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(m/w/d) – Wie Arbeitgeber:innen sicher durch die Geschlechtervielfalt navigieren

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Die Belegschaft in Unternehmen wird diverser, und damit ergeben sich für Arbeitgeber:innen täglich neue Herausforderungen: Welcher Name kommt ins Arbeitszeugnis, wenn der/die transgeschlechtliche Mitarbeiter:in mit einem anderen Vornamen angesprochen werden möchte? Müssen wir Toiletten für das dritte Geschlecht zur Verfügung stellen? Welche Dienstkleidung erhalten queere Mitarbeiter:innen? Wir geben Antworten auf die drängendsten Fragen.

Ob trans-, intergeschlechtlich, non-binär oder auf andere Weise queer – die heutigen Geschlechteridentitäten sind vielfältig und rücken vermehrt in den Fokus. Nicht zuletzt das Massenouting von Mitarbeiter:innen der katholischen Kirche (siehe dazu unseren Blogbeitrag #outinchurch vom 01.02.2022) sowie der erstmalige Einzug von Transgenderfrauen in den Deutschen Bundestag untermauern die Aktualität des Themas. Auch die Arbeitswelt bleibt von diesen Entwicklungen nicht unberührt. Wir zeigen, was Arbeitgeber:innen im Umgang mit den mannigfaltigen Geschlechtern beachten sollten.

Was sollten Arbeitgeber:innen bei diversen Mitarbeiter:innen beachten?

Diverse Menschen genießen den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Sie dürfen daher nicht aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Da die Sensibilität für das Thema stetig wächst und auch das Bundesarbeitsgericht keine hohen Anforderungen an Indizien für eine Diskriminierung diverser Menschen stellt, sind Arbeitgeber:innen gut beraten, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

Diversität von Anfang an: die Stellenanzeige und das Bewerbungsgespräch

  • Eine Stellenausschreibung ist geschlechtsneutral zu formulieren. Da die Verwendung des „Gendersternchens“ in der Vergangenheit zu Streitigkeiten geführt hat, empfehlen wir nach wie vor (wie schon in unserem Blogbeitrag vom 19.08.2021), in Stellenausschreibungen auf den mittlerweile etablierten Zusatz „(m/w/d)“ zurückzugreifen.
  • Arbeitgeber:innen dürfen bei der Einstellung grundsätzlich nicht nach dem Geschlecht differenzieren. Sofern das Geschlecht für die zu besetzende Position keinerlei Rolle spielt – was regelmäßig der Fall sein wird – unterliegen Bewerber:innen keiner Pflicht, die (vergangene) Geschlechtszugehörigkeit offenzulegen. Von derartigen Fragen sollte daher abgesehen werden – jedenfalls, solange die auszuübende Tätigkeit durch jedes Geschlecht vertragsgemäß erbracht werden kann.

Diversität von A wie Arbeitsvertrag bis Z wie Zeugnis

  • Im Rahmen von standardisierten Verträgen, wie dem Arbeitsvertrag, besteht derzeit (noch) keine Pflicht zur geschlechtergerechten Bezeichnung. Der Bundesgerichtshof hat 2018 entschieden, dass grammatisch männliche Personenbezeichnungen (generisches Maskulinum) nicht männlich sind.
  • Die allgemeine Fürsorgepflicht von Arbeitgeber:innen gebietet es, bei individueller Kommunikation geschlechterspezifische Formulierungen zu wählen. Wir empfehlen daher, z.B. persönliche Anschreiben oder die Formulierungen in einem Arbeitszeugnis an das von dem/der Mitarbeiter:in gewählte Geschlecht anzupassen.
  • Nach einer mit einer Geschlechtsumwandlung einhergehenden Namensänderung hat der/die Mitarbeiter:in einen Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit geändertem Vornamen.

