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Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung – Entlastung von Arbeitgebern durch bestehende Tarifverträge?

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Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 17. August 2017 hat der Gesetzgeber erstmals eine Zuschusspflicht des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung eingeführt. Die praktische Umsetzung dieser Verpflichtung kann für Arbeitgeber zur Herausforderung werden und wirft zahlreiche Fragen auf, die zukünftig vermehrt die Arbeitsgerichte beschäftigen werden. Mit zwei Entscheidungen vom 8. März 2022 gibt das BAG erste zaghafte Antworten.

Die Zuschusspflicht und ihre Grenzen

Seit dem 1. Januar 2019 sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, je nach Höhe der ersparten Sozialversicherungsbeiträge bis zu 15 % des durch den Arbeitnehmer umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss zu gewähren. Dies gilt für Entgeltumwandlungen, die über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt werden. Für (individual- und kollektivrechtliche) Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die bereits vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen wurden, galt gemäß § 26a BetrAVG zunächst eine dreijährige Übergangsfrist. Seit dem 1. Januar 2022 sind jedoch auch solche „Altverträge“ zuschusspflichtig. Von den gesetzlichen Vorgaben zur Zuschusspflicht kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG durch Tarifverträge abgewichen werden – und das auch zuungunsten der Arbeitnehmer.

Soweit die Grundsätze. Doch was bedeutet dies konkret in der praktischen Umsetzung?

Bereits die Frage, wann die Übergangsvorschrift des § 26a BetrAVG Anwendung findet und die Zuschusspflicht damit erst ab 2022 greift, lässt sich nicht immer leicht beantworten. Auf welchen Zeitpunkt ist beispielsweise abzustellen, wenn die konkrete Entgeltumwandlungsvereinbarung zwar erst nach dem 1. Januar 2019 getroffen wird, aber auf einer bereits vor dem Stichtag abgeschlossenen kollektivrechtlichen Regelung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) basiert?

Ungeklärt ist zudem, ob tarifliche Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben zulasten der Arbeitnehmer auch dann nach § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässig sind, wenn der fragliche Tarifvertrag bereits vor Inkrafttreten der Zuschusspflicht abgeschlossen wurde.

Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit Zuschüsse, die der Arbeitgeber aufgrund eines Tarifvertrages zur Entgeltumwandlung ohnehin bereits gewährt, auf die gesetzliche Zuschusspflicht angerechnet werden können.

Zwei Verfahren, in denen alle diese Fragen eine Rolle spielten, hatten es im vergangenen Jahr bis zum BAG geschafft und in der Praxis die Hoffnung auf Klärung aus Erfurt geweckt. Die Entscheidungen des BAG vom 8. März 2022 (3 AZR 361/21 und 3 AZR 362/21, bisher nur als Pressemitteilung veröffentlicht) dürften jedoch nur wenig zur Beseitigung der bestehenden Rechtsunsicherheiten beitragen.

Worum ging es?

In beiden Fällen erfolgte für die Kläger auf Grundlage eines Tarifvertrags zur Altersversorgung aus dem Jahr 2008 eine Entgeltumwandlung. Der Tarifvertrag legte die Rahmenbedingungen für die gesondert zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu treffende Entgeltumwandlungsvereinbarung fest. Überdies gewährte der Arbeitgeber eine tarifliche Zusatzleistung in Form eines „Altersvorsorgegrundbetrags“. In einem Verfahren war der Versorgungstarifvertrag aufgrund beiderseitiger Tarifbindung anwendbar. In dem anderen Fall resultierte die Anwendbarkeit des Versorgungstarifvertrags aus einem entsprechenden Verweis in einem 2019 abgeschlossenen Haustarifvertrag.

Die Kläger, die beide erst nach dem 1. Januar 2019 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung nach Maßgabe der tariflichen Regelungen abgeschlossen hatten, begehrten die Zahlung des in § 1a Abs. 1a BetrAVG vorgesehenen Arbeitgeberzuschusses für die Jahre 2019 und 2020. Ebenso wie in der Vorinstanz (LAG Niedersachsen vom 31. Mai 2021 – 15 Sa 1096/20 B und 15 Sa 1098/20 B) hatten die Klagen vor dem BAG keinen Erfolg.

Tarifvertragliche Rahmenregelung als „kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung“

In dem Fall, in dem der Tarifvertrag aufgrund beiderseitiger Tarifbindung Anwendung fand, hielt das BAG die Übergangsregelung des § 26a BetrAVG für einschlägig. Der Anspruch auf die Zuschusspflicht bestand nach Ansicht der Richter daher erst ab dem 1. Januar 2022, nicht jedoch bereits für den geltend gemachten Zeitraum 2019 bis 2020.

