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Nachhaltigkeit in Vergütungsmodellen: Auf ESG-Anforderungen reagieren

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Wie setzt man erstmalig ein nachhaltiges Vergütungsmodell auf? Nachhaltigkeit muss mehr und mehr in die Unternehmensführung integriert werden – auch beim Thema Vergütung gibt es Umsetzungsspielräume. Wir fassen das Wichtigste zusammen.

Um den steigenden Anforderungen an eine sozial verantwortungsvolle Unternehmensführung (Social Responsibility) gerecht zu werden und insbesondere für Kunden, Investoren und Beschäftigte in Zukunft attraktiv zu bleiben, werden sich Unternehmen fragen müssen, wie sie ihre Nachhaltigkeitsbilanz insgesamt steigern können. Eine Idee ist es, auch bei der Vergütung anzusetzen. Das ARUG II und der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) machen es für Vorstände bereits vor: Die Vergütung soll langfristig und nachhaltig ausgestaltet sein. Doch auch darüber hinaus können nachhaltigkeitsbezogene Zielgrößen als finanzielle oder nichtfinanzielle KPIs (Key-Performance-Indicator) gezielt bei der Vergütungsgestaltung eingesetzt werden.

Bereits existierende Vorgaben

Börsennotierte Unternehmen sind bereits nach dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinie (ARUG II) verpflichtet, die Vergütung ihrer Vorstandsmitglieder auch an nichtfinanzielle, d.h. soziale und ökologische Ziele zu knüpfen und entsprechend die Vergütungsstruktur an eine „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten“ (vgl. § 87 Abs. 1 S. 2 u. 3 AktG). Die gleichen Nachhaltigkeitsaspekte im Hinblick auf die Vorstandsvergütung finden sich in Grundsatz 23 Abs. 3 DCGK.

Finanzunternehmen sind durch Art. 5 der EU-Offenlegungsverordnung (VO 2019/2088/EU) seit März 2021 angewiesen, auf ihrer Homepage offenzulegen, inwiefern ihre Vergütungspolitik mit Nachhaltigkeitsrisiken in Form von Umwelt-, Sozialen- und Governance-Risiken (ESG – Environmental, Social, Governance) im Einklang steht.

Vermehrt bilden sich Initiativen und Arbeitskreise, die Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung herausgeben und – über die gesetzlichen Vorgaben hinaus – fordern, ESG-Ziele in der Vorstandsvergütung zu verankern. Dies ist zwar bislang unverbindlich, zugleich aber durchaus relevant. Denn Nachhaltigkeit rückt immer weiter in den öffentlichen Fokus und erlangt daher zunehmend an wirtschaftlichem Wert. Zahlreiche Unternehmen haben schon begonnen, Nachhaltigkeitsziele in ihren Vergütungsmodellen im Rahmen einer Selbstverpflichtung zu implementieren.

Unternehmensspezifische Umsetzung

Wie setzt man nun erstmalig ein nachhaltiges Vergütungsmodell auf? In der konkreten Umsetzung scheint derzeit alles möglich. Unternehmen haben einen großen Spielraum bei der Definition von Nachhaltigkeits-KPIs. Zunächst ist es aber wichtig, die Nachhaltigkeit als Bestandteil der Unternehmenskultur zu verstehen. Im Management sollte ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, was ESG-Compliance konkret für Ihr Unternehmen/Ihre Branche bedeutet und welche Erwartungshaltung seitens Ihrer Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Aktionäre, Investoren) gesetzt wird.

Daran gemessen sind im ersten Schritt Ziele zu definieren, für deren Umsetzung im zweiten Schritt für jeden Unternehmensbereich individuelle Strategien etabliert werden. Eine Typisierung von Nachhaltigkeits-KPIs in Vergütungsmodellen wird es nicht geben können. ESG-Kriterien sind vielschichtig. So werden etwa im Bankensektor, der geprägt ist von langfristigen Finanzierungen, andere Zielgrößen eine Rolle spielen als im produzierenden Gewerbe. Ebenso wird eine Zielvereinbarung mit Mitarbeitern des Einkaufs andere nachhaltigkeitsbezogene Verhaltenspflichten aufweisen können als es etwa für den Bereich IT sinnvoll wäre.

