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Fremdenfeindliche Wahlvorschläge bei Betriebsratswahlen – was kann der Arbeitgeber tun?

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Bei den anstehenden ordentlichen Betriebsratswahlen im Frühjahr 2022 muss mit zahlreichen fremdenfeindlichen Wahllisten bzw. Einzelkandidaten gerechnet werden. Welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber gegen derartige Wahlvorschläge?

In der Arbeiterschaft sind Wähler der AfD deutlich überproportional vertreten. Bei der Bundestagswahl 2021 wurde die Partei hier zweitstärkste Kraft mit 21 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sogar unter Gewerkschaftsmitgliedern hat sie mit 12,2% besser abgeschnitten als im Durchschnitt der Bevölkerung (10,3%). Diese Entwicklung geht auch am Alltag im Betrieb nicht spurlos vorbei.

Fremdenfeindliches Gedankengut im Betriebsrat

Längst sitzen Arbeitnehmer mit fremdenfeindlichem Gedankengut in den Betriebsräten und sorgen für Unruhe in der Belegschaft. Prominentestes Beispiel hierfür ist die rechte Gewerkschaft „Zentrum Automobil“. Im Rahmen der ordentlichen Betriebsratswahlen 2018 ist sie mit eigenen Listen angetreten und hat prestigeträchtige Mandate erringen können bei Daimler, Stihl, Opel, BMW und Porsche.

Fremdenfeindliche Positionen sind demnach bereits in der betrieblichen Wirklichkeit angekommen. Auch bei den kommenden ordentlichen Betriebsratswahlen im Frühjahr 2022 ist mit zahlreichen fremdenfeindlichen Wahlvorschlägen zu rechnen. Damit stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, mit welchen rechtlichen Handlungsoptionen er sich hiergegen zur Wehr setzen kann.

Fremdenfeindlichkeit schließt Wählbarkeit nicht aus

Die Wahlvorschläge in Form von Vorschlagslisten bzw. Einzelkandidaten müssen gegenüber dem Wahlvorstand eingereicht werden, welcher diese auf ihre Zulassung zur Betriebsratswahl prüft. Hierbei arbeitet er aber lediglich ein gesetzlich vorgegebenes Prüfungsprogramm ab. Die Fremdenfeindlichkeit eines Bewerbers gehört nicht hierzu, sodass der Wahlvorstand auch fremdenfeindliche Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl zuzulassen hat.

Da die Fremdenfeindlichkeit die Wählbarkeit eines Bewerbers also nicht ausschließt, haben auch typische Rechtsbehelfe des Arbeitgebers wie eine Wahlanfechtung keine Aussicht auf Erfolg. Die Möglichkeit des Arbeitgebers, ein Betriebsratsmitglied bei grober Amtspflichtverletzung aus dem Betriebsrat entfernen zu lassen, lässt sich ebenfalls nicht auf einen Ausschluss des fremdenfeindlichen Kandidaten von der Betriebsratswahl übertragen.

Kündigung des Wahlbewerbers

Damit verbleibt dem Arbeitgeber im Fall fremdenfeindlicher Äußerungen oder Handlungen eines Wahlbewerbers insbesondere der klassische Weg einer außerordentlichen Kündigung. Fremdenfeindliches Verhalten eines Arbeitnehmers im Betrieb ist grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Jedoch sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Außerdem muss der Arbeitgeber darauf achten, dass er vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eines Wahlbewerbers die Zustimmung des Betriebsrats benötigt bzw. diese durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen muss.

Wenn der Arbeitgeber einen Wahlbewerber außerordentlich kündigt, dieser Kündigungsschutzklage erhebt, jedoch nicht tatsächlich weiterbeschäftigt wird, bleibt er bei der Betriebsratswahl zwar wählbar. Allerdings ist er bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses an der Ausübung seines Betriebsratsamts gehindert und wird solange durch ein Ersatzmitglied vertreten.

