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Mobile Working als Geschäftsidee: Risiken der Nutzung von „Employers of Record“

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Homeoffice war gestern: Mit den digitalen Möglichkeiten und angesichts der andauernden Corona-Pandemie steigt auch die Beliebtheit von mobiler Arbeit, die remote aus dem Ausland durchgeführt wird. Diese birgt jedoch unter anderem nicht zu unterschätzende aufenthalts-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Risiken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie damit verbunden zusätzlich administrativen Aufwand (siehe hierzu unseren Blog). Sog. „Employers of Record“ (EOR) werben nun mit einem globalen Konzept, welches Vereinfachung und Risikominimierung verspricht. Was ein „Employer of Record“ überhaupt ist und welche Möglichkeiten und – teils erhebliche – Risiken sich bei seiner Nutzung ergeben, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 Konzept des „Employer of Record“

Ein „Employer of Record“ ist – wie die englische Bezeichnung besagt – ein rein formaler Arbeitgeber „auf dem Papier“. Es handelt sich hierbei in der Regel um ein Unternehmen, welches für eine Gebühr Arbeitnehmer anstellt, die aber tatsächlich ausschließlich für ein anderes Unternehmen tätig werden. Das Unternehmen, für das die Arbeitnehmer tatsächlich tätig werden, ist der Kunde des „Employer of Record“.

Somit handelt es sich bei „Employers of Record“ grundsätzlich um Serviceanbieter. Das Konzept wird vor allem in den USA genutzt. In jüngster Zeit haben „Employers of Record“ jedoch auch den Markt im Hinblick auf das mobile Arbeiten aus dem Ausland erschlossen: Sie werben gegenüber Arbeitgebern damit, dass diese mit möglichst geringem Administrationsaufwand und Risiko Arbeitnehmer in einem anderen Staat anstellen können, indem sie diese „über“ den Employer of Record beschäftigen. Oft haben „Employers of Record“ auch einen lokalen Sitz in dem Land, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll – dies ist für Arbeitgeber insbesondere in solchen Ländern interessant, in denen der Arbeitgeber andernfalls erst eine Niederlassung gründen müsste, um einen Arbeitnehmer anzustellen. Während der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis inhaltlich gestaltet, wird der Arbeitnehmer im Ausland formal von dem beauftragten dort ansässigen Employer of Record eingestellt. Darüber hinaus werben „Employers of Record“ damit, unter anderem auch folgende Dienstleistungen für den „eigentlichen“ Arbeitgeber zu erbringen:

  • Bereitstellung einer lokalen Gesellschaft zur Abwicklung einer konformen Gehaltsabrechnung vor Ort,
  • Beantragung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen für Arbeitnehmer sowie
  • Einhaltung des anwendbaren lokalen Arbeitsrechts sowie Kommunikation mit Behörden im Ausland.

Beschäftigung über „Employer of Record“ ist Arbeitnehmerüberlassung

Was auf den ersten Blick scheint, als sei es eine Möglichkeit zur Einstellung ausländischer Fachkräfte im Ausland, entpuppt sich auf den zweiten Blick als gar nicht so neu. Nach deutschem Recht handelt es sich bei der Beschäftigung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin „über“ einen anderen Arbeitgeber in aller Regel um eine Arbeitnehmerüberlassung: Da der „Employer of Record“ den Arbeitnehmer lediglich rein formal beschäftigt und inhaltlich der „eigentliche“ Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gestaltet, wird der Arbeitnehmer in der Regel in die Arbeitsorganisation des „eigentlichen“ Arbeitgebers eingegliedert sein und seinen Weisungen unterliegen. Somit wird der „Employer of Record“, der den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin anstellt, als Verleiher tätig – er verleiht den Arbeitnehmer im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung an den „eigentlichen“ Arbeitgeber als Entleiher (§ 1 Abs. 1 AÜG). Angesichts des Vorliegens einer Arbeitnehmerüberlassung ist für Arbeitgeber bei der Nutzung von „Employers of Record“ daher größte Vorsicht geboten.

