Beim Betriebsübergang ist einer der wichtigen Regelungspunkte die Behandlung von sogenannten Widersprechern in der Belegschaft, deren Arbeitsverhältnis beim Betriebsveräußerer bleibt, und den damit verbunden Kosten einer Trennung. Nun sichert das BAG eine Möglichkeit ab, die das Risiko des Annahmeverzugslohns ausschaltet.
Bei einem Betriebsübergang gehen die Arbeitsverhältnisse vom Betriebsveräußerer auf den Betriebserwerber über. Der Arbeitnehmer kann dies durch einen Widerspruch verhindern, muss jedoch häufig mit einer betriebsbedingten Kündigung beim alten Arbeitgeber rechnen. Problematisch für den neuen und alten Arbeitgeber ist jedoch, dass der Widersprecher beim Veräußerer nicht beschäftigt werden kann, denn der Arbeitsplatz liegt beim Erwerber, das Arbeitsverhältnis aber nach dem Widerspruch wieder beim Veräußerer. Eine verfahrene Situation!
Eine Lösung war schon zuvor, dem Arbeitnehmer eine Beschäftigung beim Erwerber anzubieten. Lehnt der Arbeitnehmer dies ab, musste er sich den entgangenen Verdienst auf den Annahmeverzugslohn gem. § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen und kommt bei null raus. Nun hat das BAG eine Möglichkeit abgesichert das Annahmeverzugslohnrisiko auszuschalten.
Der Fall
Die Beklagte hatte im Rahmen einer Ausgliederung als Betriebsveräußerin mit dem Betriebserwerber vereinbart, dass im Falle von Widersprüchen gegen den Betriebsübergang, die bei dem Erwerber dadurch entstehende Vakanz für einen Zeitraum von zwölf Monaten im Wege der Arbeitnehmerüberlassung „kompensiert“ werden soll. Der widersprechenden Klägerin wurde dementsprechend eine auf zwölf Monate befristete Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin zu unveränderten Bedingungen im Betrieb des Erwerbers angeboten. Nachdem die Klägerin das Angebot ablehnte und die Beklagte sie in ihrem eigenen Betrieb nicht fortbeschäftigen wollte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Im Rahmen des darauffolgenden Kündigungsschutzrechtsstreits machte die Klägerin auch Annahmeverzugslohn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend und argumentierte, dass ihr eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmerin unzumutbar und dies auch nicht vertraglich geschuldet sei.
Bestätigung des Rückverleihmodells durch das BAG
Das BAG entschied mit Urteil vom 19. Mai 2021 – 5 AZR 420/20 ebenso wie die Vorinstanzen, dass ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn der Klägerin nicht besteht. Die angebotene befristete Beschäftigung beim Betriebserwerber ist trotz des Verleihs an den Erwerber zumutbar, denn schließlich führt die Klägerin keine Tätigkeit als klassische Leiharbeitnehmerin aus, sondern die dieselbe Tätigkeit, am selben Arbeitsort für die zuletzt bezogene Vergütung. Nur eben für den Betriebserwerber. Den Einwand der Klägerin, dass eine Tätigkeit als Leiharbeitern vertraglich aber nicht geschuldet sei, konnte das BAG leicht entkräften. Schließlich stellt § 615 S. 2 BGB für den Ausschluss des Annahmeverzugslohns auf eine zumutbare anderweite Verdienstmöglichkeit ab und nicht auf die vertraglich geschuldete. Weiterhin unterscheidet sich die angebotene Tätigkeit inhaltlich nicht von ihrer Beschäftigung vor dem Betriebsübergang beim Betriebsveräußerer.
Bewertung und Praxishinweise
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie ist insbesondere für die Vertragsgestaltung bei M&A-Unternehmenskaufverträgen von besonderer Bedeutung. Die Entscheidung stimmt mit der zuvor ergangenen Rechtsprechung überein, dass der Widerspruch an sich eine anderweitige Erwerbsmöglichkeit beim Betriebserwerber nicht ausschließt (BAG vom 19. März 1998 – 8 AZR 139).
Sofern die Parteien von M&A-Verträgen die Risikoverteilung und Verfahren in Bezug auf Widersprecher regeln, sollte in Zukunft, soweit nicht schon geschehen, stets an die Möglichkeit des Rückverleihs der Widersprecher an den Betriebserwerber gedacht werden. Auf diese Weise lassen sich vor allem aus Verkäufersicht Kostenrisiken vermeiden. Denn typischerweise sehen M&A-Verträge vor, dass der Verkäufer den Käufer im Falle von Widersprüchen von den daraus resultierenden Kosten freistellen muss. Zu den Kosten zählen neben Abfindungskosten vor allem auch die Gehälter während der einzuhaltenden Kündigungsfristen, die sich infolge des Rückverleihs wiederum reduzieren bzw. sogar vermeiden lassen, sofern denn der Erwerber verpflichtet ist, die Widersprecher im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei sich einzusetzen.
Wenn der Arbeitnehmer künftig im Rahmen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 5 BGB auf ein vereinbartes Rückverleihmodell hingewiesen wird, dürfte dies den Widerspruch in Zukunft deutlich unattraktiver machen. Schließlich müssen die Widersprecher nicht nur fürchten, dass der Betriebsveräußerer ihm kündigt, sondern, dass es auch während der Kündigungsfrist keine Annahmeverzugslohn gibt. Vorausgesetzt der Widersprecher will nicht weiter beim Betriebserwerber tätig sein, dann hätte dieser jedoch den Widerspruch besser sparen können.