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Pauschale Überstundenabgeltung – welche Rolle spielt die Höhe des Gehalts?

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Ein aktuelles Urteil zeigt, dass Arbeitgeber weiterhin Vereinbarungen zur pauschalen Überstundenabgeltung treffen dürfen – und zwar grundsätzlich auch unabhängig von der Höhe der Jahresvergütung des Arbeitnehmers. Was Arbeitgeber bei der Gestaltung entsprechender Abgeltungsklauseln beachten sollten, zeigen wir in diesem Beitrag.

Arbeitnehmer in Deutschland machen in Summe einige Überstunden: Im Pandemie-Jahr 2020 waren es rund 1,67 Milliarden Stunden (2019: 1,86 Milliarden). Von den 1,67 Milliarden Überstunden sind laut Statistik mehr als die Hälfte unbezahlt. Dies liegt unter anderem daran, dass viele Arbeitsverträge eine pauschale Abgeltung von Überstunden vorsehen. Solche Klauseln regeln, dass ein gewisser Anteil der geleisteten Überstunden bereits mit dem Grundgehalt abgegolten ist. Nachdem wir mit dem Beitrag vom 23. Juli 2019 einen Überblick zum Thema Überstunden gegeben haben, stellen wir uns hier die Frage: Unter welchen Voraussetzungen ist eine pauschale Abgeltung von Überstunden in Arbeitsverträgen möglich?

Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern lehnte jüngst eine Überstundenforderung mit Hinweis auf eine wirksame Klausel zur Überstundenabgeltung ab (Urteil vom 14. September 2021 – 2 Sa 26/21).

Der mit einer 40-Stunden-Woche und einem Bruttomonatsgehalt von 1.800 € angestellte Kläger forderte mit seiner Klage eine Überstundenvergütung für knapp 90 Überstunden. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Regelung, nach der bis zu zehn Überstunden mit der monatlichen Grundvergütung abgegolten seien. Der Kläger vertrat die Auffassung, diese Regelung sei unwirksam, da sie überraschend gewesen sei. Zudem sei er von seinem Arbeitgeber in die Irre geführt worden, da die regelmäßige Wochenarbeitszeit regelmäßig mehr als die vereinbarten 40 Stunden betrage.

Das Gericht entschied, die Klausel halte einer AGB-Kontrolle stand. Die Klausel sei weder überraschend, noch benachteilige sie den Kläger unangemessen, noch sei sie aus irgendeinem anderen Grund unwirksam. Eine solche Abrede könne auch unabhängig von der geringen Höhe der Jahresvergütung getroffen werden, solange dies faktisch nicht zu einer Unterschreitung des Mindestlohnes oder einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führe. Auch eine Irreführung lehnte das Gericht ab, da der Arbeitsvertrag keine Aussage zur Häufigkeit des Anfallens von Überstunden getätigt habe.

Gestaltungshinweise für Arbeitgeber

Die Vereinbarung einer Abgeltung von Überstunden im Arbeitsvertrag zur Vermeidung von bezahlten Überstunden ist gängige Praxis (zur Regelung in Betriebsvereinbarungen siehe unseren Beitrag vom 4. Juli 2019). Bei der Formulierung entsprechender Klauseln ist Sorgfalt und Fingerspitzengefühl gefragt.

Auf folgende Punkte sollte daher unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung besonders geachtet werden:

  • Keine überraschende Klausel = voraussehbare Positionierung im Vertragstext (zum Beispiel unter den Überschriften „Vergütung“ oder „Überstunden“)
  • Transparenz = Festlegung der Anzahl der ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden pro Monat („Arbeitnehmer muss wissen, was auf ihn zukommt“)
  • Keine Überschreitung der maximal zulässigen Abgeltung von Überstunden (z.B. bei faktischer Unterschreitung des Mindestlohns)
  • Kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Stichwort „Lohnwucher“: Vergütung entspricht nicht weniger als 2/3 der in der Branche und Region üblichen Vergütung)
  • Beachtung des maximal zulässigen Abgeltungsumfangs (bisher von der Rechtsprechung unbeanstandet: bis zu 20 Stunden pro Monat)
  • Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten

Auf die Höhe der Jahresvergütung kommt es nach dem LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht an, soweit die oben genannten Grenzen eingehalten werden.

Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, weitergehende Abgeltungsregelungen zu vereinbaren, wenn es sich um die Erbringung von Diensten höherer Art oder einen Arbeitnehmer mit einer deutlich herausgehobenen Vergütung handelt. Letzteres ist bei Einkommen der Fall, die über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung

Fazit

Arbeitgebern ist zu empfehlen, sich vor Zusatzkosten im Zusammenhang mit Überstunden durch eine clevere Vertragsgestaltung zu schützen. Auch dafür gilt die Vertragsfreiheit – solange sich die Parteien im Rahmen des gesetzlich Zulässigen bewegen. Um Unsicherheiten zu vermeiden, ist eine professionelle und präzise Gestaltung sowie eine regelmäßige Überprüfung der vereinbarten Regelungen anzuraten.

Kristin Teske


Rechtsanwältin
Associate
Kristin Teske berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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