Erfordernis einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis

Handelt es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung, dann benötigt der „Employer of Record“ hierfür nach deutschem Recht grds. eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (§ 1 Abs. 1 AÜG). Voraussetzung hierfür ist aber, dass das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz überhaupt anwendbar ist:

Nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG (Rn. 1.1.1) beschränkt sich der Geltungsbereich der Erlaubnispflicht des AÜG nach dem Territorialitätsprinzip auf die Bundesrepublik Deutschland. Innerhalb Deutschlands gilt das AÜG für das Tätigwerden einheimischer wie ausländischer Verleiher gleichermaßen. Erfasst wird daher der Verleih von Arbeitnehmern in Deutschland, sowie nach Deutschland hinein und aus Deutschland heraus. Nicht erfasst ist der Verleih durch einen ausländischen Verleiher an einen inländischen Entleiher, wenn der Leiharbeitnehmer ausschließlich im Ausland eingesetzt wird.

Wird also ein Arbeitnehmer von dem ausländischen „Employer of Record“ somit ausschließlich im Ausland beschäftigt, so findet das deutsche AÜG keine Anwendung und der „Employer of Record“ benötigt auch keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Aber: Ein Verleih von Arbeitnehmer nach Deutschland hinein und somit eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung nach dem dann anwendbaren AÜG liegt ggf. bereits schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin eine Dienstreise nach Deutschland unternimmt oder – ggf. sogar ohne Kenntnis des Arbeitgebers –gelegentlich mobil aus Deutschland arbeitet. Eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung wird darüber hinaus in aller Regel dann vorliegen, wenn eine Beschäftigung nicht nur im Ausland, sondern auch in Deutschland geplant ist.

Risiken eines erlaubnispflichtigen Verleihs ohne Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis

Daher sollte in jedem Einzelfall genau geprüft werden, ob die Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht erlaubnispflichtig ist – und wenn ja, ob der „Employer of Record“ eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis innehat. Ist die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nämlich erforderlich, und der „Employer of Record“ kann eine solche nicht vorlegen (gerade „Employers of Record“ in nicht-EU-/EWR-Staaten werden hierzu in der Regel gar nicht in der Lage sein, § 3 Abs. 2 AÜG), dann bestehen für den Arbeitgeber / die Arbeitgeberin erhebliche Risiken, unter anderem – aber nicht ausschließlich – die folgenden:

Dem „Employer of Record“ (gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1, 1c, Abs. 2 AÜG) und dem „tatsächlichen“ Arbeitgeber (gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1a, 1c AÜG) drohen jeweils für die Überlassung bzw. das Tätigwerdenlassen der Arbeitnehmer Geldbußen bis zu 30.000 Euro.

Ferner würden Arbeitsverhältnisse zwischen dem „tatsächlichen“ Arbeitgeber in Deutschland und den Arbeitnehmern „automatisch“ zustande kommen – sofern nicht die Arbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Arbeitsbeginn der Überlassung gegenüber dem „eigentlichen“ Arbeitgeber oder dem „Employer of Record“ erklären, dass sie an dem Arbeitsvertrag mit dem „Employer of Record“ festhalten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 AÜG). Dass tatsächlich doch das Unternehmen in Deutschland formal Arbeitgeber ist – was man ja eigentlich gerade vermeiden wollte – kann wiederum nach dem lokalen Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer hauptsächlich beschäftigt wird, zu Schwierigkeiten führen (zum Beispiel kann dann doch die Niederlassung des deutschen Arbeitgebers im Beschäftigungsstaat erforderlich sein).

Praxishinweis:

Nicht nur Arbeitnehmer schätzen die Vorteile der mobilen Arbeit von der ganzen Welt aus. Auch für Unternehmen ist insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland die Möglichkeit verlockend, Arbeitnehmer aus und in der ganzen Welt für sich tätig werden zu lassen. Die Inanspruchnahme eines „Employer of Record“ hierfür ist jedoch risikobehaftet und sollte nur nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall in Betracht gezogen werden.

Vielen Dank an Jana Schön (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Berliner Büro) für die Mitwirkung bei der Erstellung des Beitrags.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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