Diversität betrifft sämtliche Bereich des Arbeitsalltags

  • Ab Rechtskraft der Vornamensänderung muss der/die Mitarbeiter:in entsprechend dem neuen Vornamen (und der darin zum Ausdruck kommenden empfundenen Geschlechtszugehörigkeit) angesprochen und angeschrieben werden. Das gilt auch dann, wenn die Geschlechtsänderung noch nicht rechtskräftig ist. Damit betroffene Personen sich in ihrem Arbeitsumfeld akzeptiert fühlen, ist Arbeitgeber:innen zu empfehlen, Wünschen auf veränderte Anrede auch schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung nachzukommen, sofern ernsthafte Absichten einer dauerhaften Geschlechtsänderung zu erkennen sind.
  • Arbeitgeber:innen sollten auch mit Blick auf geschlechterspezifische (Dienst-)Kleidung sensibilisiert sein. Ihnen steht kein Weisungsrecht zu. Um in der Praxis Unannehmlichkeiten zu vermeiden, empfehlen wir, die Entscheidung von Beginn an freizustellen. Eine „klassische“ Zuordnung muss sonst gegebenenfalls später angepasst werden. Personen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen wollen, haben bereits vor der Änderung und Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit Anspruch auf Aushändigung von Dienstkleidung des anderen Geschlechts.
  • Laut geltender Arbeitsstättenverordnung sind Arbeitgeber:innen verpflichtet, Toilettenräume für Männer und Frauen getrennt einzurichten; jedenfalls eine getrennte Nutzung zu ermöglichen. Es besteht derzeit keine Pflicht, gesonderte Sanitäranlagen für das dritte Geschlecht bereitzustellen. Die Anpassung der Arbeitsstättenverordnung ist jedoch zu erwarten. Teilweise wird gefordert, die verpflichtende Geschlechtertrennung komplett aufzuheben und künftig nur noch auf „Unisex-Modelle“ zu setzen – so wie man es z.B. aus Zügen der Deutschen Bahn schon lange kennt. Bei geplanten Umbauten, Umzügen oder Renovierungen der Unternehmensräumlichkeiten sollten Arbeitgeber:innen daher bereits jetzt „Unisex-Sanitärraum“ einplanen. Lassen die räumlichen Gegebenheiten dies zu, kann auch eine bestimmte Sanitäranlage zur „Unisex-Sanitäranlage“ erklärt werden. Alternativ könnte z.B. zunächst auch eine geschlechterneutrale Beschilderung von Einzelkabinen erfolgen.

Da dieses Thema nicht nur einzelne Arbeitnehmer:innen, sondern insbesondere auch Arbeitskolleg:innen betrifft, sollte, unabhängig von einem konkreten Handlungsbedarf, Sensibilität für das Thema geschaffen werden. Durch Schulungen oder Veranstaltungen zu Themen wie Diversity und Geschlechtergerechtigkeit können Unkenntnisse ausgeräumt sowie Vorbehalte und Sorgen besprochen werden. Somit kann etwaigen Konflikten am effektivsten vorgebeugt werden.

  • Mutterschutz gilt für alle, die schwanger sind, Kinder gebären oder stillen, genauso für Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung oder nicht-binärem Geschlechtsempfinden wie für das weibliche Geschlecht. So ist es im Mutterschutzgesetz vorgesehen.

Ausblick – Was könnte noch auf Arbeitgeber:innen zukommen?

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung finden sich konkrete Veränderungspläne für das „queere Leben“ wieder. Es ist geplant, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein „Selbstbestimmungsgesetz“ zu ersetzen, das diversen Menschen umfassendere Rechte einräumt. Es ist zu erwarten, dass sich die neuen Rechte jedenfalls mittelbar auch auf das Arbeitsverhältnis auswirken werden.

Konkret im Arbeitsrecht soll zudem das sog. „Diversity Management“ vorangebracht werden, insbesondere im Mittelstand und im öffentlichen Dienst. Hierdurch soll die Vielfalt der Mitarbeiter zum Vorteil für das Unternehmen genutzt werden. Der Umgang von Arbeitgeber:innen mit diesen Aspekten dürfte auch im Hinblick auf „Talent Retention“ (vgl. hierzu unseren Blogbeitrag vom 7.10.2021) für Mitarbeiter:innen ein immer wichtiger werdendes Kriterium sein und sollte daher von Arbeitgeber:innen proaktiv in Angriff genommen werden.

Vielen Dank an Canan Schneider (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Düsseldorfer Büro) für die Mitwirkung bei der Erstellung des Beitrags.

Sandra Fredebeul

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Senior Associate
Sandra Fredebeul berät nationale und internationale Unternehmen vorwiegend in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen. Darüber hinaus konzentriert sie sich auf betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
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