Bis zum 2. August 2022 muss der Gesetzgeber die sog. „Work-Life-Balance-Richtlinie“ umsetzen. Mit Spannung wurde erwartet, ob auch in Deutschland der „Vaterschaftsurlaub“ möglich wird. Schnell wird aber klar: Der „große Wurf“ bleibt vorerst aus. Welche Änderungen dennoch bereits ab dem 2. August auf Unternehmen zukommen, soll der folgende Beitrag zeigen.
Im Jahr 2021 haben rund 1,9 Millionen Frauen und Männer Elterngeld erhalten. Der Männeranteil beim Elterngeldbezug hat sich in den letzten Jahren erhöht und stieg auf ca. 25 %, im Vergleich zu 21 % im Jahr 2015. Damit wird klar, dass auch Männer mehr Elternzeit nehmen. Der Gesetzesentwurf dürfte aber wohl vorerst nicht zu einem weiteren Anstieg beitragen. Der von der Work-Life-Balance-Richtlinie ermöglichte zusätzlichen „Vaterschaftsurlaub“ wird nicht realisiert. Insgesamt müssen sich Unternehmen daher nur auf punktuelle Änderungen der bisherigen Rechtslage einstellen. Denn: Der größte Teil der Vorgaben der Richtlinie ist in Deutschland bereits umgesetzt.
Was sagt die Richtlinie der EU?
Die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige („Work-Life-Balance-Richtlinie“) verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung von Mindeststandards. Am 8. Juni 2022 wurde daher der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beschlossen. Ziel ist die Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt. Beabsichtigt ist auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hierzu sollen unter anderem Erleichterungen für Eltern und pflegende Angehörige beitragen.
Elternteilzeit
In Bezug auf die Elternteilzeit werden Unternehmen nach dem Entwurf künftig begründen müssen, wenn sie Anträge auf einvernehmliche Verringerung der Arbeitszeit bzw. ihrer Verteilung ablehnen. Dies soll für mehr Transparenz sorgen. Allerdings besteht auch weiterhin nur unter besonderen Voraussetzungen ein durchsetzbarer Anspruch auf Elternteilzeit. Was Arbeitgeber generell bei Elternteilzeit beachten sollten, haben wir im Beitrag vom 18. August 2021zusammengefasst.
Diskriminierungsschutz
Fürsorgeleistende Beschäftigte sollen nach der Richtlinie effektiver vor einer Diskriminierung am Arbeitsplatz geschützt werden. Insoweit begründet der Entwurf eine Zuständigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Danach können sich Fürsorgeleistende künftig an die Antidiskriminierungsstelle wenden, wenn sie der Ansicht sind, aufgrund der Beantragung oder Beanspruchung ihrer Rechte als Eltern oder pflegende Angehörige benachteiligt zu werden. Alternativ zu dieser Regelung wäre es möglich gewesen, das Erbringen von Fürsorgeleistungen in den allgemeinen Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes aufzunehmen. Dies hätte einen weitergehenden Schutz vor unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung bewirkt, wurde aber nicht umgesetzt.
Kein zusätzlicher „Vaterschaftsurlaub“
Auch nicht umgesetzt wurde ein Anspruch auf eine (mindestens) zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner aus Anlass der Geburt eines Kindes. Nach Vorgabe der Work-Life-Balance-Richtlinie wäre ein Anspruch auf „Vaterschaftsurlaub“ für Väter oder gleichgestellte zweite Elternteile einzuführen, der nur im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt besteht. Das deutsche Recht gewährt bisher zwar einen Anspruch auf Elternzeit, die auch unmittelbar nach der Geburt genommen werden kann, aber keinen zusätzlichen Urlaubsanspruch kurz vor oder nach der Geburt.
Falls ein zusätzlicher „Vaterschaftsurlaub“ zukünftig noch eingeführt wird, wäre insbesondere die Ausgestaltung der Kostentragung für Unternehmen interessant. Die Richtlinie regelt, dass die Zeit der Freistellung mindestens in Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu vergüten ist. Wer die „Zeche“ zahlt wird den Mitgliedstaaten überlassen. Es dürfte vieles dafürsprechen, dies als Entgeltersatzleistung durch die Krankenkassen, ähnlich zu den Regelungen des Mutterschutzes, umzusetzen.
Fazit
Der in der Work-Life-Balance-Richtlinie enthaltene „Vaterschaftsurlaub“ wird in Deutschland vorerst nicht umgesetzt. Insgesamt beschränkt sich der beschlossene Entwurf – auch beim Schutz vor Diskriminierung – auf das Notwendige. Unternehmen müssen sich daher zunächst nicht auf weitreichende Änderungen einstellen. Aufgrund der in Deutschland bereits vorhandenen Rahmenbedingungen – die in Bezug auf Fürsorgeleistende sogar über den Mindestanforderungen liegen – sind lediglich punktuelle Änderungen beachtlich. Da von einer weiter zunehmenden Inanspruchnahme der Rechte durch die Beschäftigten auszugehen ist, bleibt das Thema für Unternehmen arbeitsrechtlich höchst relevant.