Für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung kommt es nach Ansicht des BAG somit nicht darauf an, wann die individualrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen wird. Diese wurde vorliegend im Jahr 2019 abgeschlossen, sodass der Anwendungsbereich von § 26a BetrAVG nicht eröffnet wäre. Entscheidend ist laut BAG vielmehr der Abschlusszeitpunkt der zugrundeliegenden kollektivrechtlichen Entgeltumwandlungsvereinbarung im Sinne von § 26a BetrAVG, d.h. des entsprechenden Tarifvertrags oder der Betriebsvereinbarung zur Entgeltumwandlung.

Dabei spielte es für das BAG auch keine Rolle, dass der zugrundeliegende Tarifvertrag keine automatische Entgeltumwandlung vorsah, solange der Arbeitnehmer dem nicht widerspricht (sog. Optionssystem nach § 20 Abs. 2 BetrAVG), sondern noch durch individuelle Entgeltumwandlungsvereinbarungen umgesetzt werden musste. Bislang war mitunter vertreten worden, als kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung im Sinne des § 26a BetrVG kämen nur tarifliche Optionssysteme in Betracht. Dem scheint das BAG (zu Recht) nicht zu folgen und keine besonderen inhaltlichen Anforderungen an die zugrundeliegende Regelung zu stellen.

Haustarifvertrag als „abweichende Neuregelung“

In dem anderen Fall stellte das BAG maßgeblich auf den 2019 abgeschlossenen Haustarifvertrag ab und wertete diesen als abweichende Regelung im Sinne von § 19 BetrAVG. Durch die Bezugnahme auf den Tarifvertrag zur Altersversorgung aus dem Jahr 2008 und den dort vorgesehenen Altersvorsorgegrundbetrag ergebe sich eine von der gesetzlichen Zuschusspflicht abweichende Regelung, sodass ein Anspruch auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss schon aus diesem Grund ausscheide.

Es bleibt spannend…

Da der Haustarifvertrag nach Inkrafttreten der gesetzlichen Zuschusspflicht am 1. Januar 2019 abgeschlossen wurde, musste sich das BAG nicht damit auseinandersetzen, ob auch ältere Tarifverträge eine Abweichung von der Zuschusspflicht nach § 19 Abs. 1 BetrAVG vorsehen können. Diese spannende und ausgesprochen praxisrelevante Frage bleibt also nach wie vor unentschieden.

Auch auf die Frage, ob sonstige Leistungen des Arbeitgebers zur Altersversorgung – wie hier der Altersvorsorgegrundbetrag – auf den Arbeitgeberzuschuss anzurechnen sind, gibt das BAG – zumindest in der bislang lediglich vorliegenden Pressemitteilung – keine abschließende Antwort. Dies wäre jedoch wünschenswert gewesen, zumal das LAG Niedersachsen die Klageabweisung in der Vorinstanz im Wesentlichen damit begründet hatte, dass der vom Arbeitgeber geleistete Vorsorgegrundbetrag jedenfalls auf den gesetzlichen Zuschuss anzurechnen sei.

Fazit:

Die aktuellen Entscheidungen des BAG bringen nur wenig Licht ins Dunkel der arbeitgeberseitigen Zuschusspflicht. Für Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern auf Grundlage eines Tarifvertrages bereits Entgeltumwandlung ermöglichen, dürfte es sich lohnen, die bestehenden Regelungen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die eigene Zuschussplicht prüfen zu lassen. Bei zukünftigen Tarifabschlüssen sind Arbeitgeber überdies gut beraten, zumindest ausdrückliche Regelungen zur Anrechnung tariflicher Zuschüsse auf den gesetzlichen Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG aufzunehmen.

Jochen Saal

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Jochen Saal berät Arbeitgeber und Füh­rungs­kräfte vor allem bei der Umsetzung jeglicher Umstruk­tu­rie­rungsmaßnahmen. Besondere Expertise besitzt Jochen Saal zudem im Bereich der betrieb­li­chen Alters­ver­sor­gung. Hier unterstützt er unter anderem bei der Ver­ein­heit­li­chung von Pen­si­ons­plä­nen, dem Out­sour­cing von Pensionsverpflichtungen sowie betriebs­ren­ten­recht­li­chen Fragen im Zusam­men­hang mit Betriebs­über­gän­gen. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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