In der Kommunikation nach außen sowie im Prozess sollte sich der Arbeitgeber nur auf die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers beziehen, nicht jedoch eine beabsichtigte Einwirkung auf die Betriebsratswahl bzw. die anschließende Tätigkeit im Betriebsrat erwähnen. Anderenfalls riskiert er die Unwirksamkeit der Kündigung, weitere Sanktionen und sogar eine etwaige Strafbarkeit.

Einwirkung des Arbeitgebers auf den Wahlvorgang

Sowohl eine Wahlbehinderung als auch eine Wahlbeeinflussung sind verboten. In der Vergangenheit wurde zudem eine allgemeine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers angenommen, nach welcher er sich bezüglich der Betriebsratswahlen in strikter Enthaltung zu üben und insbesondere jegliche Wahlwerbung zu unterlassen habe. Das BAG hat dieser nicht überzeugenden Auffassung aber in einer jüngeren Entscheidung zurecht eine Absage erteilt und dem Arbeitgeber einen größeren Spielraum für Äußerungen im Rahmen der Betriebsratswahlen zugestanden (siehe hierzu unsere Blogbeiträge vom 27.03.2018 und 24.11.2021). Es ist ihm gestattet, sich durch positive bzw. negative Wahlwerbung für bzw. gegen bestimmte Wahlvorschläge auszusprechen und sogar Arbeitnehmer zur Kandidatur auf einer „arbeitgeberfreundlichen Liste“ aufzufordern.

Damit ist es für den Arbeitgeber möglich, sich aktiv gegen fremdenfeindliche Wahlvorschläge zu positionieren. Nicht gestattet ist es dem Arbeitgeber weiterhin, Wahlbewerbern, Wählern oder Dritten im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl Nachteile zuzufügen bzw. anzudrohen oder Vorteile zu gewähren bzw. zu versprechen. Verstöße hiergegen sind mit strengen Sanktionen bis hin zu einer etwaigen Strafbarkeit verbunden.

Praxishinweis

Die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers gegen fremdenfeindliche Wahlvorschläge bei Betriebsratswahlen sind beschränkt. Erfolgsversprechend kann in Einzelfällen eine außerordentliche Kündigung sein. Im Übrigen sollte der Arbeitgeber die Möglichkeit einer inhaltliche Positionierung im Rahmen des Betriebsratswahlkampfes aktiv nutzen.

Falls sich fremdenfeindliche Kandidaten bei der Wahl durchsetzen und in den Betriebsrat einziehen, ist dem Arbeitgeber auch gegenüber diesen Betriebsratsmitgliedern ein in jeder Hinsicht rechtskonformes Verhalten und eine ordnungsgemäße Sacharbeit zu empfehlen. Sollte sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt ein Fehlverhalten eines solchen fremdenfeindlichen Betriebsratsmitglieds zeigen, ist ein zügiges und entschiedenes Einschreiten des Arbeitgebers unter Wahrnehmung aller zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten angezeigt. Im Übrigen kann sich der Arbeitgeber sonstiger Steuerungsmöglichkeiten gegen Fremdenfeindlichkeit bedienen, wie seinem Rederecht auf Betriebsversammlungen, dem Abschluss freiwilliger Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat oder dem Abschluss einer Zukunftsvereinbarung mit einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft.

Dr. Burkard Göpfert, LL.M.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Burkard Göpfert berät und verhandelt komplexe Transformations-, Integrations- und Restruk­tu­rierungs­pro­jekte und unterstützt Sozialpartner bei der Lösung schwieriger Herausforderungen. Seine Schwerpunkte liegen in der Metall-, Montan- und Chemieindustrie und decken Sozialplan-, Sozialtarif- und Tarifverhandlungen wie auch die Entwicklung moderner Transformationseinheiten und -gesellschaften. Er ist Autor und (Mit)-Herausgeber zahl­rei­cher Fachbücher zu den Themen Umstruk­tu­rie­rung und Arbeitsrecht sowie Lehr­be­auf­trag­ter an der Frankfurt School of Finance und an der Universität Passau. Er leitet seit 20 Jahren die Jahrestagung „Restrukturierung“ des Han­dels­blatts. Burkard Göpfert ist u.a. Mitherausgeber der ZIP.
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