Das Dauerthema Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO wird uns im Jahr 2022 erhalten bleiben. Wir warten weiterhin auf eine Konkretisierung der Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs und damit auch der Verteidigungsmöglichkeiten für Arbeitgeber und andere Verantwortliche im Sinne des Datenschutzrechts durch die Rechtsprechung.
Ein erster Aufschlag könnte allerdings die Urteilsbegründung des BAG in der Sache 2 AZR 235/21 sein. Am 16.12.2021 hat das BAG im Verfahren eines ehemaligen Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber bezüglich der Herausgabe aller Leistungs- und Verhaltensdaten entschieden und die Klage – anders als die Vorinstanz (LAG Baden-Württemberg vom 17.3.2021 – Az. 21 Sa 43/20) – abgewiesen. Zum aktuellen Zeitpunkt (Stand 17.01.2022) hat das BAG aber nur den Tenor des Urteils veröffentlicht, sodass hinsichtlich der Urteilsbegründung ein gewisser Interpretationsspielraum verbleibt.
Es spricht jedoch einiges dafür, dass der 2. Senat seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 27.4.2021 (2 AZR 342/20, vgl. hierzu unseren Blog vom 26.5.2021) fortführt und die Herausgabe der Unterlagen am unbestimmten Klageantrag des Klägers scheitern lässt. Im April 2021 wies der 2. Senat die Aufforderung, alle E-Mails herauszugeben, als zu unkonkret zurück. Das Klagebegehren sei im Sinne von § 243 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt. Sofern es nicht möglich sei, einen hinreichend bestimmten Antrag zu stellen, müsse eine Stufenklage nach § 254 ZPO erhoben werden.
Aufgrund des ebenfalls sehr weiten Antrags im hiesigen Verfahren, nämlich
„die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten und nicht in der Personalakte des Klägers gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers zu erteilen“
(die Formulierung des Antrags ist dem Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 17.3.2021 entnommen), liegt die Vermutung nahe, dass der 2. Senat des BAG den Antrag auch in diesem Verfahren als nicht hinreichend bestimmten Antrag gem. § 243 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ansieht. Eine vorherige Stufenklage nach § 254 ZPO gab es nicht. Ob die Begründung der 2. Senats tatsächlich dementsprechend ausfallen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Darüber hinaus wären eine differenzierte Auseinandersetzung sowie die Nennung weiterer Ablehnungsgründe für einen Antrag nach Art. 15 DSGVO im Rahmen der Begründetheit des Anspruchs aus Arbeitgebersicht wünschenswert, um mehr Beratungssicherheit für vergleichbare Verfahren zu erhalten, und nicht bloß auf nicht hinreichend bestimmte Anträge im Rahmen der Zulässigkeit der Klage hoffen zu müssen.
Positiv festzuhalten ist, dass der 2. Senat des BAG seiner Linie treu bleibt und zumindest der pauschalen Aufforderung von Arbeitnehmer/innen, alle Unterlagen herauszugeben, nicht ohne Weiteres durch Arbeitgeber gefolgt werden muss. Damit weicht er offenbar weiterhin von der Linie des BGH ab, der in einer Entscheidung vom 15.06.2021 aus der Versicherungsbranche dem klägerischen Begehren auf die Herausgabe von teilweise bereits zuvor erteilten Informationen stattgegeben hatte (VII ZR 579/19, vgl. hierzu unseren Blog vom 9.8.2021).
Praxishinweise
Unabhängig von der noch ausstehenden Urteilsbegründung des BAG hat der Arbeitgeber bereits jetzt einige Möglichkeiten, auf einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zu reagieren, ohne dem Antragsteller „alles“ zu übersenden. Zunächst kann der Arbeitgeber, sofern der Anspruch weder wirtschaftlich oder personell erfüllbar ist bzw. als exzessiv zu verstehen ist, um Konkretisierung des Anspruchsbegehrens durch den Antragsteller bitten (Satz 7 der Erwägungsgrund 63 zu Art. 15 DSGVO). Zudem kann der Schutz von Rechten und Freiheiten anderer Personen dazu führen, dass nicht alle Unterlagen herausgegeben werden können (Art. 15 Abs. 4 DS-GVO). Davon umfasst sind auch Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums, insbesondere das Urheberrecht an Software (Satz 5 der Erwägungsgrund 63 zu Art. 15 DSGVO), aber auch die personenbezogenen Daten von Kollegen oder Kunden, die in der verlangten Korrespondenz erwähnt werden. Wir werden gerne berichten, ob und inwiefern das BAG in der Begründung der Entscheidung vom 16.12.2021 die Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf umfassende Auskunftsansprüche gem. Art. 15 DSGVO konkretisieren und verbessern wird.