitsstätte festzulegen, um bei der Versteuerung der Dienstwagennutzung frühzeitig für Rechtsklarheit zu sorgen. Dies bietet sich insbesondere in Fällen an, in denen ArbeitnehmerInnen große Flexibilität hinsichtlich der örtlichen Verrichtung ihrer Tätigkeiten mit gleichzeitig verbleibender Möglichkeit zur Erbringung in der Betriebsstätte eingeräumt wird.

Hier kann es sinnvoll sein, eine Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte vorzunehmen, um etwaigen Unsicherheiten im Rahmen der quantitativen Betrachtungsweise vorzubeugen. Eine solche Zuordnung ist dabei bereits dann möglich, wenn in dieser Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang Tätigkeiten verrichtet werden sollen, wie z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (Auftragsbestätigungen, Stundenzettel abgeben etc.).

KLIEMT.Arbeitsrecht




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