Um eine nachhaltige Vergütung im Unternehmen zu etablieren, ist es nicht unbedingt erforderlich, ein variables Vergütungssystem (Bonus, Tantieme) aufzusetzen und Nachhaltigkeitskriterien in einer Zielvereinbarung festzulegen. Auch eine Festvergütung kann im Lichte einer sozialen Verantwortung ausgestaltet sein. Darüber hinaus lassen sich unzählige weitere Benefits finanzieller und nichtfinanzieller Natur finden oder gar intrinsische Faktoren schaffen, um Mitarbeiter genauso wie Vorstände oder Geschäftsführer zu einem nachhaltigen Handeln zu motivieren. Unternehmen sind daher gut beraten, die bestehenden Vergütungsmechanismen zu evaluieren, mit den eigenen Nachhaltigkeitszielen abzugleichen und entsprechend anzupassen.

Anforderungen an ein nachhaltiges Vergütungsmodell

Als Orientierungshilfe lassen sich folgende Aspekte herausstellen, die beim Aufsetzen eines nachhaltigen Vergütungsmodells berücksichtigt werden sollten:

  • Eine sozial verantwortliche Vergütung sollte angemessen sein und langfristig eine soziale Absicherung ermöglichen.
  • Equal pay: Gleiche Vergütungschancen für Männer und Frauen.
  • Nachhaltigkeits-KPIs sollten den Bedürfnissen der Mitarbeiter und sonstigen Stakeholdern gerecht werden und dabei möglichst die eigene Unternehmensstrategie widerspiegeln.
  • Bei der Gewichtung sollten die Nachhaltigkeitsziele auch einen spürbaren Effekt haben und im Rahmen der Vergütungsbemessung nicht lediglich eine untergeordnete Rolle spielen.
  • Die Ziele sind möglichst so zu wählen, dass sie langfristig die Vergütung bestimmen.
  • Die Nachhaltigkeitsziele sollten transparent und nachvollziehbar formuliert werden.
  • Das etablierte Vergütungsmodell ist regelmäßig zu überprüfen, bei Bedarf um weitere Zielgrößen zu ergänzen und an etwaige regulatorische Entwicklungen anzupassen.

Ausblick

ESG im Zusammenhang mit HR kann mehr sein, als beim Dienstwagen vom herkömmlichen Verbrenner auf ein E-Fahrzeug oder E-Bike zu wechseln. Für ein nachhaltiges Personalmanagement („Green HR“) müssen Nachhaltigkeitsziele verstärkt auch in den Vergütungssystemen Einklang finden. Denn eine vollständige Nachhaltigkeitstransformation gelingt nur, wenn im gesamten Unternehmen ein Umdenken erfolgt und Mitarbeiter jeder Hierarchiestufe auf diesem Weg mitgenommen werden. Anreize für ein nachhaltiges Handeln können dabei vielfältig sein. Denkbar wären etwa Prämien für die Teilnahme an ESG-Schulungen oder das Engagement in sozialen Projekten. Bei der Ausgestaltung einer variablen Vergütung lassen sich Nachhaltigkeitskriterien in angemessenem Umfang in Zielvereinbarungen vereinbaren. So können etwa Mitarbeiter belohnt werden, die einen fördernden Beitrag zur ESG-Transformation des Unternehmens leisten. Auch in Verhaltensrichtlinien lassen sich Nachhaltigkeitsaspekte implementieren.

Es ist nicht auszuschließen, dass die gesetzlichen Vorgaben zu den bereits bestehenden Nachhaltigkeitspflichten in Bezug auf die Vergütung in Zukunft verschärft oder auf andere Branchen ausgeweitet werden. Unternehmen sollten daher nicht abwarten und die Zeit nutzen, um ein bedarfsgerechtes Vergütungskonzept unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien zu etablieren.

Isabell Flöter

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Isabell Flöter berät Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich des Betriebsverfassungs- und Tarifrechts, der Betreuung von Kündigungsschutzstreitigkeiten und Unternehmenstransaktionen sowie in der Erstellung und Gestaltung von Arbeits-, Änderungs- Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppeen "ESG" und "Unternehmensmitbestimmung".
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